OLG Schleswig

Irreführung: Braucht es bei „klimaneutral“-Werbung weitere Erläuterungen?

Veröffentlicht: 26.07.2022 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 05.04.2023
Balance zwischen einem grünen Blatt und CO2

Nachhaltigkeit überzeugt dieser Tage viele Konsumenten und findet entsprechend in der Werbung eine zunehmende Bedeutung. Auch in der Rechtsprechung taucht das Thema damit häufiger auf, so wie kürzlich vor dem Oberlandesgericht Schleswig. Ein Hersteller von Müllbeuteln hatte eines seiner Produkte unter anderem mit dem Begriff „klimaneutral“ beworben. Der Kläger sah darin dann eine unzulässige Irreführung: Verbraucher würden davon ausgehen, dass das Produkt klimaneutral hergestellt werde. Tatsächlich sorge für die Klimaneutralität aber eine nachträgliche Kompensation der CO₂-Bilanz. Das beklagte Unternehmen wendet insofern auch ein, dass „klimaneutral“ nicht mit „emissionsfrei“ gleichzusetzen sei. 

Das OLG Schleswig wies die zugrunde liegende Klage jetzt ab: Es brauche keinen expliziten Hinweis auf die Kompensation (Urteil v. 30.06.2022, Az. 6 U 46/21). 

Irreführung von Verbrauchern durch fehlende Erklärung?

Online-Händler und Hersteller sind es schon gewohnt, dass sie bestimmte Werbeaussagen nicht einfach aus der Luft greifen dürfen und eine Erläuterung der Werbeaussage nötig ist – so sollte es bei der Werbung mit der Platzierung in Produkttests beispielsweise immer ermöglicht werden, die Aussage anhand der Fundstelle des Ergebnisses nachvollziehbarer zu machen. Andernfalls kann eine Irreführung von Verbrauchern vorliegen, wenn sich diese keinen Reim auf die Werbeaussage machen können. 

Der Begriff „klimaneutral“ sei laut dem Oberlandesgericht aber nicht dadurch irreführend, dass Verbraucher ohne nähere Erläuterungen nicht beurteilen könnten, wie die Klimaneutralität erreicht wird. 

OLG Schleswig: Werbung rufe keine Fehlvorstellung hervor

Zwar gelte, wie bei Gesundheitswerbung, bei der Werbung mit Umweltschutzbegriffen ein strenger Maßstab, sodass auch an aufklärende Hinweise hohe Anforderungen zu stellen seien, wenn es darum geht, Irreführungen zu vermeiden. „Jede einzelne zur Umweltfreundlichkeit getroffene Aussage muss erkennen lassen, welcher Umweltvorzug herausgestellt werden soll, um die Gefahr einer Irreführung durch die Verwendung des unscharfen Begriffs der Umweltfreundlichkeit auszuschließen“, heißt es im Urteil.

„Klimaneutral“ sei im Gegensatz zu „umweltfreundlich“ aber ein klar umrissener Begriff. Verbraucher würden eine Produktion mit ausgeglichener CO₂-Bilanz erwarten. Die Aussage würde aber offen lassen, wie genau das geschehe. Es sei zweifelhaft, dass ein erheblicher Teil der verständigen Verbraucher dem Irrtum unterliegen könne, dass die Müllbeutel ohne jeden Ausstoß von Kohlendioxid hergestellt werden könnten. Der Werbung könne der Verbraucher „nur das Versprechen einer – wie auch immer – ausgeglichenen Emissionsbilanz entnehmen“, so die Richter. Es werde also nur ein Ergebnis zugesagt, sodass der Begriff „klimaneutral“ keine Fehlvorstellung über die Art und Weise erzeuge, wie dieses Ziel erreicht wird. 

Die Richter sahen damit im konkreten Fall keinen einen Verstoß gegen das Irreführungsverbot. Zumindest grundsätzlich benötige die Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ dem Urteil zufolge keine weiteren Erläuterungen. Dass Werbung rund um das Thema Nachhaltigkeit die Gerichte künftig zunehmend beschäftigen wird, ist aber anzunehmen.

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