Wachstumsraten, Cash-Kultur und Logistik-Probleme

E-Commerce in Afrika – Ein Kontinent erwacht

Veröffentlicht: 12.12.2018 | Geschrieben von: Christoph Pech | Letzte Aktualisierung: 12.12.2018
Afrika auf Globus

Der Online-Handel ist in Deutschland und Europa ein Milliardengeschäft, von den USA ganz zu schweigen. E-Commerce hat bei uns schon eine Geschichte, hat sich von kleinen Anfängen Ende der 90er-Jahre zu einer Wirtschafts- und Lifestyle-Größe entwickelt. Das hat aber eben auch eine Weile gedauert, und selbst heute ist der Anteil des Online-Handels mit etwa drei Prozent am Bruttoinlandsprodukt noch vergleichsweise gering, die Wachstumsraten mit zuletzt etwa neun Prozent moderat (Quelle: Ecommerce Europe).

In Südafrika allein liegen die Wachstumsraten bei über 13 Prozent, bis 2022 wird ein Marktvolumen von über 5 Milliarden US-Dollar erwartet. Der Vergleich hinkt natürlich, denn im Bereich E-Commerce zählt Südafrika – wie im Prinzip alle Länder in Afrika – als Entwicklungsland und die reinen Zahlen unterscheiden sich natürlich je nach Quelle. Klar ist aber die Tendenz: Der Online-Handel in Afrika holt gerade im Rekordtempo die Entwicklung nach, für die die großen Wirtschaftsnationen Jahrzehnte gebraucht haben. Dabei wird schnell klar: So wahnsinnig anders als in Berlin funktioniert Online-Handel in Kapstadt nicht. Unterschiede – vor allem im Payment und in der Logistik – gibt es natürlich trotzdem. Mit Jumia hat Afrika sogar ein eigenes Amazon – und das ist mittlerweile so einflussreich, dass Amazon selbst oder Alibaba (bis jetzt) gar nicht erst versuchen, in Afrika Fuß zu fassen.

Infrastruktur in den Kinderschuhen

Infrastruktur ist eines der Schlüsselwörter, wenn es um Probleme des afrikanischen Online-Handels geht. „Die Transportinfrastruktur ist in der Tat in vielen afrikanischen Ländern unzureichend, weil ein flächendeckendes Straßen- und Eisenbahnnetz fehlt. Entsprechend hoch sind die Kosten für den Aufbau einer funktionierenden Versandlogistik. Auch weil spezielle Versandlösungen entwickelt werden müssen, um vor allem die ländlichen Gebiete oder die die größeren Städte umgebenden Slums zu beliefern, wo postalische Strukturen mit Straßennamen und Postleitzahlen fehlen oder mangelhaft ausgebaut sind“, erklärt uns Aleksandra Kroll von der IHK Mittlerer Niederrhein, die auch für blog:subsahara-afrika zuständig ist. Allerdings lasse sich an dieser Stelle bereits ein großes Gefälle zwischen Großstädten und ländlichen Gebieten erkennen. „In den Städten ist die Infrastruktur für den Vertrieb besser als in ländlichen Gebieten, wo es zum Teil keine Straßen und dementsprechend keine Straßennamen und Postleitzahlen zur Zustellung von Paketen gibt. Auch die Anbindung an Stromnetze und der Ausbau des Breitbandnetzes sind dort nicht so weit fortgeschritten, wie in den Städten“, so Kroll. Das sei allerdings nur der Status quo, denn Entwicklungen seien nicht von der Hand zu weisen. In Kenia zum Beispiel nehme die Zahl der Kurierdienste zu, gleichzeitig erhöhe sich die Anzahl der Paketlieferungen. Kroll nennt weitere Beispiele: „In Südafrika gibt es beispielsweise mit FastVan einen Taxidienst für Pakete, der über eine App gerufen werden kann und Haus-zu-Haus-Lieferungen anbietet, mit einem Tracking Tool zur Echtzeit-Kontrolle des Standortes der Ware. In Nigeria schafft es Marktführer Jumia durch ein gut funktionierendes System von Kooperationen mit Logistikfirmen über die hauseigene Logistikabteilung Jumia Services, auch zuverlässig in entlegenere Landesteile zu liefern. Zudem wird aktuell von Logistikern wie unter anderem DHL auch für Nigeria der Einsatz von Drohnen geprüft, den Jumia in seiner kenianischen Niederlassung bereits testet.“

Ein weiteres Problem sei der enorm fragmentierte stationäre Markt. Das, was man früher vielleicht als Konsum, Eckladen oder Kiosk gekannt habe, sei in Afrika nach wie vor sehr verbreitet. Erst langsam werden diese „informellen Shopping-Strukturen“, wie es Aleksandra Kroll nennt, vor allem in Großstädten wie Nairobi durch große Einkaufszentren, erweitert. Die lokale Zentriertheit des verfügbaren Angebots werde erst langsam aufgebrochen. „Wir lösen in Afrika heute ein viel größeres Problem als es Amazon in den späten 2000er-Jahren in den USA und Europa tat. Der stationäre Markt ist sehr fragmentiert. Preise können sich von Ort zu Ort unterscheiden. Der Online-Handel bietet der gesamten Bevölkerung die gleiche Auswahl und die gleichen Preise. In großen Teilen des Kontinents waren viele Produkte vorher gar nicht verfügbar. Unsere lokalen und internationalen Marktplätze öffnen ein ganzes Universum an Möglichkeiten“, so Sami Louali, VP Strategy and Investor Relations bei Jumia, Afrikas Antwort auf Amazon.

Neben staatlicher Zensur in vielen Ländern, oft unklaren Sicherheitslagen, einem noch weit verbreiteten Analphabetimus und insgesamt sehr niedrigen Einkommen in der afrikanischen Bevölkerung, hat auch die Bezahl-Infrastruktur ihre ganz eigenen Probleme. Die Deutschen werden zwar gern als Bargeld-Liebhaber verschrien, das gilt aber natürlich nicht für den Online-Handel. PayPal, Rechnung oder Kartenzahlung haben da längst die Hoheit übernommen. In Afrika gibt es bis in den Online-Handel hinein noch eine weitverbreitete Cash-Kultur. „Einer der Hauptunterschiede [zu Europa, Anm. d. Red.] ist nach wie vor das Payment, da meist per Cash on Delivery bezahlt wird“, verrät Sami Louali. Aber auch da findet langsam ein Umdenken statt. Der Wechsel zu Online-Payment-Methoden beschleunige sich aktuell in den meisten Ländern, so Louali, ebenso Kartenzahlungen und mobile Payment-Angebote. M-Pesa aus Kenia zum Beispiel trage seit zehn Jahren mit einem zusammen mit Vodafone entwickelten System massiv dazu bei, den bargeldlosen Zahlungsverkehr über Mobiltelefone ohne reguläres Bankkonto abzuwickeln. Denn südlich der Sahara haben der Weltbank zufolge nicht mal 40 Prozent der Menschen ein eigenes Bankkonto. M-Pesa hat mittlerweile 27 Millionen Nutzer. Apropos mobil…


Onlinehändler Magazin Q4 2018 Bild

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um einen Auszug aus der aktuellen Ausgabe unseres Onlinehändler Magazins. Im weiteren Verlauf des Beitrages beleuchten wir den Stellenwert von Mobilgeräten, stellen das „afrikanische Amazon“ vor und erläutern, was man beim Verkauf in afrikanische Länder beachten sollte.

In der Ausgaben Q4 2018 finden sich außerdem Themen wie Produktfälschungen im Internet, Personalisierung im Online-Handel, Fulfillment-Dienstleister oder auch Payment-Service-Provider.

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Über den Autor

Christoph Pech
Christoph Pech Experte für: Digital Tech

Christoph ist seit 2016 Teil des OHN-Teams. In einem früheren Leben hat er Technik getestet und hat sich deswegen nicht zweimal bitten lassen, als es um die Verantwortung der Digital-Tech-Sparte ging. Digitale Politik, Augmented Reality und smarte KIs sind seine Themen, ganz besonders, wenn Amazon, Ebay, Otto und Co. diese auch noch zu E-Commerce-Themen machen. Darüber hinaus kümmert sich Christoph um den Youtube-Kanal.

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