Gerade Desinfektionsmittel für den Einsatz am Menschen sind zur Zeit sehr gefragt. Bei Desinfektionsmitteln handelt es sich prinzipiell um Biozide – sie töten bestimmungsgemäß Lebewesen ab, was sie nicht ganz ungefährlich macht. Aus gesetzlicher Sicht müssen deshalb einige besondere Anforderungen beachtet werden, wenn Desinfektionsmittel auf dem Markt bereitgestellt werden.
Wir wurden gefragt, was hinsichtlich der Kennzeichnung von Desinfektionsmitteln beachtet werden sollte und haben einige Informationen dazu gesammelt.
Mit ihrer abtötenden Wirkung fallen Desinfektionsmittel in den Anwendungsbereich der Biozid-Verordnung ((EU) Nr. 528/2012), genauer gehören sie zur Hauptgruppe 1 (Anhang V). Hier bestehen verschiedene Untergruppen, bzw. Produktarten. Es gibt zum Beispiel Produkte für die menschliche Hygiene, für den Veterinärbereich oder zur Behandlung von Wasser.
Definiert werden Biozide so:
„Jeglicher Stoff oder jegliches Gemisch bzw. jeglicher Stoff oder jegliches Gemisch der/das aus Stoffen oder Gemischen erzeugt wird, der/das dazu bestimmt ist auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen.“
Damit gelten beispielsweise auch Schutzmittel zur Verhütung der Entstehung von Mikroben und Algen (z.B. Holzschutzmittel) und Schädlingsbekämpfungsmittel (z.B. Insektizide) als Biozide. Die Einordnung als Biozid führt zu besonderen Vorgaben im Hinblick auf Werbung und Kennzeichnung. Zudem dürfen grundsätzlich nur behördlich zugelassene Biozidprodukte mit genehmigten Wirkstoffen auf dem Markt angeboten werden, ggf. auch Altwirkstoffe – was vor allem für Hersteller bzw. Zulassungsinhaber relevant ist.
Grundsätzlich müssen Online-Händler über die wesentlichen Merkmale der Ware informieren. Dabei gibt es spezielle Vorgaben in der Biozid-Richtlinie. Die Kennzeichnung von Desinfektionsmitteln ist prinzipiell dem Inhaber der Zulassung für das Produkt zugeschrieben. Das Bereitstellen auf dem Markt, also auch der Verkauf an Verbraucher, ist daran geknüpft, dass die Vorgaben der Biozid-Verordnung eingehalten werden und das Produkt insbesondere zugelassen ist. Da es sich bei diesen Informationen auch um wesentliche Merkmale des Produkts Desinfektionsmittel handeln dürfte, sollten Händler diese in die Produktdetailseite mit aufnehmen – Über wesentliche Merkmale muss jedenfalls informiert werden, bevor Verbraucher ihre vertragliche Willenserklärung abgeben. Die Informationen müssen hier zwingend in deutscher Sprache gegeben werden.
Die Verordnung listet eine Reihe von Informationen auf, die auf dem Etikett gut lesbar und unverwischbar aufgeführt werden müssen. Auch wenn diese sehr umfangreich ausfällt, passen die notwendigen Informationen dennoch in vielen Fällen auch auf ein Etikett für Produkte in Reisegröße.
Informationen auf dem Etikett gem. Art. 69 Biozid-VO:
* Diese Informationen dürfen statt auf dem Etikett ggf. auf der Verpackung oder einem beiliegenden Merkblatt gezeigt werden.
Auch die CLP-Verordnung, die sich mit der Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung von gefährlichen Chemikalien befasst, stellt Anforderungen im Hinblick auf Desinfektionsmittel auf. Sie ist die gesetzliche Basis für viele der Gefahrenpiktogramme, die sich auf Produkten befinden – verlangt wird die Angabe von Gefahreigenschaften.
Sie sollten, wie die oben angesprochenen Kennzeichnungen nach der Biozid-Verordnung, ebenfalls direkt auf der Produktdetailseite in klarer und verständlicher Weise gezeigt werden und in deutscher Sprache abgefasst sein. Das gilt auch sonst für die Werbung, sofern sie es einem privaten Endverbraucher ermöglicht, ohne vorherige Ansicht des Kennzeichnungsetiketts einen Kaufvertrag abzuschließen.
Vorgesehen sind gem. Art. 17 CLP-Verordnung:
Die jeweils nötigen Informationstexte finden sich in Anhang I der CLP-Verordnung. Was hier im Einzelfall konkret anzugeben ist, lässt sich pauschal nicht beantworten und sollte durch einen Fachmann geprüft werden.
Die Biozid-Verordnung sieht in Art. 72 einen zentralen Hinweis vor, der bei jeglicher Werbung für das Produkt hinzugefügt werden muss: „Biozidprodukte vorsichtig verwenden. Vor Gebrauch stets Etikett und Produktinformationen lesen.“ Dieser Hinweis muss sich laut der gesetzlichen Vorgaben von der eigentlichen Werbung abheben und gut lesbar sein. Das Wort „Biozidprodukte“ kann allerdings durch einen „eindeutigen Verweis auf die beworbene Produktart“ ersetzt werden.
Dabei muss außerdem darauf geachtet werden, dass das Produkt nicht in einer Art und Weise dargestellt wird, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist. Die Werbung darf die Angaben „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder ähnliche Hinweise auf keinen Fall enthalten. Nach der Rechtsprechung dürfen Biozide außerdem nicht als „reine Naturprodukte“ beworben werden, selbst wenn das Biozid tatsächlich aus rein natürlichen Inhaltsstoffen besteht.
Online-Marktplätze haben möglicherweise eigene Voraussetzungen im Hinblick auf den Verkauf von Bioziden. So nennt Amazon in seinen Programmrichtlinien im Hinblick auf Beispiele für unzulässige Produkte etwa: „Biozidprodukte ohne die entsprechende und notwendige Zulassung, soweit nicht von der Biozidverordnung ausgenommen, sowie Biozidprodukte, die die vorgeschriebenen Anforderungen für ihre Werbung nicht einhalten. Sie sollten sich von den zuständigen Behörden beraten lassen, bevor Biozidprodukte importiert oder verkauft werden.“ Drohen kann bei Zuwiderhandlungen auf Marktplätzen ggf. der Entzug der Verkaufsrechte.
Insbesondere auf Marktplätzen, aber auch im Handel generell gelten darüber hinaus Anforderungen an den Kaufpreis – dieser darf nicht in einem auffälligen Missverhältnis zur Leistung stehen. Juristen sprechen hier von Wucher. Ob der gesetzliche Tatbestand gegeben ist, muss im Einzelfall geprüft werden.
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (baua) hat angesichts der Gefahr für die öffentliche Gesundheit Allgemeinverfügungen erlassen, die die Zulassung von Biozidprodukten betreffen. Damit soll Apotheken, der pharmazeutischen und der chemischen Industrie sowie Personen des öffentlichen Rechts die Herstellung und das Bereitstellen von Flächendesinfektionsmitteln und Handdesinfektionsmitteln ermöglicht werden. Die Abgabe und Verwendung ist in diesem Fall auf berufsmäßige Verwender beschränkt, im Hinblick auf Handdesinfektionsmittel in Ausnahmen auch auf Verbraucher.
Wie es auch bei Behelfs- bzw. Atemschutzmasken der Fall ist, kann die jeweilige Zweckbestimmung entscheidend dafür sein, unter welche Regularien das jeweilige Produkt fällt. Die Biozid-Verordnung gilt so z.B. nicht für Produkte und behandelte Waren, die in den Geltungsbereich anderer Rechtsakte fallen: z.B. Medizinprodukte, Arzneimittel.
Biozide wie Desinfektionsmittel sind nicht ganz Ohne, auch hinsichtlich der speziellen und umfangreichen Kennzeichnungspflichten. Wir hoffen aber, einen guten Einblick in die Anforderungen für das Verkaufen gegeben zu haben und verweisen zudem auf unser Hinweisblatt zum Handel mit Bioziden. Antworten auf Fragen zu den Rechtsgrundlagen von Bioziden können beim Helpdesk der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin gefunden werden.