Von der Shop-Erstellung bis zur Kundenkommunikation

So transformiert KI den gesamten Lebenszyklus im E-Commerce

Veröffentlicht: 07.02.2024 | Geschrieben von: Ricarda Eichler | Letzte Aktualisierung: 07.02.2024
Roboter pflegt einen Online-Shop

Der Hype um KI-Tools lässt nicht nach und mittlerweile traut sich kaum noch ein E-Commerce-Player ganz ohne ein solches auszukommen. Dabei steckt ein gewisses Ausmaß KI mittlerweile in fast allem Digitalen drin: sei es der Algorithmus, der das eigene Social-Media-Feed bestimmt oder der Vorschlag einer bestimmten Kategorie beim Einstellen eines Artikels auf Ebay.

Wie mein Kollege Christoph Pech erst letztes Jahr in unserer Themenreihe Marktplätze beleuchtete: KI ist schon lange „der Elefant im Hintergrund“. Aber aktuell reicht es eben nicht mehr aus, einen Elefanten im Vorgarten zu haben. Da muss schon ein Ferrari daneben stehen. Der Ferrari steht in dieser Allegorie für das prestigeträchtige eigene KI-Projekt. 

Vor allem Amazon überschlägt sich dahingehend mittlerweile. Fast jeden Monat erscheint ein neues KI-Feature, angefangen von einem KI-Größenfinder für Mode bis hin zur KI-generierten Zusammenfassung bestehender Bewertungen.

Doch was hat der Ottonormal-Online-Shop von all diesen Entwicklungen eigentlich, wenn er nicht gerade hauptsächlich auf dem Amazon-Marktplatz verkauft? Im Folgenden schauen wir uns mal genauer an, an welchen Stellschrauben KI als Öl im Getriebe des gut laufenden E-Commerce-Motors dienen kann.

Erstellung eines Online-Shops

Am Anfang steht im E-Commerce die Frage, mit welchem System man den eigenen Online-Shop aufsetzen möchte. Basierend auf dieser Frage gibt es bei den verschiedenen Shopsystemen unterschiedliche bereits integrierte, oder aber über Plugins erweiterbare Möglichkeiten zum Einsatz künstlicher Intelligenz.

Shopify hat vergangenes Jahr mit Shopify Magic eine ganze Suite an KI-Tools vorgestellt, die Händler:innen beim Aufbau und Betrieb ihres Shops zur Seite stehen sollen. Bisher ist diese allerdings erst im Rahmen eines Early Access verfügbar. Einen ganzen Shop von Grund auf erstellen kann die magische KI zwar noch nicht, aber sobald das Grundgerüst steht, lassen sich damit Inhalte wie Produktbeschreibungen und Marketingtexte beziehungsweise Blogposts verfassen.

Etwas mehr bietet dagegen schon das Baukasten-System Wix. Dieses gilt zwar im Bereich E-Commerce nicht unbedingt als die erste Anlaufstelle, ermöglicht aber ebenso das Aufsetzen eines Online-Shops. Mit Wix ADI (Artificial Design Intelligence). Der Blog Tooltester probierte sich am Erstellen eines beispielhaften Online-Shops für Babybekleidung. Das Ergebnis: In nur zwei Minuten kann hier ein solides Grundgerüst fertig sein.

Dazu fragt Wix ADI unter anderem nach Kategorie, Firmennamen, Standort und lässt ein rudimentäres Template auswählen. Auf Basis dieser, sowie verknüpfter Social-Media-Kanäle erstellt Wix eine sofort einsatzfähige und funktionale Website, der man im Nachgang noch einen individuellen Feinschliff verpassen kann. Vor allem die Möglichkeit, bestehende Online-Auftritte einzugeben, ist daher sehr smart: anhand dieser schlägt die KI hier passende Farbschemata und Templates vor und erspart so viel Arbeit.

Konkret aus dem Bereich E-Commerce gibt es weitere Anwendungen, beispielsweise von Salesforce. Grundsätzlich möchte fast jeder Website-Builder auf der KI-Erfolgswelle mitschwimmen und bietet derartige Möglichkeiten. Nicht alle davon sind jedoch auch für den Betrieb eines Online-Shops geeignet. Wer sich also technologisch unter die Arme greifen lassen möchte, sollte vorab genau prüfen, ob das ausgewählte Tool auch das kann, was man möchte.

 

Rund um die Produkte 

Produktbeschreibungen

Ist der Shop einmal erstellt, möchte man ihn als nächstes möglichst schnell mit Produkten und Inhalten befüllen. Hierfür bietet generative KI nahezu unzählige Möglichkeiten. Dabei kann man natürlich ganz simpel und kostenfrei einfach auf ChatGPT zurückgreifen und diesem einfach rohe Produktinformationen einspeisen, um daraus ansprechende Beschreibungen erstellen zu lassen. 

Dem Chatbot kann man dabei beispielsweise CSV-Dateien zur Verfügung stellen, welche er ausliest und anhand der enthaltenen Daten Beschreibungstexte verfasst. Je nach verwendetem E-Commerce-System lässt sich die so von ChatGPT bearbeitete CSV dann direkt wieder hochladen, was die Texte automatisch einpflegt. Möglich ist dieser Weg beispielsweise bei Nutzung des WordPress Shop-Plug-ins WooCommerce, aber auch Shopify erlaubt den Upload von Produktdaten aus CSV-Dateien.

Apropos Shopify: Das bereits genannte Shopify Magic kann zwar (noch) keinen Shop erstellen, aber ist in Sachen Betrieb durchaus eine Hausnummer. Denn hier lassen sich direkt aus dem Backend des Shops anhand einiger Keywords und einem gewählten Kommunikationsstil Beschreibungen in gleich mehreren Sprachen generieren. Den Kommunikationsstil, bei Shopify „Ton“ genannt, kann man für den gesamten Shop übergreifend hinterlegen – damit werden automatisch alle Texte in der passenden Kundenansprache verfasst. Wenn der generierte Text nicht gefällt, kann man der KI entweder noch eine weitere Chance geben, oder aber den Vorschlag manuell nachbessern. Relativ ähnlich verhält es sich beim Shopware AI Copilot: auch dieser erstellt anhand von Merkmalen Texte und lässt diese danach editieren.

Keywords, Bildmaterialien und Co. 

Eine weitere Hilfestellung bei Shopify stellt der „Sidekick“ dar. Dieser KI-Chatbot ist nicht für die Kundschaft, sondern die Shop-Betreibenden da und beantwortet aufkommende Fragen. Ob man Inspiration für neue Inhalte sucht, Fragen zu einer bestimmten Funktion hat oder aber einen Rabattcode generieren möchte – Sidekick agiert hier wie der persönliche Agentur-Ansprechpartner.

Übrigens: KI-Tools können deutlich mehr als nur Produktbeschreibungen. Selbstverständlich lassen sich bei allen Anwendungen auch passende SEO-Keywords erstellen. Zudem kann beispielsweise der Shopify „Sidekick“ auch Listen mit den beliebtesten Produkten erstellen, mit denen man im Nachgang zum Beispiel eine dedizierte Marketingkampagne starten kann.

Aber genug von Texten. Was braucht es noch, um Kund:innen von Produkten zu überzeugen? Richtig: Bilder. Und selbstverständlich sollten die Produktbilder dabei echte Fotos der tatsächlichen Artikel sein. Doch trotzdem lassen sich auch diese mithilfe von KI-Tools noch verbessern. Eine ganz rudimentäre Anwendung hat hier beispielsweise Ebay im Angebot. Hier erkennt die KI das eigentliche Produkt im Bild und ermöglicht die automatische Freistellung dessen. Denn bei einem freigestellten Bild steht das Produkt letztlich da, wo es hingehört: im Fokus.

Zudem ermöglichen bestimmte Bildgeneratoren das Umwandeln von 2D-Fotos in 3D. Die so gewonnenen 3D-Bilder können Kund:innen helfen, sich Produkte besser und greifbarer vorzustellen. In einem weiteren Schritt können diese mittels Augmented Reality im eigenen Heim betrachtet werden – eine Option, die vor allem für Dekoartikel oder Möbel von großem Vorteil ist, aber auch in der Mode ihre Anwendung findet.

Kommunikation mit der Kundschaft

Doch auch im laufenden Betrieb eines Online-Shops lohnt es sich zu prüfen, welche Tools den Alltag im Umgang mit der Kundschaft verbessern können. Der Klassiker ist hier der Chatbot, der einfache Fragen beantwortet und beispielsweise passende Produkte vorschlägt. Diese haben sich in den letzten Jahren dank künstlicher Intelligenz stark verbessert.

Ein Tool, welches mit zahlreichen Shopsystem kompatibel ist und sich auch ohne Programmierkenntnisse zum individuellen Chatbot formen lässt, ist der Brain Assistant vom KI-Start-Up Rezolve. Nach Einbettung in den Shop legt man hier selbst fest, welche Datenbasis der Bot erhält – Fragen, die sich anhand dieser beantworten lassen, übernimmt der Bot so schnell und in 95 verschiedenen Sprachen. Auf diese Weise können bereits viele kleine Anliegen abgehakt werden, bevor menschliches Servicepersonal involviert werden muss.

Doch trotz zahlreicher Entwicklungen haben Chatbots unter Verbraucher:innen oft nicht den besten Ruf. Eine Funktion, die dagegen immer mehr als Standard erwartet wird, ist eine intelligente Suche. Statt wie einst nur auf Keywords zu reagieren, können diese anhand deskriptiver Suchanfragen passende Produkte vorschlagen. Derartige Funktionen lassen sich beispielsweise bei JTL, mit dem Plugin Clerk.io, oder seit neuestem bei Shopify durch die „semantische Suche“ integrieren (wir berichteten). 

Clevere Unterstützung im Marketing

Mit Mitteln wie der smarten Suchfunktion oder einem Chatbot gestaltet man das Einkaufserlebnis für seine Kundschaft ansprechend und intuitiv. Möchte man bestehende Kunden reaktivieren, lassen sich zudem immer mehr Aspekte des Marketings mittels künstlicher Intelligenz individualisieren. Die Bereiche, an denen KI hier von Nutzen sein kann, lassen sich grundsätzlich in zwei Kategorien unterteilen: Automatisierung und Individualisierung.

So können KI-Tools beispielsweise umfangreiche Kundendaten analysieren und in diesen Muster und Zusammenhänge erkennen, welche einem menschlichen Hirn allein aufgrund der Datenmenge vielleicht entgehen würden. Derartige Strukturen können im Weiteren zum Aufbau von Buyer Personas und einer gezielteren Ansprache genutzt werden.

Auf der anderen Seite können triste Fleißaufgaben wie das Erstellen und Versenden von Mailings an verschiedene Kundenstämme vollautomatisiert durchgeführt werden.  Eine derartige Automatisierung verringert dabei auch tatsächlich das Fehlerrisiko: wo ein menschlicher Angestellter möglicherweise mal die falsche Empfangsliste auswählt oder ein Mailing zu einer suboptimalen Uhrzeit versendet, erkennen KI-Tools hier anhand der Datenlage eigenständig die beste Vorgehensweise.

Zu den Anbietern entsprechender Tools zählen unter anderem das bereits genannte Clerk.io von JTL oder auch die Salesforce Marketing Cloud. Grundsätzlich gibt es bei nahezu jedem Shopsystem-Anbieter die Möglichkeit, über bestimmte Plug-ins entsprechende Funktionen einzurichten.

 

Immer die passende Ware im Lager

Zum Schluss soll auch ein kurzer Blick auf den Bereich der Logistik geworfen werden. Denn am Ende nützt der beste Online-Shop nichts, wenn die benötigte Ware nicht vorrätig ist, oder das Lager voller Lagerhüter, die unnötig Platz einnehmen. Bereits 2017 sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder, die Logistik sei „bereits heute einer der am stärksten digitalisierten Unternehmensbereiche. Aber mit Drohnen, autonomen Systemen und Artificial Intelligence steht der Logistik nicht nur eine Optimierung von Geschäftsprozessen bevor, sondern eine echte Revolution.“

Diese solide Grundlage nutzen zahlreiche Unternehmen, um beispielsweise Peaks im Vertrieb bestimmter Produkte vorherbestimmen und entsprechend die Lagerbestände anzupassen. Weiterhin kann die Technologie helfen, Zustellrouten zu optimieren, sowie anhand tagesaktueller Verkehrsinformationen mögliche Lieferschwierigkeiten abzuschätzen.

Fazit

Das Thema künstliche Intelligenz ist bereits seit Jahrzehnten im Gespräch. Der Hype ist im Moment jedoch größer denn je, schließlich stehen KI-Tools mittlerweile jedem zur freien Verfügung und kommen dadurch im Alltag vieler Menschen jetzt erst wirklich an. Online-Händler:innen sollten deswegen aber nicht blind auf jenen Hype aufspringen, nur um dabei zu sein. 

Stattdessen kann es hilfreich sein, seine bestehenden Prozesse genau zu prüfen und zu sehen, welche Aspekte sich durch den Einsatz künstlicher Intelligenz tatsächlich verbessern lassen. Wer unsicher ist, ob sich der Einsatz lohnt, kann beispielsweise Produkttexte oder -Bilder in Form von A/B-Tests erproben und schauen, was den Nerv des eigenen Kundenstamms am besten trifft.

Auch die politischen Entwicklungen sollte man im Blick behalten. So einigten sich die EU-Mitgliedsstaaten jüngst über eine gesetzliche Richtlinie zum Einsatz von KI. Die sogenannte KI-Verordnung enthält einige grundsätzliche Regeln und Pflichten für den Einsatz der hier beschriebenen Tools. Diese betreffen zwar in erster Linie die Entwickler der Tools, aber auch reine Anwender müssen künftig schon den Einsatz von KI in den eigenen Systemen transparent ausweisen.

Über die Autorin

Ricarda Eichler
Ricarda Eichler Expertin für: Nachhaltigkeit

Ricarda ist im Juli 2021 als Redakteurin zum OHN-Team gestoßen. Zuvor war sie im Bereich Marketing und Promotion für den Einzelhandel tätig. Das Schreiben hat sie schon immer fasziniert und so fand sie über Film- und Serienrezensionen schließlich den Einstieg in die Redaktionswelt.

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