„Online-Shoppen zerstört die urbane Kultur“

Philosoph Precht fordert Extra-Steuer für Online-Käufe

Veröffentlicht: 11.10.2019 | Geschrieben von: Markus Gärtner | Letzte Aktualisierung: 11.10.2019
München City

Der große Kampf „stationärer versus Online-Handel“ mit all den Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft ist ein altbekanntes Narrativ. Jetzt befeuert der Philosoph und Bestseller-Autor Richard David Precht („Wer bin ich, und wenn ja, wie viele?“) die Debatte: Er befürchtet durch das Siechen des stationären Handels gesellschaftliche Folgen – eine Extra-Steuer für Online-Handel soll helfen.

„Online-Shoppen hat die urbane Kultur zerstört“

Im Interview mit dem Handelsblatt schweifen die beiden Gesprächspartner neben Themen wie Marx und Kapitalismus auch auf den E-Commerce. Ausgangspunkt sind die Beobachtungen Prechts des – für Innenstädte wohl typischen – Bilds seiner Heimatstadt Solingen. „Ich war unlängst seit vielen Jahren wieder in der Innenstadt – und war entsetzt. In meiner Kindheit war die Fußgängerzone voller qualifizierter Einzelhändler. In den neunziger Jahren rollten die Filialketten das Terrain auf. Mittlerweile steht von drei Läden mindestens einer leer, während die anderen beiden von Ramsch-Boutiquen und Dönerbuden bespielt werden.“ So gebe es keinen Grund mehr für die Bewohner, am Wochenende in die Innenstadt zu gehen. Die Folge: Ein fehlendes Gemeinschaftsgefühl. „Online-Shoppen hat die urbane Kultur zerstört“, schlussfolgert Precht.

Online-Shopper sollen 25 Prozent Steuern auf Käufe zahlen

Sein Lösungsvorschlag: Online-Shopper sollten auf ihre Einkäufe 25 Prozent Steuern zahlen. Mit diesen Einnahmen sollten die Kommunen dann in ihre Innenstädte investieren und so wohl wieder mehr Besucher locken. „Ich möchte gerne eine für unsere Demokratie wie unsere Wirtschaft hochproblematische Entwicklung stoppen. Meine Steuer-Idee würde die Zukunft wahrscheinlich lebenswerter machen“, findet Precht. So solle wieder „mehr Öffentlichkeit und Gemeinsinn“ herrschen.

Markus Wissmann / Shutterstock.com

Nun sind die Ursachen für die Situation des Einzelhandels und die Attraktivität der Innenstädte vielfältig. Bürger klagen z.B. unter anderem auch über mangelnde oder zu teure Parkplätze. Experten raten unter anderem, die Innenstädte und den Einzelhandel durch Events aufzuwerten und Menschen so zurück in die Fußgängerzone zu holen. Interessanterweise sehen 83 Prozent der Verbraucher auch bei sich eine Schuld an der Verödung der Städte, so eine Studie. Ob diese jedoch bereit wären, dafür Extra-Steuern zu zahlen, darf bezweifelt werden.

Leser finden Idee „populistisch“

In einer Umfrage zum Interview sind die Handelsblatt-Leser über Prechts Vorschlag gespalten: 41 Prozent lehnen seine Idee ab, 40 Prozent sprechen sich dafür aus. In den Leser-Kommentaren hagelt es jedoch überwiegend Kritik: „absolut populistisch und plakativ“ und „eine überflüssige Steuer, im Elfenbeinturm erdacht“. Ein Leser meint: „Die Kunden haben mit den Füßen abgestimmt, aber Herr Precht sehnt sich in eine Idylle der guten alten Zeit der örtlichen Kleinteiligkeit zurück. (...) Nein, das Gemeinschaftsgefühl ist hier zu kleinbürgerlich und kleinteilig gedacht.“

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