Sebastian Fryder, Logistikverantwortlicher bei Ebay, im Interview

Versand, Fulfillment und Retouren – das rät Ebay Händlern

Veröffentlicht: 26.10.2022 | Geschrieben von: Hanna Behn | Letzte Aktualisierung: 26.10.2022
Sebastian Fryder, Head of Shipping & Delivery Experience bei eBay Deutschland

Wie E-Commerce-Unternehmen die eigene Logistik gestalten, ist von enormer Bedeutung: Denn auf dieser letzten Meile geht es darum, dass die Bestellung nicht nur ankommt, sondern vor allem rechtzeitig. Doch in der hektischeren Weihnachtszeit kann es passieren, dass Lieferversprechen nicht eingehalten werden können und/oder das Versandaufkommen die eigene Belegschaft ans Limit bringt. Geht etwas schief, geht das zulasten des Kundenvertrauens und der Conversions. Und darüber hinaus treibt die Branche derzeit die Frage um, ob Retouren weiterhin kostenlos sein sollten, oder nicht. Derlei Herausforderungen gilt es insbesondere auf Marktplätzen wie Ebay zu meisten, da Shops auf der Plattform mit ihren Angeboten konkurrieren.

Sebastian Fryder, Head of Shipping & Delivery Experience bei Ebay Deutschland, lieferte uns am Rande der Ebay Open im September Antworten und Hinweise auf wesentliche Logistikfragen: Für wen ist es sinnvoll, auf Fulfillment-Dienstleister zurückzugreifen? Wie stellt man sich wettbewerbsfähig beim Thema Rücksendungen auf? Und kann ich auf Ebay schon mit nachhaltigen Versandoptionen werben? Und der Logistikexperte erklärt, welche Einstellungen in der Peak-Saison auf dem Marktplatz unbedingt vorgenommen werden sollten.

Ebay: Kundenbindung steigt bei kostenlosen Retouren

OnlinehändlerNews: Das Thema Retouren ist in aller Munde. Die Forschungsgruppe Retourenmanagement von der Universität Bamberg hat beispielsweise kürzlich eine Studie veröffentlicht, die besagt, dass hierzulande sogar jedes vierte Paket zurückgesendet wird. Das erzeugt natürlich Kosten für Händler. Wie steht denn Ebay zur aktuellen Gretchenfrage bei Retouren: Sollten sie kostenlos sein oder nicht? 

Sebastian Fryder: Die Frage ist: Was erwartet der Käufer oder die Käuferin? Dass die Retourenquote in Deutschland höher als in anderen Ländern ist, merken wir auch bei Ebay, etwa im Austausch mit unseren Kolleg*innen aus den USA oder Großbritannien. Der Grund dafür liegt in der Vergangenheit, im Kataloggeschäft: Wer sich noch an den Otto-Katalog erinnert, erinnert sich, dass daraus zunächst viele Sachen bestellt und anschließend zurückgeschickt wurden. Diese Vorgehensweise ist noch sehr tief bei Käufer*innen verankert. Wir sehen bei Ebay aber auch, dass sich dieses Bewusstsein verändert.  

Als Marktplatz machen wir diese Frage anhand der jeweiligen Kategorien fest: Wenn Handys zum Beispiel auf einem anderen Marktplatz mit dem Service der kostenlosen Rücksendungen angeboten werden, dann sollte das auch bei Ebay der Fall sein. Im direkten Vergleich fällt die Conversionrate höher aus. Im Fashion-Bereich gibt es schon einzelne Händler*innen, die Retourengebühren erheben – etwa Zara. Um aus unserer Sicht wettbewerbsfähig zu bleiben, sollten Händler*innen – solange ihr Geschäftsmodell das für sie hergibt – derzeit aber eher mit freien Retouren arbeiten. 

Studien haben uns gezeigt, dass es auch Abhängigkeiten vom Produktpreis gibt: Kund*innen verlangen kostenlose Retouren ab einem Einkaufswert von 50 Euro. Prinzipiell ist die Frage, ob ein Produkt umsonst zurückgegeben werden kann, neben dem Preis und dem Lieferversprechen eines der Kernthemen während der Entscheidung, ob ein Kauf abgeschlossen wird. 

Ein weiterer wichtiger Aspekt, den Händler*innen berücksichtigen sollten, sind Kundenbindung und Kundenloyalität. Denn diese steigt, wenn Rücksendungen kostenfrei sind: In dem Moment ist es vielleicht für das Einzelprodukt etwas teurer, wenn man eine kostenlose Retoure anbietet, aber Kund*innen kommen wieder und kaufen ein weiteres Produkt. Da sollte man den ganzen Lebenszyklus betrachten und mit einberechnen. 

Bietet Ebay Händlern Möglichkeiten, um Rücksendungen bzw. Einbuße durch kostenfreie Retouren zu reduzieren?

Was wir zum Beispiel gemeinsam mit unserem Fulfillment-Programm anbieten, ist die Option, dass die Rückgabe an einen Verwerter geht. Der*die Händler*in bekommt dann einen zuvor festgelegten Preis vom Partnerunternehmen je nach retourniertem Artikel und bewilligt zudem, dass dieses Partnerunternehmen den zurückgegebenen Artikel direkt weiterveräußern darf. Das bereitet die Retoure auf und verkauft es dann zwar nicht mehr als neu, aber als neuwertig weiter. So kann man auch einen Nachhaltigkeitsaspekt bedienen.

Welcher Fulfillment-Partner bietet das an?

Wir kooperieren beim Fulfillment-Programm mit Orange Connex. Und diese arbeiten wiederum mit weiteren Partnerfirmen und Subunternehmen zusammen. 

Fulfillment: „Unternehmen sollten nicht nur Preise vergleichen“

Ab wann rechnen sich für Händler denn eigentlich Fulfillment-Dienste bzw. eine Unterstützung für die Logistikabwicklung via Ebay bzw. eure Partner?

Das kommt auf die jeweiligen Händler*innen an. Zwei Fragestellungen sind in diesem Fall für sie relevant. 

Erstens: Wie schnell kann ich es aus eigener Kraft bewerkstelligen, am gleichen oder spätestens am nächsten Tag die Pakete zu übergeben? Wir sehen, sobald Händler*innen die Schwelle von 1.500 Verkäufen im Jahr erreichen, stoßen sie langsam an die eigenen Grenzen. Wenn sie 20 bis 25 Pakete am Tag versenden, merken die Unternehmen, dass diese Aufgabe auf einmal den Großteil des Tagesgeschäfts in Anspruch nimmt. Gegebenenfalls müssen Händler*innen die Bearbeitungszeit dann auf zwei Tage oder mehr ausdehnen. Darunter leidet dann die Conversion Rate. Deswegen rate ich den Unternehmen, zu prüfen, wozu sie wie schnell aus eigener Kraft in der Lage sind. Denn Schnelligkeit zahlt sich durch eine höhere Sichtbarkeit und mehr Conversion aus: Die Zeit zwischen Bestelleingang und die Übergabe an den Versanddienstleister sollte nicht länger als ein Tag sein. Jeder Tag, der die Bestellung schneller abgewickelt werden kann, macht sich bei den Verkaufszahlen und Conversion in der Regel positiv bemerkbar.

Zweitens: Welche Kosten entstehen? Fulfillment ist auf den ersten Blick teurer. Gehe ich selbst zu DHL, bezahle ich 3 Euro für ein Paket, über ein Fulfillment-Angebot sind es hingegen 4,50 Euro. Doch wie sieht die Gesamtkostenrechnung aus? Wurde die eigene Arbeitszeit für das Kommissionieren und Verpacken der Waren mit einberechnet? Wurden die Kosten für Miete, Strom, Klimaanlage etc. bedacht? Wenn sie alles summieren, erkennen Händler*innen, dass Fulfillment womöglich gar nicht teurer ist.

Händler*innen sollten also nicht nur die Preise vergleichen, sondern alle Kosten bzw. Conversion Vorteile im Blick haben. Das übersehen noch viele Unternehmen. 

Nachhaltige Versandoptionen – was geht und was noch nicht?

Wir hatten bereits das Thema Nachhaltigkeit angeschnitten. Das wird auch in Bezug auf den Versand immer wichtiger: Welche Entwicklungen nehmt ihr auf dem Marktplatz wahr? 

Dazu hatten wir kürzlich eine Umfrage unter unseren KMU-Händler*innen durchgeführt. Daraus ging hervor, dass über 60 Prozent auf umweltfreundliche Versandverpackungen setzen wollen. Über 50 Prozent möchten in Zukunft auch einen umweltfreundlichen Versand anbieten. Das zeigt: Der Nachhaltigkeitsgedanke ist auch bei unseren kleinen Händler*innen, die einen Großteil unserer Händlerschaft ausmachen, angekommen. 

Und welche Möglichkeiten haben Ebay-Händler bereits, um nachhaltige Lieferungen anzubieten?

Wir selbst bieten keinen Versand an, sondern arbeiten mit Partnern zusammen. Auf der einen Seite können Händler*innen prüfen, welche Carrier Versandlösungen haben, die CO₂-kompensiert sind – etwa DHL Go Green, mit denen wir auch zusammenarbeiten. Derzeit überlegen wir noch, wie wir die Information, dass Shops nachhaltige Versandoptionen nutzen bzw. der Versand CO₂-neutral erfolgt, noch stärker auf unsere Plattform integrieren können. Derzeit müssen Händler*innen noch selbst prüfen, welcher Versanddienstleister diesen Service bietet und können das dann separat ausweisen.

Außerdem bieten wir zusammen mit unserem Partner Smurfit Kappa spezielle Ebay-Boxen an, die Unternehmen über uns zu günstigen Konditionen beziehen können. Es handelt sich um umweltfreundliche Verpackungen, die komplett recycelbar sind und höchsten Nachhaltigkeitsstandards entsprechen. Auch dieses Thema wollen wir in Zukunft noch prominenter darstellen. 

Gibt es denn schon eine Möglichkeit, mit der Händler beispielsweise im Shop oder im Angebot kennzeichnen können, dass sie mit nachhaltigen Versanddienstleistern und Verpackungsherstellern zusammenarbeiten?

Noch ist es nicht möglich, solche Hinweise im Shop auszuweisen, aber wir arbeiten daran. Der Wunsch der Händler*innen, dies direkt anzeigen zu lassen, ist aber bei uns angekommen und wir prüfen jetzt die Umsetzung. Was derzeit schon möglich ist: Käufer*innen können schon jetzt einen CO₂-Ausgleich für ihre Bestellung auf der Artikelseite zusätzlich erwerben. 

 

Peak-Saison: Diese Ebay-Einstellungen sollten Shops checken

Mit Blick auf das Weihnachtsgeschäft: Was sollten Händler in Bezug auf Lieferversprechen und Versand unbedingt beachten?

Auf jeden Fall sollten Händler*innen noch einmal die Einstellungen auf Ebay checken: Welche Arbeitstage wurden eingestellt und gelten sie auch für die Peak-Saison? Die Standardeinstellung ist Montag bis Freitag. Viele Unternehmen arbeiten in der Peak-Saison aber auch am Wochenende und sollten dies in den Einstellungen hinterlegen. 

Parallel dazu sollte mit den eigenen Logistik-Dienstleistern gesprochen werden. Händler*innen sollten sie dazu auffordern, unmittelbar zu informieren, sollte es in der Peak-Saison zu Problemen im Netzwerk kommen. Das machen wir auch seitens Ebay: Wir sprechen in der Peak-Saison jeden Tag mit unseren Carriern, um zu erfahren, ob und an welcher Stelle es Probleme gibt. Ist beispielsweise der Krankheitsstand besonders hoch und müssen wir deshalb mit Verzögerungen rechnen, verlängern wir proaktiv das Lieferversprechen, damit Käufer*innen keine falschen Versprechen erhalten. Aber auch Händler*innen sollten Informationen aktiv einholen und sich informieren, ob es etwa bei der Abholung zu Verzögerungen kommt. 

Wie sollte ich reagieren, wenn ich als Händlerin merke, dass mein Versanddienstleister gerade Probleme hat und/oder ich das Lieferversprechen nicht einhalten kann?

Wenn Händler*innen selbst merken, dass sie etwa auch mit den Bestellungen und Verpackungen nicht hinterherkommen oder der Versand länger dauert, dann sollten sie auf jeden Fall so schnell wie möglich die Bearbeitungszeit verlängern, damit sie selbst geschützt sind. Als Notoption kann auch ein Urlaubstag eingestellt werden, an dem Bestellungen abgearbeitet werden können. 

Was ich Unternehmen dahingehend auch noch raten kann: Sie sollten häufig verkaufte Produkte mit einem sehr hohen Versandaufkommen in unser Fulfillment-Lager einlagern. So lässt sich die eigene Last etwas reduzieren. Das lohnt sich zum Beispiel, wenn die eigenen Angestellten in der Logistik bereits in der regulären Saison am Kapazitätslimit sind und noch eine Auslastung von weiteren 30 Prozent erwartet wird. 

Gibt es für die Auslagerung an den Fulfillment-Dienst denn eine Mindestmenge?

Nein. Nur für das Produkt, das im Lager ist, zahlt man auch. Das Unternehmen ist dabei außerdem komplett geschützt, was Versandmängel angeht. Das heißt, wenn etwas kaputt oder verloren geht, übernehmen wir das und auch sein Verkäuferstatus wird davon nicht beeinflusst. 

Vielen Dank für das Gespräch!


Unser Interviewpartner:

Sebastian Fryder / Ebay

Sebastian Fryder ist seit Mai 2022 Head of Shipping & Delivery Experience bei Ebay Deutschland. In seiner Rolle verantwortet er sowohl klassische Versandthemen und Partnerschaften mit unterschiedlichen Dienstleistern als auch die Ebay-Logistik-Programme für Händler*innen. Vor seiner jetzigen Rolle war Sebastian Fryder seit 2020 in unterschiedlichen Postionen innerhalb des Shipping Teams bei Ebay Deutschland tätig. Vor seinem Wechsel zu Ebay war er 13 Jahre bei der Unternehmensberatung Accenture als Berater für Supply Chain und Operations tätig. Sebastian Fryder hat Wirtschaftsingenieurwesen an der Technischen Universität Berlin studiert.

Über die Autorin

Hanna Behn
Hanna Behn Expertin für: Usability

Hanna fand Anfang 2019 ins Team der OnlinehändlerNews. Sie war mehrere Jahre journalistisch im Bereich Versicherungen unterwegs, dann entdeckte sie als Redakteurin für Ratgeber- und Produkttexte die E-Commerce-Branche für sich. Als Design-Liebhaberin und Germanistin hat sie nutzerfreundlich gestaltete Online-Shops mit gutem Content besonders gern.

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