Trendwende am Arbeitsmarkt

Ist die 4-Tage-Woche schon wieder out?

Veröffentlicht: 03.05.2024 | Geschrieben von: Ricarda Eichler | Letzte Aktualisierung: 03.05.2024
Gegenüberstellung: New Work | Überstunden

In den letzten Jahren hat sich die Arbeitswelt massiv verändert. Durch die Pandemie kennen wir mittlerweile die Vorzüge des Homeoffice, und vor allem die jüngeren Generationen fordern auch immer stärker eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit. Dem entgegen steht jedoch ein immer frappierender werdender Fachkräftemangel. Am 1. Mai forderte jetzt auch Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger eine Trendwende: „Wir brauchen mehr und nicht weniger Arbeit in Deutschland“, zitiert der Spiegel Dulger.

Und auch in anderen europäischen Ländern scheint das Thema New Work langsam aus der Mode zu fallen. So dürfen Arbeitnehmende in Griechenland ab dem 1. Juli sogar sechs Tage pro Woche arbeiten. Laut Arbeitsmarktexperten Holger Schäfer ist die Debatte über die Wochenarbeitszeit aber nicht die einzige mögliche Herangehensweise an das Problem des Fachkräftemangels. 

„Es gibt keinen anstrengungslosen Wohlstand“

Im Rahmen des Tags der Arbeit äußerte sich Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger kritisch zu den arbeitsrechtlichen Trends der letzten Jahre. Mit seinen Äußerungen ist er dabei nicht allein. Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner monierte erst kürzlich die mangelnde Arbeitsmoral der Deutschen. „In Italien, in Frankreich und anderswo wird deutlich mehr gearbeitet als bei uns“, so Lindner.

Aus der Luft gegriffen sind diese Vergleiche dabei nicht. So zeigte eine Studie der niederländischen Universität Groningen, dass die Deutschen pro Jahr durchschnittlich 1.400 Stunden arbeiten und damit im europäischen Vergleich einen der hinteren Plätze belegen. Deutlich besser schnitt beispielsweise Griechenland mit 2.000 Stunden pro Jahr ab. 

 

Griechenland führt ab Juli 6-Tage-Woche ein

Und gerade Griechenland möchte an dieser Zahl offenbar noch weiter drehen: Wie die Wirtschaftswoche schreibt, soll ein neues Gesetz ab dem 1. Juli 2024 eine 6-Tage-Woche ermöglichen. Die Regelung soll auf Freiwilligkeit basieren und sich für Arbeitnehmende rentieren. Bei Arbeit an einem Samstag lockt ein Gehaltsaufschlag von 40 Prozent, bei Arbeit an Sonn- oder Feiertag sogar von 115 Prozent.

Wie viel davon am Ende auf dem Konto der mehr arbeitenden Arbeitnehmer tatsächlich ankommen wird, bleibt abzuwarten. So gibt Griechenland-Experte Jens Bastian zu bedenken, dass bereits jetzt viele griechische Arbeitnehmer:innen mehr als einen Job haben, um angesichts hoher Steuern und Sozialabgaben ihren Lebensstandard zu finanzieren. 

Zudem heißt es zwar offiziell, die Mehrarbeit sei freiwillig – doch wenn das Unternehmen den weiteren Tag einfordert, werden sich viele Arbeitnehmende wohl überlegen, ob sie diesen wirklich ablehnen wollen.

Deutschland muss sein Arbeitskräftepotenzial besser ausreizen

Angst um einen direkten Umschwung von 4-Tage-Woche hin zu 6-Tage-Woche brauchen sich deutsche Arbeitnehmende nun jedoch nicht zu machen. Wie Bastian betont, sei das Modell hierzulande aufgrund der Tarif- und Arbeitsrechte nicht anwendbar. Die Deutschen wollen vor allem weniger arbeiten. Da dies jedoch nicht in allen Fällen mit vollem Lohnausgleich funktioniert, entwickelt sich Deutschland zunehmend zu einer „Teilzeitrepublik“.

In einem Interview mit der Wirtschaftswoche sagte der Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer, dass sich die Teilzeitquote in der Bundesrepublik seit 1991 mehr als verdoppelt habe. Waren es damals noch nur knapp 14 Prozent, sind es mittlerweile 31 Prozent der Deutschen, die in einem Teilzeitmodell arbeiten. Diese Steigerung ist aber nicht nur der mangelnden Lust zur Arbeit geschuldet. Gerade Frauen haben in vielen Fällen angesichts nicht ausreichend vorhandener Kinderbetreuungsplätze schlicht keine andere Option. 

Schäfer sieht für die Lösung des Fachkräftemangels drei zentrale Stellschrauben: Eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit, ein späteres Rentenalter sowie eine Verbesserung der Zuwanderungspolitik. War es das nun also schon wieder, mit der schönen neuen New Work Welt?

Zuwanderung könnte die Rettung sein

Nicht ganz. Denn was Schäfers These angeht, so zeigt sie auch alternative Stellschrauben auf, mit Hilfe derer die aktuelle Lage verbessert werden könnte. Vor allem eine Optimierung der Zuwanderungspolitik wäre dringend notwendig. Aktuell wird Fachkräften aus dem Ausland zwar suggeriert, sie seien hier herzlich willkommen, doch allein an Termine für die Beantragung einer Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis zu kommen, ist teils ein Ding der Unmöglichkeit.

Denn wie Schäfer selbst betont, liegt das Kernproblem des Fachkräftemangels nicht darin, dass die Deutschen die Jobs nicht wollen – sie können die geforderten Qualifikationen in vielen Fällen schlicht nicht leisten. „Zugespitzt gesagt: Sie können aus einem Krabbenpuler nur schwer einen Computerexperten machen“, so Schäfer, 

Über die Autorin

Ricarda Eichler
Ricarda Eichler Expertin für: Nachhaltigkeit

Ricarda ist im Juli 2021 als Redakteurin zum OHN-Team gestoßen. Zuvor war sie im Bereich Marketing und Promotion für den Einzelhandel tätig. Das Schreiben hat sie schon immer fasziniert und so fand sie über Film- und Serienrezensionen schließlich den Einstieg in die Redaktionswelt.

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Kommentare  

#3 Tanela 2024-05-06 09:08
"Deutlich besser schnitt bspw. Griechenland ... ab", finde ich eine sehr seltsame Formulierung, bei der ich das Gefühl von Manipulation nicht unterdrücken kann.
Ist das das neue Ziel neben all der Angstmache? Nun auch noch zu suggerieren, unsere Arbeitsmoral sei noch immer nicht genug? Ausgerechnet die der Deutschen?

Ist Griechenland tatsächlich das Vergleichsmaß der Dinge?

Wenn die Deutschen mehr Zeit für sich oder ihre Entwicklung gehabt hätten, würden sie nicht derart hinterher hinken. Möglicherweise wäre aber auch die alte Bewertungstende nz, dass es ein Krabbenpuler nicht bringe, der bessere Transformations anreiz. Nämlich endlich damit aufzuhören, nur die akademische Liga für die einzig wahre Könnerschaft zu betrachten und die vielen ebenso fähigen Mitarbeiter aus den eigenen Reihen wahrzunehmen und ihnen Chancen zu bieten!!
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#2 jk 2024-05-03 10:22
Jeder der glaubt das man Wohlstand mit weniger Arbeitseinsatz schaffen kann, glaubt auch ans "perpetuum mobile". Der aktuell, um sich greifendem, links- sozialistisch geprägte Unfug, klingt zwar verlockend, wird sein wahres Gesicht aber spätestens dann zeigen wenn man den Fleißigen nichts mehr nehmen kann um die Faulen zu subventionieren.

Die ganze Diskussion ist einmal mehr ein politisch geschaffener Irrweg. Leider gibt es genügend Dumme, die glauben das so ein Blödsinn funktioniert.
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#1 Arno Nym 2024-05-03 10:06
Der Lindner wieder... Am besten gratis arbeiten oder 100% Steuern abgeben, außer man ist Konzerninhaber natürlich.
Was sich diese Experten denken ist halt Realitätsfremd.

Wie aus dem Text auch schön klar wird: KiTaPlätze müssen her, damit kommen auch tausende wieder richtige Arbeit und Arbeitslose können zumindest mal in die Teilzeit nachrutschen. Außerdem bedarf es einer Reform des Bildungssystems damit wir auch wieder Fachkräfte made in Germany haben. Zuwanderung ist ja auch schön und gut, löst unsere Probleme aber auch nur teilweise.

Der Ruf nach 4 Tage Woche stammt zudem nicht nur von der "faulen" Jugend, sondern auch jeder Alleinstehende der neben der Arbeit schlicht keine Zeit findet auch mal Dinge zu erledigen, weil Alles geschlossen ist wenn es dann in den Feierabend geht. Und jedes Mal einen Urlaubstag verschwenden nur um mal größere Anschaffungen zu machen ist auch nicht das Wahre. Das trägt dann auch dazu bei dass Onlineshopping gestärkt und der lokale Einzelhandel geschwächt wird. Viele arbeiten ja auch hierzulande bereits 6 Tage die Woche, sei es im gleichen Betrieb oder Teilzeit noch woanders. Die Lebensqualität spiegelt den Aufwand einfach nicht wieder.
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