Klage des VZBV

LG Berlin: Preisanpassungsklausel bei Spotify unwirksam

Veröffentlicht: 12.09.2022 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 12.09.2022
Kopfhörer liegen auf Tastatur

Der Verbraucherzentrale Bundesverband ist vor dem Landgericht Berlin vorerst erfolgreich gegen eine Klausel zur Preisanpassung des Musik-Streaming-Anbieters Spotify vorgegangen. Diese sah Preiserhöhungen bei gestiegenen Kosten vor, allerdings keine Pflicht zur Preissenkung bei gesunkenen Kosten. Verbraucher würden dadurch unangemessen benachteiligt werden, zumal ein bestehendes Kündigungsrecht diese Benachteiligung nicht ausgleiche (Urteil v. 28. Juni 2022, Az. 52 O 296/21). 

Regelung für steigende Preise in Spotify-Nutzungsbedingungen

Dem Urteil ging eine Änderung der Nutzungsbedingungen des Streaming-Anbieters Mitte 2021 voraus. Eingefügt wurde hier unter anderem eine Klausel zu einer potenziellen Preiserhöhung. Danach kann Spotify „nach billigem Ermessen die Abonnementgebühren und sonstige Preise ändern, um die gestiegenen Gesamtkosten für die Bereitstellung der Spotify-Dienste auszugleichen“. Für die Berechnung der Gesamtkosten nennt die Klausel verschiedene Posten, etwa die Kosten der Inhalte, Verwaltungskosten, Kosten für Pflege und Betrieb der IT-Infrastruktur, allgemeine Gemeinkosten wie Marketing, Personal und Miete, sowie Steuern und weitere. „Spotify kann etwa eine Preiserhöhung erwägen, wenn z.B. Kosten für Inhalte, die Kosten für die IT-Infrastruktur von Spotify und die allgemeinen Gemeinkosten steigen, was zu einer Erhöhung der Gesamtkosten für die Bereitstellung der Spotify-Dienste führt“, heißt es unter anderem weiter.

Etwaige Änderungen am Preis sollen einen gewissen Zeitraum nach einer Benachrichtigung in Kraft treten, das ordentliche Kündigungsrecht bleibe unberührt. Eine Anpassung der Preise nach unten, bei gesunkenen Kosten, sah die Klausel nicht vor. 

Verbraucherzentrale: Klausel benachteiligt Verbraucher unangemessen

Die Verbraucherschützer vom Verbraucherzentrale Bundesverband sahen in der Klausel eine unangemessene Benachteiligung. Dem schloss sich das Landgericht Berlin nun an. Warum? Im Urteil setzt sich das Gericht mit der Frage auseinander, „ab wann“ von einer unangemessenen Benachteiligung auszugehen sei: Die gesetzliche Grenze sei überschritten, wenn die Preisanpassungsklausel ihrem Verwender die Möglichkeit einräumt, den vereinbarten Preis ohne jede Begrenzung auch über die reine Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus anzuheben – und so nicht nur eine Gewinnschmälerung vermeidet, sondern es auch ermöglicht, einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen.

Für den Fall, dass sich das Kostenanpassungsrecht nach dem billigen Ermessen des Verwenders richte, „ist von einer unangemessenen Benachteiligung insbesondere dann auszugehen, wenn die Klausel zwar das Recht vorsieht, Kostensteigerungen an die Kunden weiter zu belasten, nicht aber die Verpflichtung, Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen und diese nach denselben Maßstäben an die Kunden weiterzugeben“, führt das Gericht unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH aus. An einer Verpflichtung Spotifys zur Senkung der Preise bei gesunkenen Kosten fehlt es aber eben nach Auffassung des LG Berlin. Lediglich für den Fall sich ändernder Umsatzsteuersätze sieht die Klausel eine Regelung vor. Allerdings keine Verpflichtung zur Preisänderung, sondern nur eine Berechtigung. 

Während also erhöhte Gesamtkosten durch eine Preiserhöhung aufgefangen werden könnten, ermögliche die Klausel es Spotify, den Abopreis bei einer Reduzierung der Gesamtkosten unverändert zu lassen. „Risiken und Chancen einer Veränderung von Kostenelementen, die nicht allein von den unternehmerischen Entscheidungen der Beklagten, sondern von externen Faktoren wie der Gesetzgebung abhängig sind, werden damit zwischen den Parteien ungleich verteilt“, meint das Gericht. 

Spotify: Kosten würden praktisch nur steigen, nicht fallen

Spotify hatte im Prozess eingewendet, dass auf dem Markt für Streaming-Dienste, im Gegensatz zu Energielieferverträgen, gar kein Bedürfnis nach Preissenkungspflichten bestehe – das gehe nämlich an der lediglich steigenden und nicht sinkenden Kostenentwicklung vorbei. Das beurteilt das LG Berlin als unzutreffend: Auch die Kosten des Streaming-Dienstes würden teilweise von Kostenelementen abhängen, die sinken können. Ein anschauliches Beispiel dafür sei die vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer 2020. Die habe das Unternehmen zwar an seine Kunden weitergegeben – nach dem Wortlaut der Klausel sei sie dazu aber nicht verpflichtet gewesen, und Kunden hätten für den Fall, dass sie dies nicht getan hätte, auch keinen vertraglichen Anspruch auf die Weitergabe der Senkung gehabt. 

Wie sich dem Urteil weiter entnehmen lässt, fürchtete Spotify aber auch ein steigendes Arbeitsaufkommen, sollte die Klausel auch eine Pflicht zur Preissenkung umfassen. Die Pflicht zu einer Preissenkung sei daher unzumutbar. Doch auch das sieht das LG Berlin anders. „Eine solche Verpflichtung ist für die Beklagte – wie diese in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat – auch deshalb nicht unzumutbar, weil sie einen erhöhten Arbeitsaufwand dadurch befürchtet, Anfragen der Nutzer zu etwaigen Kostensenkungen beantworten zu müssen“, heißt es im Urteil. Zumal diese Kosten ja auch im Rahmen der Gesamtkosten berücksichtigt werden könnten, fügt das Gericht hinzu. 

Spotify hat Berufung eingelegt

Schließlich stellt das Gericht klar, dass das Recht des Kunden, den Vertrag jederzeit zu kündigen, die Benachteiligung, wie sie durch die Klausel geschehe, nicht angemessen ausgleiche. An dieser Kündigung hätten Kunden in der Regel kein Interesse. So könnte der Wechsel zu einem anderen Anbieter etwa dazu führen, dass angelegte Playlists verloren gingen oder beim neuen Anbieter nicht die Inhalte wie bei Spotify zur Verfügung stünden. 

Ob es bei der Bewertung bleibt, wie sie das LG Berlin vorgenommen hat, wird sich noch zeigen. Spotify hat bereits Berufung zum Kammergericht Berlin eingelegt (Az. 23 U 112/22). Das Urteil ist nicht rechtskräftig. 

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