Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt

Nachahmung eines Produkts: Wer muss da was beweisen?

Veröffentlicht: 19.08.2020 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 19.08.2020
Idee am Schreibtisch gestohlen

Nachahmungen von Produkten können für den Hersteller eine äußerst ärgerliche und folgenreiche Angelegenheit sein, und nicht zu selten kommen sie auch noch vor. Gut fahren Hersteller, die sich eine Marke oder ein Design haben schützen lassen. Auch das Wettbewerbsrecht selbst sieht aber einen ergänzenden Leistungsschutz im Rahmen des Mitbewerberschutzes vor. 

Um diesen ging es nun auch in einem kürzlich gefällten Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt (Urteil v. 18.06.2020, Az. 6 U 66/19). Der Hersteller eines Kaffeebereiters in der Art einer sogenannten French Press hatte sich gegen einen Mitbewerber gewendet, der ein ganz ähnliches Produkt verkauft. In erster Instanz war der Mitbewerber zu Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz verurteilt worden. Dagegen wandte sich der Mitbewerber mit seiner Berufung – die nun schließlich aber erfolglos blieb. Im Urteil setzen sich die Richter des OLG Frankfurt damit auseinander, was im Falle dieser Nachahmung eigentlich von welcher Partei bewiesen werden muss. 

Mitbewerberschutz – Was ist eine Nachahmung?

Wann liegt eine Nachahmung vor? Eine Frage, die sich ganz grob leicht beantworten lässt: Jemand hat wohl etwas nachgemacht, sich also einige Merkmale des Originals abgeschaut und selbst verwendet. Das Original hat also eine (wettbewerbliche) Eigenart. Hätte es keine Eigenart, würde es schwerfallen, diese, in unlauterer Weise, nachzuahmen. „Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen“, schreiben die Richter im Urteil.

Es kommt also auf einzelne Merkmale der Ware sowie auch ihr Zusammenwirken an, aufgrund derer die durchschnittliche daran interessierte Person denkt: Aha, das Produkt stammt doch von XY. Im Prozess muss dann der Richter aus dieser Sicht entscheiden und darf dabei auch auf seine eigene Sachkunde zurückgreifen. 

Vorgehen gegen Nachahmer – Was zu beweisen ist

Will nun der Hersteller des Originals gegen einen vermeintlichen Nachahmer vorgehen, muss er erstmal beweisen, dass sein Produkt eine solche wettbewerbliche Eigenart hat. Logisch, denn: Will man klarstellen, dass jemand einem etwas weggenommen hat, sollte man zeigen, dass man es ursprünglich hatte. Der Kläger muss also konkret zu seinem Produkt und dessen Merkmalen vortragen, zum Beispiel unter Zuhilfenahme von Abbildungen. Oder er legt dem Gericht das Produkt vor.

Im Fall wurde dann auf folgende Gestaltungsmerkmale des Kaffeebereiters abgestellt, die in ihrer Kombination auf die betriebliche Herkunft und die Besonderheiten des Produkts hinweisen: 

  • Der zylinderförmige Kaffeebereiter aus Glas weist eine Trägerkonstruktion aus Metall mit vier vertikalen Haltestreben sowie einen horizontalen Haltering auf.
  • Die vertikalen Haltestreben verjüngen sich pfeilartig am Übergang zum horizontalen Haltering und gehen am unteren Ende in nach außen abgeknickte Füße über.
  • Der Haltering ist mit einem bogenförmigen Griff aus Kunststoff und der Haltering und der Griff sind mit einer gut sichtbaren Schraube verbunden.
  • Der Kaffeebereiter weist einen kuppelartig abgerundeten Deckel mit einem kugelförmigen Knopf auf.

Die Eigenart des Kaffeebereiters beurteilten die Richter als durchschnittlich. Dabei ist das Modell 50 Jahre auf dem Markt und wird jährlich über 20.000 Mal verkauft. Gesteigert ist die Eigenart aber nicht nur ob der hohen Bekanntheit. Da hätte die Klägerin nähere Angaben zum Marktanteil oder Werbeanstrengungen machen müssen.  

Beweis des Beklagten – Hat das Original vielleicht doch keine Eigenart?

Hat der Kläger nun seiner Beweis- und Darlegungslast genüge getan, ist der beklagte Nachahmer dran. Er muss nun Tatsachen vorbringen, die das Entstehen der Eigenart des Originals verhindern, sie schwächen oder wegfallen lassen. Zum Beispiel die Tatsache, dass es auch zuvor schon ein Produkt mit der entsprechenden Eigenart gab, oder dass das Original auch unter fremder Kennzeichnung in nicht nur geringfügigem Umfang vertrieben wird. Stellt er dazu andere Produkte vor, muss er auch deren Marktbedeutung darlegen. 

Um Anhaltspunkte für eine Schwächung der Eigenart zu liefern, hätte die Beklagte beweisen müssen, dass im wettbewerblichen Umfeld in wesentlichem Umfang Gestaltungen vorhanden sind, die Auswirkung auf die Eigenart des Originals haben. Wenn es also Produkte mit ähnlichen Merkmalen gibt, schwächt dies die Eigenart des Originals. Das hat die Beklagte hier nicht getan.

„Die wettbewerbliche Eigenart fehlt oder geht verloren, wenn die prägenden Gestaltungsmerkmale des nachgeahmten Originals, z. B. durch eine Vielzahl von Nachahmungen, Allgemeingut geworden sind, der Verkehr sie also nicht (mehr) einem bestimmten Hersteller oder einem mit diesem durch Lizenz- oder Gesellschaftsvertrag verbundenen Unternehmen oder einer bestimmten Ware zuordnet“, definieren die Richter im Urteil. Hier geht es also nicht nur um das Produkt selbst, sondern auch um das Marktumfeld. Auch dafür trägt der Nachahmer, der sich darauf berufen will, nicht nachgeahmt zu haben, die Darlegungs- und Beweislast.

Andere ähnliche Produkte – Was los ist auf dem Marktumfeld

Das beklagte Unternehmen verwies hier auf ein dem Original ähnliches Produkt von Melitta, trug dabei aber keinerlei Verkaufszahlen vor. Zu letzterem sei es auch gar nicht verpflichtet, weil es davon keine Kenntnis hat, so die Richter. Es würde hier auch die Darstellung von Werbeanstrengungen genügen, was in diesem Fall gegeben sei: Dieser Kaffeebereiter nun stammt von einem großen Anbieter unter einer bekannten Marke. 

Doch es ist nicht die automatische Folge davon, dass die Eigenart des Originals damit dahin ist – damit die prägenden Gestaltungsmerkmale Allgemeingut werden, muss es schon eine Vielzahl von Nachahmern geben, so das Urteil. Eine einzelne andere Nachahmung führt also nicht zum Verlust der Eigenart. In diesem Fall dazu kam noch, dass der klagende Hersteller des Originals gegen den Hersteller des Melitta-Produkts gerichtlich vorgegangen ist und in erster Instanz ein Unterlassungsurteil erwirkt hat. 

Auch ein anderes Argument des beklagten Unternehmens konnte nicht an der Eigenart des Originals rütteln: Dieses war nämlich viele Jahre zuvor auch unter einer anderen Marke angeboten worden. Während der Hersteller dargelegt hat, dass dies mit Exemplaren im niedrigen dreistelligen Bereich keinen nennenswerten Umfang hatte, hätte der Nachahmer beweisen müssen, dass dieses Produkt sehr wohl in nennenswertem Umfang auf dem Markt verfügbar ist. Das tat er allerdings nicht. 

Ergänzender Leistungsschutz – Schutz nicht nur vor Billigplagiaten

Am Ende kommen die Richter zu dem Schluss, dass eine Nachahmung im Sinne des UWG vorliegt. Das Produkt muss dem Original dafür zumindest so ähnlich sein, dass es sich in ihm wiedererkennen lässt. Entscheidend dafür ist der Gesamteindruck, wobei gerade die Gestaltungsmerkmale übernommen werden müssen, die die Eigenart begründen. Das, so die RIchter, ist hier der Fall. Auch, dass das Nachahmerprodukt teurer als das Original ist, ändert nichts. „Schließlich schließt auch der angeblich höhere Kaufpreis des Beklagtenproduktes eine Nachahmung nicht aus. Der ergänzende Leistungsschutz schützt nicht nur vor Billigplagiaten, sondern ganz allgemein vor der unlauteren Übernahme von Leistungsergebnissen“, so die Richter. 

Verbraucher könnten nun denken, es handele sich vielleicht um eine neue Variante des Originals, das dieser ggf. auch unter einer Zweitmarke anbietet. Auch wenn im Online-Shop eine Marke angebracht sei, liege eine sog. vermeidbare Herkunftstäuschung vor. Damit wurde die Berufung zurückgewiesen und es bleibt beim ursprünglichen Urteil, das dem Beklagten insbesondere Unterlassung und Schadensersatz aufgab. Die Revision wurde nicht zugelassen.

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