Widerrufsrecht: Verdi will Amazon-Kunden zu „Streikhelfern“ machen

Veröffentlicht: 22.12.2015 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 23.03.2016

Für Online-Händler sind sie ein rotes Tuch: die sogenannten Spaßbesteller, die online einkaufen und später komplette Wagenladungen retournieren. Die Gewerkschaft Verdi, die Amazon schon lange den Kampf angesagt hat, will sich dieses Prinzip nun zu Nutze machen und Verbraucher mit ins Boot holen.

Bildquelle: Frank Gaertner / Shutterstock.com

Amazon soll mit unprofitabler Mehrarbeit geschädigt werden

Gerade in den letzten Tagen vor Weihnachten läuft der Betrieb in den Versandlagern auf Hochtouren. Auch Amazon bildet keine Ausnahme davon, Lieferversprechen hin oder her. Es darf nichts schief gehen, oder unzählige verärgerte Kunden stehen am Heiligabend ohne Weihnachtsgeschenke da. Genau an dieser Stelle will die Gewerkschaft Verdi ansetzen. Anstatt den Versandhandelsriesen zu boykottieren, sollen die Kunden dort (vermehrt) bestellen. Im Anschluss werden die Pakete mit einem Solidaritätsbrief retourniert. Ausführlich haben wir an dieser Stelle berichtet.

Mag man von diesem Aufruf politisch halten, was man will. Aus rein rechtlicher Sicht bewegen sich die Kunden auf dünnem Eis.

Vertrag ist Vertrag

Zunächst einmal sollten sich die Teilnehmer dieser Aktion bewusst sein, dass sie einen rechtlich bindenden Kaufvertrag mit Amazon schließen. Der Grundsatz „Pacta sunt servanda“ – also „Verträge sind einzuhalten“ – gilt auch hier. Die Absicht der „Streikkäufer“, die Waren am Ende nicht behalten zu wollen, steht dem Vertragsschluss nicht im Wege. Auch die am Solidaritätsstreik teilnehmenden Käufer müssen ihre Verpflichtung aus dem Kaufvertrag erfüllen und die Zahlung leisten. Dessen sollten sich die Teilnehmer bewusst sein.

Vertragsstrafe für „Spaß“käufer?

Eine Vertragsstrafe wird Amazon weder fordern wollen, noch können. Zwar darf ein Spaßbieter, der bei Ebay ohne tatsächliche Kaufabsicht Gebote abgegeben hatte, vom Verkäufer mit einer Vertragsstrafe belegt werden (Amtsgericht Bremen, Urteil vom 20.10.2005, Az.: 16 C 168/05). Der zu entscheidende Fall handelte jedoch im Privatbereich und eine Übertragbarkeit auf den gewerblichen Online-Handel ist deshalb ausgeschlossen, da Vertragsstrafen nicht pauschal festgeschrieben werden dürfen.

Missbrauch des gesetzlichen Widerrufsrechts?

Aber auch bei einem geschlossenen Vertrag gibt es Mittel und Wege, sich als Verbraucher zu lösen. Verbrauchern steht es per Gesetz zu, die bestellten Waren innerhalb einer bestimmten Frist ohne Begründung zurückzusenden. Wir sprechen an dieser Stelle von einem ganz normalen regulären Widerrufsrecht.

Während das Inaussichtstellen einer „Strafe“ bei Ausübung des Widerrufsrechtes unzulässig ist und dem Verbraucher weder angedroht noch auferlegt werden darf, sieht es im umgekehrten Fall anders aus. Explizite Ausschluss- oder Erlöschensgründe hat der Gesetzgeber für mutwillige Spaßbestellungen nicht vorgesehen. Eine Koppelung des Widerrufsrechtes an die Ernsthaftigkeit der Bestellung gibt es bislang nicht im Gesetz. An mutwillige Bestellungen im Rahmen eines Solidaritätsstreiks hat man natürlich nicht gedacht. Auch entsprechende Rechtsprechung existiert nicht, die zu einer Verwirkung des Widerrufsrechtes führt. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes, unter welchen Voraussetzungen Verbraucher ihr Widerrufsrecht verwirken können, war in letzter Minute durch Revisionsrücknahme überflüssig geworden (BGH, Az.: XI ZR 154/14).

Fazit

Missbrauch oder Verwirkung des Widerrufsrechtes hin oder her… Die Teilnehmer am Solidaritätsstreik sollten sich dennoch im Klaren sein, dass auch für diese Bestellungen die regulären gesetzlichen Grundsätze gelten. So gibt es ein Widerrufsrecht nur für Verbraucher. Zudem muss die von Amazon gewährte Widerrufsfrist auch eingehalten werden und ggf. die Übernahme der Rücksendekosten erfolgen.

Auch praktisch wird der Nachweis einer missbräuchlichen Verwendung nur mit großem Aufwand gelingen. Amazon versendet und empfängt täglich unzählige Sendungen. Wer welche Bestellung zu welchem Zweck ausgelöst hat, lässt sich nur schwer dokumentieren.

Nach dem jetzigen Stand von Gesetz und Rechtsprechung wird man die „Streikkäufer“ daher nicht an ihrem Widerrufsrecht hindern können. Ob das bewusste Ausnutzen des gesetzlichen Widerrufsrechtes der richtige Weg zur Verfolgung politischer Interessen ist, soll an dieser Stelle dahingestellt bleiben.

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