Kritik an kostenlosen Rücksendungen im Online-Handel

Klimaschutz: Könnten kostenlose Rücksendungen verboten werden?

Veröffentlicht: 17.09.2019 | Geschrieben von: Patrick Schwalger | Letzte Aktualisierung: 18.09.2019
Pakete und Laptop auf einem Tisch

3,5 Milliarden – so viele Pakete würden jährlich in Deutschland versandt, sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am 12. September während der Haushaltsdebatte im Bundestag. Für ihn ist klar: Das schwächt Innenstädte und den Einzelhandel, außerdem werde der Verkehr in den Städten belastet. Deswegen sollten die Bürgerinnen und Bürger sich lieber noch einmal überlegen, ob sie wirklich im Netz einkaufen wollten. Die Verbraucher müssten ihr Verhalten hinterfragen. 

Wenige Tage später äußerte sich der Abgeordnete Christian Haase (CDU), der sich im Bundestag für die Kommunen einsetzt, zum Online-Handel. Er plädiert für eine Stärkung der deutschen Innenstädte und des stationären Einzelhandels und wirft die Frage auf, ob kostenfreie Retouren im Online-Handel wirklich der Standard sein müssten. Da durch Rücksendungen beträchtliche Emissionen entstünden, hätte es außerdem positive Auswirkungen auf das Klima, wenn es weniger Retouren gäbe, so Haase. Würden Rücksendungen den Verbraucher etwas kosten, dann gingen auch die Retouren zurück. Haase rechnet wohl außerdem damit, dass die Kosten für Retouren auch die Absätze im Online-Handel verringern würden, weil die Kunden auf den stationären Handel ausweichen würden.

Änderungen der Regelungen für Retouren gehen nur über die EU

Retouren sind per Gesetz im Grundsatz nicht kostenfrei für den Verbraucher. Geregelt ist das in der EU-Verbraucherrechterichtlinie. Nach Artikel 14 der Richtlinie trägt der Kunde im stationären wie im Online-Handel im Falle des Widerrufs die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der gekauften Waren, es sei denn „der Unternehmer hat sich bereit erklärt, diese Kosten zu tragen” oder der Kunde wurde über seine Pflicht zur Kostenübernahme nicht informiert. Diese EU-Gesetzgebung hat bei ihrer Einführung die Rechtslage für Händler durchaus verbessert, denn zuvor entschied sich anhand des Warenwertes, ob der Verbraucher oder der Händler die Kosten einer Rücksendung trägt. Das führte dazu, dass Kunden einfach für höhere Beträge bestellten, damit die Kosten auf die Händler übergingen. Die Waren wurden aber gleichwohl zurück geschickt. 

Daher sind Retouren nach dem Willen des EU-Gesetzgebers nicht kostenfrei für die Verbraucher. Doch in der Realität wird das oft dadurch ausgehebelt, dass die großen Online-Shops kostenlose Retouren als Serviceleistung anbieten. Das bringt kleine und mittelständische Unternehmer in Zugzwang ebenso mit Gratis-Rücksendungen mitzuziehen, wenn sie im Wettbewerb bestehen wollen. Die großen Händler können sich die kostenfreien Retouren finanziell leisten, außerdem haben sie Ressourcen um in technische Tools zur Retourenvermeidung zu investieren. Für kleine Shops werden Retouren dagegen zum Problem, wenn sie im Wettbewerb zu größeren Unternehmen bestehen wollen.

Eine Änderung dieser Gesetzeslage, wie vom CDU-Politiker Haase vorgeschlagen, wäre also nur über eine Änderung auf EU-Ebene möglich. Denkbar wäre eine Änderung von Artikel 14 und der Streichung der Möglichkeit für Unternehmer, die Kosten für Rücksendungen zu tragen. Aktuell steht eine Erneuerung des Verbraucherschutzes auf in der EU sogar an, die Annahme des „New Deal for Consumers” steht kurz bevor. Aber eine einvernehmliche Regelung, um die Retourenregeln in dem neuen EU-Gesetz zu ändern, wurde nicht erzielt. Jetzt ist für eine neuerliche Anpassung ein sehr viel größerer argumentativer Aufwand nötig.

Wie soll aber künftig mit Retouren umgegangen werden?

Die Unionspolitiker sind nicht die einzigen, die sich derzeit mit den Auswirkungen des Online-Handels, insbesondere mit Fragen zu Überhängen und Retouren beschäftigen. Auch das SPD-geführte Umweltministerium unter Ministerin Schulze arbeitet aktuell an einem Gesetz, dass den Umgang mit Retouren und Überhängen regeln soll (wir berichteten). Im Zeichen des Klimaschutzes soll speziell die Vernichtung von Retouren und Überhängen unter stärkere Auflagen gestellt werden. Branchenverbände wie der Händlerbund hatten sich dahingehend positioniert, dass Retouren und Überhänge nicht alleiniges Thema des Online-Handels seien, sondern auch den stationären Handel betreffen. Es bestehe auch ein Teil der Lösung darin, die Verbraucher für die Problemstellung der Retouren zu sensibilisieren, um die Retourenquoten zu senken. Außerdem bedürfe es technischer Innovation, um auch kleinen Händlern die Retourenvermeidung zu erleichtern. Vor allen Dingen müsste es neue Datenerhebungen zu dem Thema geben, denn bisher agieren Unternehmen und Politik vor allem anhand von Eindrücken. Es gebe nicht genügend Zahlen, die einen wirklich fundierten Überblick über Retouren und Überhänge ermöglichen. Der Händlerbund führt dazu aktuell eine Logistik-Studie durch, die sich an alle Händler richtet und an der Händler hier teilnehmen können.

Am 20. September wird die Bundesregierung im Klimakabinett über ein mögliches Klimaschutzgesetz entscheiden. Bisher ist nicht ersichtlich, dass der Online-Handel dabei eine Rolle spielen wird. Doch die jüngsten Äußerungen aus der Union zeigen, dass die Politik in der öffentlichen Klimadebatte auch über den gesellschaftlichen Einfluss des Einkaufens im Internet nachdenkt. Es wird zu beobachten sein, ob ein Verbot von Gratis-Rücksendungen dabei ein Mittel zum Zweck werden wird.

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