Kompensationsmaßnahmen

Wann eine Werbung mit klimaneutral nicht irreführend ist (Update)

Veröffentlicht: 18.07.2023 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 18.07.2023
Pinsel mit grüner Farbe

Immer wieder bewerben Unternehmen ihre Produkte oder Dienstleistungen damit, dass sie klimaneutral oder sogar klimapositiv seien. Dabei sollte jedem bewusst sein, dass nur sehr wenige Produkte wirklich klimaneutral hergestellt werden können, beispielsweise Flüge weiterhin eine Umweltsünde sind. Viel ärgerlicher ist es jedoch, wenn sich die vermeintliche Klimafreundlichkeit nur als Etikettenschwindel entpuppt und nichts oder nur kleine Schritte am Herstellungsverfahren umweltfreundlich sind. Damit die Gewissensbisse nicht allzu groß werden, wurde der moderne Ablasshandel geboren. Das Unternehmen kauft beispielsweise Zertifikate oder leitet einen Teil der Erlöse an Umweltprojekte weiter, wenn die Herstellung selbst nicht oder nicht in wirtschaftlich vertretenem Maß grüner werden kann. So auch in zwei Fällen, den das Oberlandesgericht Düsseldorf gestern öffentlich machte (Urteile vom 06.07.2023, Az.: I-20 U 72/22 und I-20 U 152/22).

Wettbewerbsverletzung, wenn Werbende Informationspflicht verletzen

Auf welche Weise die Klimaneutralität eines beworbenen Produktes erreicht werde, stelle eine wesentliche Information dar, bekräftigte gestern das OLG die Tendenz in der Rechtsprechung. Darüber haben wir auch schon mehrfach berichtet. Ob sich der Begriff der Klimaneutralität auf ein Unternehmen als Ganzes oder nur auf ein konkretes Produkt beziehe, sei dabei unerheblich. Wenn ein Unternehmen seine Informationspflicht jedoch verletzt, indem es dem Verbraucher die wesentliche Information, wie die Klimafreundlichkeit erreicht werde, vorenthält, handelt es unlauter.

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Ein Fruchtgummihersteller und eine Herstellerin von Konfitüren wurden eben aus diesen Gründen durch eine Wettbewerbszentrale abgemahnt. Bei der Konfitüre waren weder in der Werbeanzeige (in einer Zeitschrift für Lebensmittel) noch auf der Produktverpackung ein Hinweis, wie es zur beworbenen Klimaneutralität kam. Bei den Gummibärchen sah das anders aus, denn da seien die erforderlichen Informationen in ausreichender Weise zur Verfügung gestellt worden. In der Zeitschrift konnten Interessent:innen einen QR-Code zu Webseite von ClimatePartner.com aufsuchen, der die erforderlichen Angaben entnommen werden konnten. 

Klimaneutralität (nur) durch Kompensationszahlungen möglich

Dem durchschnittlichen Verbraucher sei mittlerweile klar, dass der Begriff rund um das Thema Klimaneutralität eher im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der CO₂-Emissionen eines Produktes verstanden werde, und die Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensationsmaßnahmen (z.B. Zertifikatehandel) erreicht werden könne.

Die Urteile sind nicht rechtskräftig, da wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Fragen die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen wurde.

Update vom 18.07.2023

Wie die klagende Wettbewerbszentrale gestern mitteilte, habe man Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt. Das Verfahren wird beim BGH unter dem Aktenzeichen I ZR 98/23 geführt. Die Wettbewerbszentrale sei der Auffassung, dass bereits in der Werbung beziehungsweise auf der Verpackung stichwortartig über die grundlegenden Punkte aufgeklärt werden müsste. Wir werden über den Ausgang des Verfahrens berichten.

Über die Autorin

Yvonne Bachmann
Yvonne Bachmann Expertin für: IT-Recht

Yvonne ist schon seit Beginn ihrer juristischen Laufbahn mit Leib und Seele im IT-Recht unterwegs. Seit Anfang 2013 ist sie als Volljuristin beim Händlerbund tätig und berät dort hilfesuchende Online-Händler in Rechtsfragen rund um ihren Shop. Genausolange berichtet sie bei uns zu Rechtsthemen, welche die E-Commerce-Branche aufwirbeln. 

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