„Menschen zweiter Klasse“

Frauenhass kann Volksverhetzung sein

Veröffentlicht: 16.06.2020 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 16.06.2020
Buchstaben, die den Schriftzug "Hate Crime" bilden

Der Tatbestand der Volksverhetzung stellt Verhaltensweisen unter Strafe, die geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören, indem Gruppen beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden. Die Verhaltensweise muss sich dabei gegen eine „nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe“ richten. Ausdrücklich nicht genannt ist dabei das Geschlecht. Dennoch muss sich ein Mann aus Nordrhein-Westfalen gerade wegen Volksverhetzung vor Gericht verantworten. 

Verunglimpfung auf Webseite

Der Angeklagte bezeichnete Frauen auf seiner Internetseite als „Menschen zweiter Klasse“, „minderwertige Menschen“ und „den Tieren näher stehend“. Dafür wurde er zunächst vom Amtsgericht Bonn zu 55 Tagessätzen wegen Volksverhetzung verurteilt. Das Landgericht Bonn sprach den Mann allerdings wieder frei.

Der Tatbestand der Volksverhetzung schütze nur Gruppen, die durch ihre politische und weltanschauliche Überzeugung oder ihre sozialen oder wirtschaftlichen Verhältnisse, ihren Beruf oder ihre soziale Funktion erkennbar seien. Frauen seien aufgrund ihres Geschlechts keine Gruppe im Sinne des Straftatbestandes.

Das Oberlandesgericht erteilte dieser Einschätzung nun eine Abfuhr.

Historische Entwicklung hin zum Anti-Diskriminierungstatbestand

Das Oberlandesgericht Köln traf die Feststellung, dass der Mann den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt haben könnte, auch wenn der Paragraph das Geschlecht nicht explizit aufzählt. Historisch betrachtet habe sich der Tatbestand der Volksverhetzung mittlerweile zu einem allgemeinen Anti-Diskriminierungstatbestand entwickelt. 

Hauptzweck des Paragraphen sei zwar der Schutz von Teilen der Bevölkerung, die unter die genannten Merkmale fielen. Allerdings seien diskriminierende Äußerungen gegen Frauen ebenfalls erfasst.

Außerdem, so führt das Gericht laut der LTO weiter aus, seien Frauen zwar statistisch gesehen die Mehrheit in Deutschland; allerdings diene der Tatbestand eben nicht nur dem Schutz von Minderheiten. Schließlich können auch Mehrheiten diskriminiert werden und die Frage, wer Minderheit ist, sei eher vom Zufall bestimmt und könne daher keine Voraussetzung zur Volksverhetzung sein.

Im Ergebnis gibt das Oberlandesgericht die Akte nun zurück an das Landgericht Bonn, welches den Fall neu verhandeln muss.

Über die Autorin

Sandra May
Sandra May Expertin für: IT- und Strafrecht

Sandra schreibt seit September 2018 als juristische Expertin für OnlinehändlerNews. Bereits im Studium spezialisierte sie sich auf den Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrechts. Nach dem Abschluss ihres Referendariats wagte sie den eher unklassischen Sprung in den Journalismus. Juristische Sachverhalte anschaulich und für Laien verständlich zu erklären, ist genau ihr Ding.

Sie haben Fragen oder Anregungen?

Kontaktieren Sie Sandra May

Schreiben Sie einen Kommentar

Newsletter
Abonnieren
Bleibe stets informiert mit unserem Newsletter.