Achtung, Wetterwarnung! Neben rosarotem eitel Sonnenschein sollten Sie sich heute auf jede Menge Schauer vorbereiten: Rüsten Sie sich mit sturmfesten Schirmen und einem dicken Fell, denn es wird hohle Phrasen regnen. Wie das, fragen Sie sich? Ein Blick auf den Kalender verrät es: Heute ist Frauentag.
Eigentlich ein Tag, wie jeder andere auch. Kein gesetzlicher Feiertag, außer in Berlin. Alles wie immer. Und dennoch birgt er für Unternehmen durchaus die Gefahr, sich einen gehörigen Shitstorm einzufangen. Wenn man sich so einige Werbeaktionen mal anschaut, beschleicht mich das Gefühl, dass es einige Werbetreibende geradezu darauf anlegen, ins Fettnäpfchen zu treten. Und zwar mit Anlauf. Arschbombe! – Aber zunächst erstmal zu einigen wichtigen Fakten aus der Welt der Ungleichheit.
Dass sich viele Frauen im Laufe ihres Lebens diskriminiert oder gegenüber Männern grundsätzlich benachteiligt fühlen, ist – wie die Formulierung eben ausdrückt – ein Gefühl. Individuell. Das Problem einzelner Frauen, einzelner Individuen, könnte man polemisch anmerken. Doch dieses Gefühl lässt sich dank zahlreicher Studien auch statistisch belegen. Und gerade hier zeigt sich: Die vermeintliche Diskriminierung einzelner ist gar keine. Ganz im Gegenteil. Sie ist ein strukturelles Problem, das die Hälfte der Weltbevölkerung betrifft. Ein paar Zahlen, die die Tragweite verdeutlichen dürften:
Nur, um einige Entwicklungen und Beispiele zu nennen …
Man möge sich entsprechende Zahlen und Analysen immer wieder vor Augen halten. Frauen stehen jeden Tag auf und werden ungleich behandelt. Die einen sind weniger stark betroffen, die anderen mehr. Gleichberechtigung ist KEINE REALITÄT. Umso wichtiger ist es, für mehr Gleichheit zu kämpfen. Auch im Handel.
Es mag Unternehmen geben, die sich nichts Böses dabei denken, am Frauentag für Blumen oder Haushaltsgegenstände zu werben. Ich hatte heute Morgen eine ganze Flut an Frauentags-Glückwünschen im Postfach, darunter Werbung für Kosmetik, Handtaschen, Mode, Accessoires und Beauty-Produkte. Die Kirsche bildete ein Newsletter, in dem mir regionale Schönheitsbehandlungen angeboten wurden. Natürlich waren auch Massageangebote dabei. Sehr gut. Die können mein Nacken und ich sehr gut gebrauchen. Doch daneben wurden mir auch hautstraffende Schönheitsprozeduren feilgeboten: „Alles Gute zum Frauentag! Leider bist du nicht hübsch und deine Haut nicht glatt genug. Hier ein Kurs, mit dem du das ändern kannst!“
öh… Nein! NEIN!
Verstehen Sie mich nicht falsch: Es gibt Frauen, die lieben Kosmetik, Mode und Hautstraffungen. Und es sei ihnen gegönnt. Es gibt aber auch Frauen, die lieben es, sich handwerklich zu betätigen, Autos zu reparieren oder sich im Extremsport Klippen runterzustürzen. Mit Klischees kommt man nicht weiter und verscherzt es sich als Unternehmen – nicht zu Unrecht – mit den Kundinnen und Kunden.
An dieser Stelle möchte ich gern Lea-Sophie Cramer, Gründerin des Erotikshops Amorelie, zitieren: „Wir sind harmonisch und konfliktfreudig, ängstlich und mutig, gesellig und allein, sicher und zweifelnd, wollen Innigkeit und Distanz, sind klug und flach und stark und schwach alles gleichzeitig und alle unterschiedlich. Wir dürfen alles und müssen nichts, können mit Frauen, Männern, ohne oder mit Kindern, single oder vergeben, alles, alles darf sein.“
Firmen sollten sich das zu Herzen nehmen, bevor sie Schubladen-Werbung kreieren und damit Klischees in den Köpfen festigen. Wie wäre es statt sexistischer Werbung beispielsweise mit Zahlen aus dem eigenen Unternehmen und einer Angleichung der Gehälter? Oder mit einer Spendenaktion für mehr Gleichberechtigung, mehr Frauenrechte, mehr Bildung für Mädchen? Das bringt am Ende mehr als eine halb verunglückte Werbekampagne und stärkt zudem das Image. Trauen Sie sich! Lassen Sie Taten sprechen!
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