Themenreihe Logistik

Meldesystem für Verstöße in der Lieferkette? Für KMU keine Pflicht, aber sinnvoll

Veröffentlicht: 15.03.2024 | Geschrieben von: Tina Plewinski | Letzte Aktualisierung: 15.03.2024
Meldung über einen digitalen Kanal: zum Beispiel für Verstöße gegen Menschenrechte

Dieser Artikel ist Teil unserer Logistik-Themenreihe. In verschiedenen Beiträgen stellen wir zentrale Schwerpunkte wie Hürden innerhalb der Lieferketten, moderne Arbeitszeitmodelle in der Branche, Potenziale künstlicher Intelligenz, rechtliche Absicherung beim Versand oder die Optimierungen von Verpackungen in den Fokus.

>>> Hier geht’s zur Themenreihe!

Wo harte Arbeit verrichtet wird, ist Unterdrückung und Ausbeutung von Natur und Mensch in der Praxis manchmal nicht weit – das gilt insbesondere auch für jene Lieferketten, die die Grundlage des hiesigen Handels bilden. Das viel diskutierte Lieferkettengesetz – oder eigentlich etwas sperriger: Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) – setzt hier an und soll mit Blick auf die europäische Staatengemeinschaft dafür sorgen, dass Menschenrechte und Umweltbelange künftig besser geschützt werden.

Das Lieferkettengesetz – Schutz für Menschen und Umwelt

Der Kampf gegen Kinderarbeit, Sklaverei, Folter und Zwangsarbeit steht im Rahmen des Lieferkettengesetzes ebenso im Fokus wie Aspekte rund um Arbeitsschutz, die Zahlung angemessener Löhne oder Verbote, die beispielsweise Böden und Gewässer vor Verschmutzung bewahren sollen.

Neben den entsprechenden Regelungen zum Schutz der Umwelt sowie zur Einhaltung von Menschen- und Kinderrechten entlang globaler Lieferketten werden Firmen unter anderem auch verpflichtet, Beschwerdeverfahren einzurichten, die bei Verstößen in Anspruch genommen werden können. Zwar sind grundsätzlich nur große Unternehmen von dieser Pflicht betroffen, allerdings kann es sich auch für kleinere Firmen lohnen, solche Systeme zu integrieren. Warum das so ist, soll im Folgenden beleuchtet werden.

Das Meldesystem: Wen trifft es? Was kann es?

Zunächst das Grundlegende: Die Pflichten rund um das deutsche Lieferkettengesetz wurden 2024 ausgeweitet und umfassen seither Firmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden. Das betrifft sowohl besagte Vorgaben zum Schutz von Mensch und Umwelt als auch die Pflicht von Meldesystemen.

Der Paragraf 8 des LkSG befasst sich konkret mit entsprechenden Beschwerdeverfahren. Dazu heißt es:

„Das Unternehmen hat dafür zu sorgen, dass ein angemessenes unternehmensinternes Beschwerdeverfahren nach den Absätzen 2 bis 4 eingerichtet ist. Das Beschwerdeverfahren ermöglicht Personen, auf menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken sowie auf Verletzungen menschenrechtsbezogener oder umweltbezogener Pflichten hinzuweisen, die durch das wirtschaftliche Handeln eines Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich oder eines unmittelbaren Zulieferers entstanden sind.“

Danach ist das Unternehmen verpflichtet, den monierten Sachverhalt mit dem jeweiligen Hinweisgeber zu erörtern. Statt einer internen Beschwerdemöglichkeit ist nicht nur die Beteiligung an einem gleichwertigen externen Beschwerdeverfahren, sondern auch der kombinierte Einsatz interner und externer Meldeverfahren möglich.

Warum sollten sich kleine Unternehmen die Mühe machen?

Obwohl viele kleine und mittelständische Unternehmen den gesetzlichen Regelungen direkt eigentlich gar nicht unterworfen sind, bringt der Einsatz entsprechender Meldesysteme entscheidende Vorteile mit sich, auf die auch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle hinweist.

  • Beschwerdeverfahren können als Frühwarnsysteme dienen: Auf diesem Weg ist es möglich, potenzielle Probleme aufzudecken, noch ehe Schäden an Menschen oder Umwelt zustande gekommen sind.
  • Sind bereits Schäden aufgetreten, können durch Meldeverfahren weitere Menschen- und/oder Umweltrechtsverletzungen verhindert werden.
  • Durch die Behebung von Schwachstellen oder Rechtsverletzungen innerhalb der Lieferketten können Unternehmen nicht nur potenzielle Kosten sparen, sondern auch Image- bzw. Reputationsschäden vermeiden.

Allerdings können mithilfe solcher Systeme nicht nur Schäden an der eigenen Reputation vermieden werden, sondern ihr Einsatz kann womöglich auch das Image von Unternehmen grundsätzlich aufwerten – insbesondere, wenn sie gesetzlich gar nicht dazu verpflichtet sind. In solchen Fällen zeigen sie Initiative und Interesse daran, die Rechte von Menschen und Umwelt aus eigenem Antrieb zu schützen.

Nicht nur Anteilseigner bzw. Investoren großer Unternehmen haben beispielsweise steigende Erwartungen an die Sorgfaltspflicht von Unternehmen. Studien belegen, dass auch für viele Kundinnen und Kunden Aspekte wie soziale Nachhaltigkeit beim Einkauf von Produkten eine Rolle spielen, wodurch die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutzmechanismen eben auch zu einem wirtschaftlichen Faktor für kleinere Hersteller und Händler werden.

Nach Angaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) berichten Unternehmen sogar davon, dass solche Erwartungen auch weiterhin zunehmen und demzufolge auch wachsende Relevanz haben.

Helfen Meldesysteme wirklich?

Wie groß der Nutzen entsprechender interner und externer Meldesysteme in jedem Unternehmen ist, dürfte sicher von Fall zu Fall verschieden sein. Allerdings gibt es Fälle aus der Praxis, die eindrücklich belegen, dass sie tatsächlich maßgeblich an der Ausräumung von Missständen beteiligt sein können.

Beispiele liefert eine Studie, die das BMZ sowie die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH in Auftrag gegeben hatte und in deren Rahmen neben Hintergrundrecherchen auch Interviews mit Vorreiterunternehmen durchgeführt wurden, darunter etwa Adidas, die Deutsche Telekom, Merck oder Siemens. So hat der deutsche Automobilzulieferer Continental AG nach eigenen Aussagen über eine interne Beschwerdehotline von Belästigungsfällen in Mexiko erfahren. Auf Basis dieser Information wurden Maßnahmen eingeleitet, um die Probleme vor Ort zu bewältigen.

Meldesysteme müssen gut verfügbar sein

Damit Meldesysteme ihre Potenziale auch tatsächlich ausspielen können, sollten sie für alle relevanten Zielgruppen greifbar sein. Dabei sollten Firmen im Blick behalten, wie heterogen diese Gruppen sein können: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Lieferanten, geschäftliche Partner und alle sonstigen Personen sollten hier berücksichtigt werden. 

Damit sie alle die Möglichkeit haben, etwaige Anliegen vorzubringen, sind nicht nur vertrauenswürdige Kanäle notwendig, sie müssen auch verfügbar sein: Das BMZ schreibt dazu: „Wenn ein Mechanismus selten genutzt wird, bedeutet das meistens, dass er für die Zielgruppe nicht gut zugänglich ist. Gründe könnten sein: Der Mechanismus ist nicht bekannt, die technischen Hürden sind zu hoch oder der Kanal ist für den Kulturkreis ungeeignet.“

Meldesysteme integrieren – aber wie?

Die Schaffung gänzlich neuer Systeme wäre in vielen Fällen gar nicht notwendig, denn es gibt ja bereits an anderer Stelle Pflichten für Beschwerdesysteme: So sind Unternehmen nicht nur im Rahmen des Lieferkettengesetzes, sondern auch mit Blick auf das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) verpflichtet, Meldekanäle einzuführen. Während beim Lieferkettengesetz allerdings nur die größeren Firmen direkt betroffen sind, bezieht sich letzteres seit Ende 2023 auch auf deutlich kleinere Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden (Abweichendes gilt für Finanzdienstleistungsunternehmen).

„Um beiden Pflichten nachkommen zu können, bietet sich für Unternehmen die Einrichtung eines einheitlichen Meldesystems an“, schreibt die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Rödl & Partner auf ihrer Website. „Auch wenn beide Gesetze unterschiedliche Geltungsbereiche umfassen, verfolgen sie das gleiche Ziel, nämlich auf Missstände aufmerksam zu machen. Meldungen von Hinweisgebenden über Missstände können auch bei der Aufdeckung von umwelt- oder menschenrechtsbezogenem Fehlverhalten hilfreich sein und auch Prozesse und Maßnahmen innerhalb des Unternehmens nachhaltig verbessern.“

Wenn Meldesysteme für breitere Themengebiete zum Einsatz kommen können, reduziert sich für die Unternehmen dann nicht nur der technische, sondern auch der organi­sa­to­ri­sche Aufwand. Obwohl es mit Blick auf das LkSG und das HinSchG unterschiedliche Verpflichtungen, etwa bei Eingangsbestätigungen oder Rückmeldungen, gibt, kann ein gemeinsamer Kanal bei den Hinweisgebern Sicherheit und Vertrauen schaffen, was wiederum dem Unternehmen zugutekommt.

Sie wollen immer über die neuesten Entwicklungen im Online-Handel informiert sein? Mit unseren Newslettern erhalten Sie die wichtigsten Top-News und spannende Hintergründe direkt in Ihr E-Mail-Postfach – Jetzt abonnieren!

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Über die Autorin

Tina Plewinski
Tina Plewinski Expertin für: Amazon

Bereits Anfang 2013 verschlug es Tina eher zufällig in die Redaktion von OnlinehändlerNews und damit auch in die Welt des Online-Handels. Ein besonderes Faible hat sie nicht nur für Kaffee und Literatur, sondern auch für Amazon – egal ob neue Services, spannende Technologien oder kuriose Patente: Alles, was mit dem US-Riesen zu tun hat, lässt ihr Herz höherschlagen. Nicht umsonst zeigt sie sich als Redakteurin vom Dienst für den Amazon Watchblog verantwortlich.

Sie haben Fragen oder Anregungen?

Kontaktieren Sie Tina Plewinski

Schreiben Sie einen Kommentar

Newsletter
Abonnieren
Bleibe stets informiert mit unserem Newsletter.