EuGH zur Arbeitszeit

Teilzeitbeschäftigte dürfen bei Überstunden nicht diskriminiert werden

Veröffentlicht: 23.10.2023 | Geschrieben von: Julia Petronis | Letzte Aktualisierung: 23.10.2023
Erhobener Arm hinter vollem Schreibtisch

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat am vergangenen Donnerstag entschieden, dass gleiche Schwellenwerte für Überstundenzuschläge bei Voll- und Teilzeitbeschäftigten diskriminierend sind. Das Gericht hat es als unzulässig erkannt, wenn Teilzeitbeschäftigte auf die gleiche Gesamtstundenzahl wie Vollzeitbeschäftigte kommen müssen, um Mehrarbeitszuschläge zu erhalten. Künftig könnten Arbeitnehmende in Teilzeit daher mehr Geld für Überstunden verlangen.

Ist die Gleichbehandlung eine Ungleichbehandlung?

Schon seit längerer Zeit gibt es Diskussionen in Deutschland über die Mehrarbeitszuschläge bei Teilzeitbeschäftigten. Im konkreten Fall ging es um einen Piloten der Lufthansa CityLine, der in Teilzeit bei der Airline beschäftigt war. Der Tarifvertrag sieht vor, dass neben dem Grundgehalt ein Bonus für „Mehrflugdienststunden“ erworben werden kann, wenn eine Mindestflugzeit im Monat überschritten wird, berichtete LTO. Das Problem an der Sache: Für Voll- und auch für Teilzeitbeschäftigte ist dieser Schwellenwert gleich hoch. Dem teilzeitbeschäftigten Pilot wurden seine individuellen Überstunden nur mit seinem regulären Stundenlohn vergütet. Daher sah er in dieser vermeintlichen Gleichbehandlung eine Ungleichbehandlung und klagte.

Regelung im Tarifvertrag unionsrechtswidrig

Für das Bundesarbeitsgericht (BAG) waren einige grundsätzliche Fragen unklar, weshalb das Gericht diese dem EuGH zur Entscheidung vorlegte – und dieser stimmte der Ansicht des Piloten zu. In der formalen Gleichbehandlung würden die teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer:innen unangemessen benachteiligt (Urteil vom 19.10.2023, Az. C-660/20). Die Anzahl der für den Erhalt des Bonus erforderlichen Flugstunden müsste für Teilzeitkräfte proportional niedriger angesetzt werden. Mehr noch: Der EuGH beantwortete die Vorlagefrage des BAG dahingehend, dass die Bonus-Regelung im Tarifvertrag der Lufthansa CityLine unionsrechtswidrig sei. 

Weiter führte der EuGH aus, dass die Situation vergleichbar wären, da Teilzeitbeschäftigte während ihrer Beschäftigungszeit die gleichen Aufgaben wahrnehmen wie Vollzeitbeschäftigte. Müssen nun teil- und vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer:innen die gleiche Anzahl an Arbeitsstunden für den Bonus leisten, hätten Teilzeitpilot:innen einen längeren Flugstundendienst – und würden dadurch stärker belastet werden und erreichten erwartungsgemäß die Schwelle auch sehr viel seltener. 

Die vorliegende Ungleichbehandlung könne nur durch sachlichen Grund gerechtfertigt werden. Das BAG muss nun prüfen, ob ein solchen Grund im vorliegenden Fall gegeben ist. Der EuGH äußerte aber bereits Zweifel an den Rechtfertigungsgründen der Lufthansa.

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Über die Autorin

Julia Petronis
Julia Petronis Expertin für: IT- und Medien-Recht

Julia ist seit April 2021 als juristische Redakteurin bei uns tätig. Während ihres Studiums der Rechtswissenschaften in Leipzig konzentrierte sie sich vor allem auf das Medien- und IT-Recht, sowie das Wettbewerbs- und Urheberrecht – und kann dieses Wissen heute auch „in der echten Welt“ einsetzen.

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