Gastbeitrag zur Themenreihe Payment

Neue Horizonte: FinTechs entdecken das Baltikum

Veröffentlicht: 09.06.2023 | Geschrieben von: Gastautor | Letzte Aktualisierung: 25.05.2023
Baltikum

Die FinTech-Branche ist in Europa rasant gewachsen. Städte wie Stockholm, aber auch London und Berlin führen den Markt der FinTechs an. Dass vor allem die skandinavischen Länder viel zu bieten haben, was digitale Innovationen betrifft, ist kein Geheimnis. Ganz aktuell stürzen sich die FinTechs aber auf das Baltikum. Warum ist das so?

Großes Potenzial im Baltikum 

Im Baltikum herrschen ideale Voraussetzungen für Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen wie etwa FinTechs. Die digitale Infrastruktur und die innovative Start-Up-Szene der drei Länder machen es leicht, dort ein Unternehmen zu gründen. Im Baltikum ist die Digitalisierung allgegenwärtig – auch in Bezug auf bürokratische Angelegenheiten. Mit seinen digitalisierten Bürgerservices ist Estland sogar auf dem zweiten Platz der eGovernment Benchmark 2022 – Lettland und Litauen immerhin in den Top 10. Außerdem können sich die Einwohner des Baltikums mit digitalen Identifikationssystemen ausweisen. Das erleichtert die Prozesse für neue digitale Payment-Prozesse, die Start-Ups und FinTechs entwickeln, daher deutlich. 

Und auch die Regierungen verhelfen jungen Start-ups bei ihrer Gründung mit guten Konditionen. Besonders Litauen sticht dabei hervor. Der Staat bietet jungen Unternehmen FinTech- und Banklizenzen unter niedrigeren Kapitalanforderungen, damit sie im Baltikum Fuß fassen können. Die Vergabe für diese Lizenzen dauert insgesamt nur drei Monate – geht im Vergleich zu anderen Ländern also sehr schnell. Litauen gilt laut Lithuania-Fintech-Report auch als der, gemessen an der Zahl zugelassener FinTech-Unternehmen, größte FinTech-Hub der EU. Für FinTechs bietet das Baltikum also beste Bedingungen und riesiges Wachstumspotenzial. Das konnten in der Vergangenheit auch schon etliche Start-Ups merken, die sich im Baltikum niederließen. Eines davon ist das Mobilitätsunternehmen Bolt. Das estnische Unternehmen, das mittlerweile über sieben Milliarden Euro wert ist, bildet das Paradebeispiel für den immensen Unternehmergeist und die hohe Technologieaffinität der baltischen Einwohner. Auch Softwareunternehmen wie Pipedrive, das CRM-Systeme für KMUs anbietet, oder der Marktplatzriese Vinted haben ihre Erfolgsgeschichte in den baltischen Staaten geschrieben. Also: Das Baltikum ist besonders für aufstrebende Start-Ups der ideale Nährboden, um effizient zu wachsen – und bietet gleichzeitig einen guten Testmarkt für digitale und bargeldlose Bezahlmethoden.

Paymentgewohnheiten im Baltikum: wenn möglich bargeldlos 

Bei einer derart ausgereiften digitalen Infrastruktur wie im Baltikum, ist es kein Wunder, dass auch die Bezahlmethoden der Bevölkerung überwiegend digital sind. Die Paymentgewohnheiten im Baltikum unterscheiden sich allerdings – wenn auch nur geringfügig – von Staat zu Staat. Die Bevölkerung Litauens bevorzugt Prepaid-Zahlungsmethoden wie paysafecard. In Estland werden Zahlungen per Kreditkarten wie Mastercard oder Visa präferiert. Auch Paypal und Pay-by-Link-Banküberweisungen gehören schon zu den beliebten Zahlungsmethoden in Estland und – angetrieben von Open Banking – sind Zahlarten wie Account-To-Account-Zahlungen bereits auf dem Vormarsch. Mal zum Vergleich: In Deutschland steigt die Beliebtheit der Kartenzahlung zwar von Jahr zu Jahr. Das Bargeld ist aber nicht wegzudenken. 

Eines wird schnell klar: Die allermeisten Zahlungen verlaufen vollständig bargeldlos. Digitale Zahlungsverfahren laufen dem Bargeld im Baltikum also den Rang ab. Das bedeutet jedoch nicht, dass im Baltikum nur noch digital gezahlt wird. Vereinzelt ist auch dort das Bargeld das Mittel der Wahl. Ganz anders sieht das zum Beispiel in Deutschland aus. Im europäischen Vergleich ist Deutschland das Land mit den meisten Bargeldzahlungen. Diesbezüglich könnten sich die europäischen Länder also einiges von den baltischen Staaten abschauen. 

Das Baltikum als Chance für Unternehmen 

Der technologische Fortschritt im Baltikum begründet sich auch mit der Einstellung der Bürger dort. Sie stehen digitalen Innovationen sehr offen gegenüber. Neue Verfahren können sich dort viel schneller etablieren. Hinzu kommt, dass die Basis, um neue Technologien wie Open Banking-Payments einzuführen, im Baltikum mit den digitalen Identifikationssystemen bereits besteht. Unternehmen können sich die Innovationsbereitschaft der Bevölkerung zunutze machen und mit dem Baltikum einen neuen Markt erschließen, der als Vorreiter in Bezug auf Digital Payment gilt. FinTech-Unternehmen und Payment-Anbieter sollten deswegen ihre Chance weiterhin wahrnehmen und den Sprung ins Baltikum wagen. 

Fazit

Die baltischen Staaten sind ein interessanter Zielmarkt für innovative FinTechs, weil die baltische Bevölkerung digital affin ist und bereits einige lokale Vorreiter gezeigt haben, wie es geht. Unternehmen profitieren dort außerdem von einer fortschrittlichen Infrastruktur. Das Baltikum bildet somit einen attraktiven Standort und bietet Perspektiven für langfristiges Wachstum mit einer hochdigitalisierten Umgebung. Und wer weiß: Vielleicht wird das Baltikum tatsächlich das neue Schweden in der FinTech-Szene.


Lena Hackelöer Porträt

Über die Autorin: Lena Hackelöer ist CEO und Gründerin des schwedischen Fintechs Brite. Brite nutzt die Open-Banking-Technologie, um Instant Payments in 24 Märkten in Europa anzubieten. Davor war sie als CEO von Qliro Financial Services (STO:QLIRO) tätig und verbrachte über sieben Jahre in führenden Positionen bei Klarna

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