Kolumne: WhatsApp verliert seine Unschuld

Veröffentlicht: 04.05.2018 | Geschrieben von: Michael Pohlgeers | Letzte Aktualisierung: 04.05.2018

Jan Koum war offenbar der letzte Verfechter des werbefreien WhatsApps: Der Mitgründer der Messenger-App, die heute Millionen nutzen, hatte sich immer wieder dagegen ausgesprochen, Werbung in der App zu schalten. „Sobald Werbung im Spiel ist, bist du, die Nutzerin, der Nutzer, das Produkt“, schrieb Koum 2012 in einem Blogpost. „Wir wollen, dass WhatsApp ein Produkt ist, das dich wach hält … und nach dem du morgens greifst. Und niemand steht extra früh auf, um sich eine Werbung anzusehen.“

Gut, nun könnte man Koum an dieser Stelle vorwerfen, dass er offenbar nicht verstanden hat, wie Online-Werbung funktioniert (nämlich nicht wie Fernsehwerbung, wo der genaue Zeitpunkt eines Spots fix ist). Aber der WhatsApp-Gründer legt in seinen Ausführungen eine Verteidigungshaltung gegenüber der „Produktisierung“ der Nutzer an den Tag, die mehr als löblich ist …

Wenn er denn nicht 2014 trotzdem seinen Messenger an Facebook verkauft hätte. Doch selbst dann blieb der Messenger bislang werbefrei und die Nachrichten wurden verschlüsselt. Mark Zuckerberg erklärte bei seiner Anhörung vor US-Politikern, dass Facebook keinen Einblick in die verschlüsselte Kommunikation bei WhatsApp habe.

Wenn du dich mit dem Teufel einlässt, verändert sich nicht der Teufel …

Jetzt hat Jan Koum Facebook verlassen. Sein Mitgründer Brian Acton räumte bereits im letzten Herbst seinen Posten und rief nach Bekanntwerden des Cambridge-Analytica-Skandals zum Löschen der Facebook-App (und der Accounts) auf. Die WhatsApp-Gründer haben mit dem Netzwerk gebrochen. Grund dafür dürfte das Bestreben von Facebook gewesen sein, mit WhatsApp endlich Geld zu verdienen – dass dieser Plan schon länger im Raum steht, ist kein Geheimnis. Facebooks Messenger-Chef David Marcus hat nun bestätigt, dass WhatsApp sich jetzt für Werbung öffnen werde.

Denkbar seien beispielsweise Anzeigen in der Story-Funktion (die von den Nutzern bei ihrer Einführung eher verhalten aufgenommen wurden). Zudem dürften sich Unternehmen künftig auch mehr auf WhatsApp verlassen können, um mit Kunden zu kommunizieren.

… der Teufel verändert dich

Genaue Pläne wurden noch nicht verkündet, aber WhatsApp soll doch bitte mit Bedacht in Sachen Werbung vorgehen, wenn man das nun umsetzen sollte. Irgendwelche Unternehmen, die plötzlich in meiner Kontaktliste aufploppen, wären ärgerlich. Werbeanzeigen in meinen Chatfenstern wahrscheinlich ein Grund, mich ernsthaft nach einer Alternative umzusehen. Einen Dienst, der seit jeher werbefrei war, kann man nicht plötzlich wahllos mit Anzeigen bestücken. Und dann kämen wir noch zu der Idee, eine bezahlbare WhatsApp-Premium-Version ohne Werbung anzubieten …

In jeden Fall: Jan Koum bleibt der Verfechter der Nutzerrechte und scheint seine Überzeugungen bis zuletzt verteidigt zu haben. Anstatt sich dem Druck zu fügen, hat er lieber seinen Hut genommen. Es bleibt spannend, ob er sich nun in den nächsten Wochen öffentlich gegen Facebook aussprechen wird, so wie Brian Acton es bereits getan hat.

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