Bundesarbeitsgericht

Verjähren Urlaub und Abgeltungsansprüche? – Neue Urteile verraten es

Veröffentlicht: 08.02.2023 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 08.02.2023
Dackel macht Urlaub am Strand und trinkt einen Mocktail aus einer Ananas

Der Europäische Gerichtshof (Urteil vom 22.09.2022, C-120/21) hat erst im vergangenen Jahr noch einmal geurteilt, dass Urlaubsansprüche nicht einfach zum Ende des Jahres verfallen und auch nicht ohne Weiteres der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren unterliegen. Nun hat das Bundesarbeitsgericht das europäische Recht in gleich zwei Fällen angewandt. In einem Fall ging es um den tatsächlichen Anspruch auf Erholungsurlaub, in dem anderen um den Abgeltungsanspruch. 

Das Wichtigste in Kürze

  • Resturlaub verjährt nur dann, wenn Beschäftigte durch das Unternehmen auf den drohenden Verfall hingewiesen wurden
  • Sammelt sich über mehrere Jahre Resturlaub an, verjährt auch dieser nur bei einem ausdrücklichen Hinweis. Auf die dreijährige Verjährungsfrist können sich Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber nicht berufen.
  • Abgeltungsansprüche unterliegen der dreijährigen Verjährungsfrist. Dies gilt auch dann, wenn Beschäftigte nicht auf ihren verbleibenden Urlaub und den drohenden Verfall hingewiesen wurden.

 

Worum geht es überhaupt?

Den Ursprung um die ganzen Diskussionen rund um Verjährungsfristen bei Urlaubs- und Abgeltungsansprüche bildet das EuGH-Urteil (06.11.2018, C-684/16) aus dem Jahr 2018. Hier stellte der Europäische Gerichtshof fest, dass nicht genommener Urlaub nicht automatisch zum Jahresende verjährt. Arbeitgebende Unternehmen müssen Arbeitnehmer überhaupt erst in die Lage versetzen, den Urlaub zu beanspruchen. In der Praxis bedeutet das nichts anderes, als dass Unternehmen ihre Beschäftigten auf den Resturlaub und die drohende Verjährung hinweisen müssen. 

Als Grund wurde hier die besondere Schutzbedürftigkeit von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnern aufgeführt: Der gesetzliche Anspruch auf Urlaub dient der Erholung und damit der Gesundheit. Indem Führungskräfte ihre Teammitglieder auf verbleibenden Urlaub hinweisen, kommen sie also ihren Fürsorgepflichten nach. 

Diese Entscheidung warf Folgefragen auf. Zwei von diesen Fragen hat das Bundesarbeitsgericht nun geklärt.

Auch gesammelter Urlaub verjährt nicht ohne Hinweis

Eine Frage betraf gesammelten Urlaub: Eine Steuerfachangestellte hatte über mehrere Jahre nicht genommenen Urlaub angesammelt. Ihr Arbeitgeber hatte sie auch nie auf den Resturlaub hingewiesen. Nun ging es um die Frage, ob der Resturlaub, wenn er schon nicht zum Jahresende verfällt, nicht wenigstens nach der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren verfällt. Auch das lehnte das Bundesarbeitsgericht ab (wir berichteten).

Was bedeutet das nun aber in der Praxis? Hier ein Beispiel: Ein Arbeitnehmer ist seit fünf Jahren in seinem Unternehmen beschäftigt. Er schafft es nie wirklich, seinen Urlaub aufzubrauchen und seine Chefin weist ihn auch nicht darauf hin. So kommen über die Jahre 20 Resturlaubstage zusammen. Nach 5 Jahren will er sich diesen Erholungsurlaub gönnen. Und das zu Recht. Die Tage sind aufgrund des fehlenden Hinweises weder nach dem Bundesurlaubsgesetz zum Jahresende verjährt, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist, noch nach drei Jahren. Entsprechend darf er sich nun über zusätzliche 20 Urlaubstage freuen, die zu seinem normalen Anspruch des laufenden Jahres hinzukommen.  

Abgeltungsansprüche verjähren ohne Hinweis

Was ist aber mit Abgeltungsansprüchen? Nicht genommener Urlaub darf dann ausbezahlt werden, wenn das Arbeitsverhältnis endet und Beschäftigte keine Möglichkeit mehr haben, ihr Urlaubstagekonto aufzubrauchen. Hierzu hat sich erst Ende Januar das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 31. Januar 2023, Az: 9 AZR 456/20) geäußert und festgestellt, dass der Abgeltungsanspruch auch ohne Hinweis durch den Arbeitgeber der gewöhnlichen Verjährungsfrist von drei Jahren unterliegt. Die Frist beginnt mit Ende des Jahres zu laufen, in dem das Arbeitsverhältnis endet.

Zur Begründung führte das Bundesarbeitsgericht aus, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beim Abgeltungsanspruch nicht den gleichen Schutz benötigen wie beim tatsächlichen Urlaubsanspruch: Während beim Erholungsurlaub der Gesundheitsschutz im Fokus steht, geht es beim Abgeltungsanspruch salopp gesagt „nur“ ums Geld. 

Hier ein Beispiel: Ein Arbeitnehmer ist bereits einige Jahre bei einem Unternehmen beschäftigt. Seinen Urlaub hat er nie aufgebraucht. Ein Hinweis durch die Chefin erfolgt nicht, sodass er innerhalb von zehn Jahren fast 50 Resturlaubstage anhäuft. Vier Jahre, nachdem er das Unternehmen verlassen hat, verklagt er seine ehemalige Chefin auf Abgeltung – ohne Erfolg. Der Abgeltungsanspruch ist bereits verjährt.  

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Über die Autorin

Sandra May
Sandra May Expertin für: IT- und Strafrecht

Sandra schreibt seit September 2018 als juristische Expertin für OnlinehändlerNews. Bereits im Studium spezialisierte sie sich auf den Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrechts. Nach dem Abschluss ihres Referendariats wagte sie den eher unklassischen Sprung in den Journalismus. Juristische Sachverhalte anschaulich und für Laien verständlich zu erklären, ist genau ihr Ding.

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