Leiharbeiter dürfen nach Tarifvertrag schlechter bezahlt werden

Veröffentlicht: 01.06.2023
imgAktualisierung: 01.06.2023
Geschrieben von: Julia Petronis
Lesezeit: ca. 2 Min.
01.06.2023
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Würfel mit Leiharbeit
© FrankHH / Shutterstock.com
Das BAG hat entschieden, dass Leiharbeiter schlechter bezahlt werden dürfen als Stammarbeitnehmer.


Leiharbeiter dürfen durch einen Tarifvertrag schlechter bezahlt werden als vergleichbare Festangestellte. Das hat gestern das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden (Urt. v. 31.05.2023, Az. 5 AZR 143/19) und damit ein wichtiges Urteil zum Gleichstellungsgrundsatz gefällt. Eine Ungleichbehandlung der schlechter bezahlten Leiharbeiter werde auf andere Art kompensiert, erläutert LTO zur Entscheidung. 

Das BAG in Erfurt bestätigte mit diesem Urteil die gängige Praxis, Leiharbeiter bei der Bezahlung gegenüber Stammbeschäftigten tariflich schlechter zu stellen. Damit scheiterte eine befristet beschäftigte Arbeitnehmerin auch in der dritten Instanz mit ihrer Klageforderung nach mehr Lohn.

Ausgleich erlaubt Ungleichbehandlung

Die als Kommissionierin im Einzelhandel tätige Arbeitnehmerin bekam für ihre Arbeit einen Stundenlohn von 9,23 Euro, während vergleichbare Arbeitnehmer:innen für dieselbe Arbeit 13,64 Euro bekamen. Vor Gericht klagte sie die Zahlung des Differenzbetrags ein, da sie einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 8 Absatz 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) sah. Bereits in allen Vorinstanzen unterlag die Arbeitnehmerin mit ihrer Klage. 

Im Dezember 2022 beschäftigte sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Vorabentscheidungsverfahren nach Vorlage durch das BAG mit dem Fall. Wie der EuGH verlauten ließ, dürfen Leiharbeiter nur dann schlechter als Stammbeschäftigte bezahlt werden, wenn diese Ungleichbehandlung im Tarifvertrag ausgeglichen werde – beispielsweise durch zusätzliche Freizeit.

Genau solch einen Ausgleich erkannte das BAG im Falle der klagenden Arbeitnehmerin, weshalb sie keinen Anspruch auf ein gleiches Arbeitsentgelt für die gleiche Arbeit habe. Entscheidend sei, dass sie auch in der verleihfreien Zeit ihr Entgelt bekomme. Sowohl das Tarifwerk des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) als auch ver.di sehen die Anwendung auch bei befristeten Verträgen vor.  

Leiharbeiter ausreichend geschützt

Das Tarifwerk und auch die gesetzlichen Schutzvorschriften für Leiharbeitnehmer:innen genügen den gesetzlichen Anforderungen der Leiharbeits-Richtlinie der EU, erläutert das BAG. Zudem sei der Ausgleich sicher und könne nicht einfach umgangen werden. § 11 Absatz 4 Satz 2 AÜG stelle sicher, dass die Verleiher das Wirtschafts- und Betriebsrisiko für verleihfreie Zeiten tragen. Ebenso dürfe die tarifliche Vergütung von Leiharbeitnehmer:innen staatlich festgesetzte Lohnuntergrenzen und den gesetzlichen Mindestlohn nicht unterschreiten. Das BAG gibt auch zu bedenken, dass vom Grundsatz des gleichen Arbeitsentgelts nur in den ersten neun Monaten abgewichen werden dürfe. 

Da das BAG eine ausreichende Kompensation im Fall der klagenden Arbeitnehmerin sah, wies es die Klage nunmehr als unbegründet ab. 

Julia Petronis

Julia Petronis

Expert/in für: IT- und Medien-Recht

Veröffentlicht: 01.06.2023
img Letzte Aktualisierung: 01.06.2023
Lesezeit: ca. 2 Min.
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KOMMENTARE
1 Kommentare
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Walter Altenkirch
02.06.2023

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Leiharbeitnehme r (LA) werden mit diesem Urteil wieder einmal zu Mitarbeitern 2. Klasse degradiert. Dabei ist der Grundsatz ganz klar formuliert: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Dass ein Ausgleich dadurch stattf7nde, dass ja bei verleihfreier Zeit der Lozn weitergezahlt werde, gehört ins Reich der Märchen: Gibt es keine Arbeit für den LA wird dieser sofort unter Ausnutzung aller rechtlichen Möglichkeiten "gekündigt": Versetzung weit weg, Schikane im Verleihbüro, Abstellen für möglichst eklige "Sonderaufgaben " "ausnahmsweise" , usw. Oder man drängt zur Krankschreibung als humanste Form des "Freizeitausglei chs".

LA sind somit die Frauen unter den Arbeitnehmern.

Es herrscht Arbeitskräftema ngel, schon lange, da dürfte Freizeitausglei ch wohl kaum angewiesen werden und dies nun wohl auch nicht für die kommenden Jahrzehnte. Die Richter des BAG haben erneut bewiesen, das ihre Gunst den Arbeitgebern gilt, nicht jedoch der Gleichbehandlun g.