Fehlende Abmahnbefugnis

Enttäuschung: BGH ist auf der Seite des Ido Verbands

Veröffentlicht: 08.03.2024 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 08.03.2024
Ouch-Sprachblase im bunten Comic-Stil

Obwohl der Ido Verband schon seit Jahren nicht mehr abmahnen darf, wirkt das ehemalige Abmahntreiben noch lange nach. Grund ist, dass sich Tausende Händler:innen in Unterlassungserklärungen gegenüber dem Verband verpflichtet haben oder von einem Gericht zur Unterlassung eines bestimmten Verstoßes gezwungen wurden. Um letzteres ging es in einem Beschluss des Bundesgerichtshofes, welcher gerade veröffentlicht wurde. 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Der Ido Verband mahnte jahrelang Online-Shops ab. 
  • Derzeit fehlt dem Ido Verband die Abmahnbefugnis.
  • Fraglich war, ob der Ido Verband bei einem Verstoß gegen Urteile / einstweilige Verfügungen noch Ordnungsmittel beantragen darf.
  • BGH urteilt: Ja, der Ido Verband darf Ordnungsmittel aus alten Titeln (Urteile oder Beschlüsse) beantragen.
  • Ob „normale“ Vertragsstrafen aus Unterlassungserklärung gefordert werden können, ist umstritten.

Grundsatz: Auch alte Verpflichtungen sind weiter bindend

Das Prozedere nach einer Abmahnung ist immer gleich: Dem Schreiben liegt eine Unterlassungserklärung bei, die man in aller Regel in modifizierter Form abgibt. Wer sich dem nicht beugen kann oder will, lässt es auf ein Gerichtsverfahren ankommen, welches mit einem Urteil oder einem Beschluss enden kann. Diese Möglichkeit hat der Ido Verband in den letzten Jahren auch rege genutzt und versucht, abgemahnte Online-Händler:innen zur Einsicht zu bewegen. Vielfach mit Erfolg. 

Verstößt ein abgemahntes Unternehmen auch viele Jahre später noch gegen solch einen gerichtlichen Titel (Urteil oder Beschluss), könnte der Ido Verband weiter auf die Einhaltung pochen und in dem Falle ein sogenanntes Ordnungsmittel beantragen. Weil ein Gericht diesem Treiben in die Quere kam und solch einen Antrag ablehnte, klagte sich der Ido Verband bis zum BGH hoch – und gewann.

Ido Verband darf noch Ordnungsgelder beantragen

Streitig war nämlich bislang, ob der Ido Verband die Befugnis für einen Ordnungsmittelantrag mit seiner Abmahnbefugnis verloren hat. Anders als die Vorinstanzen bestätigt der BGH bestätigt leider: Die Einleitung eines Ordnungsmittelverfahrens setzt keine wettbewerbsrechtliche Abmahnbefugnis voraus (Beschluss vom 21.12.2023, Az.: I ZB 42/23). Dass der Gläubiger eines Urteils gar nicht mehr zu wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen als solches befugt ist, sei für ein Ordnungsmittelverfahren irrelevant.

Grundlage für den gesamten Streit war eine verbotene Garantiewerbung auf Amazon. Weil das abgemahnte Unternehmen die Unterlassungserklärung nicht abgeben wollte, zog der Ido Verband vor Gericht und bekam recht. Da das Unternehmen den Verstoß erneut beging, beantragte der Ido Verband erwartungsgemäß ein Ordnungsgeld. Wie der BGH nun bestätigte, war das legal. Das OLG Hamm hatte das in der Vorinstanz noch andersherum gesehen (wir berichteten).

Praxistipp für Betroffene von Ido-Abmahnungen

Der Ido Verband ist demzufolge immer noch berechtigt, Ordnungsmittel aus alten Titeln zu beantragen. Aber auch hier gibt es Mittel und Wege, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen: Der Titel muss wieder aus der Welt geschafft werden. Betroffene sollten also mit ihrem Rechtsbeistand über die Möglichkeiten sprechen. Beispielsweise kommt eine Vollstreckungsabwehrklage oder ein sogenannter Antrag auf Aufhebung wegen veränderter Umstände in Betracht.

Und was ist mit all denjenigen, die „nur“ eine Unterlassungserklärung abgegeben haben? Sie kommen mit dem aktuellen BGH-Urteil nicht weiter, denn diese Frage war nicht Gegenstand des Verfahrens. Aktuell gibt es daher noch keine Rechtsprechung zu der Frage, ob einfache Vertragsstrafen aus den damaligen Abmahnungen noch rechtens wären. Ein entsprechend klarstellendes Urteil wird hoffentlich nicht mehr lange auf sich warten lassen.

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Von allen Unternehmern gefürchtet: Post vom Abmahnanwalt. Abmahnungen gehören leider zum E-Commerce-Alltag. Sie sind nicht nur kostspielig, sie rauben auch Zeit und Nerven. Und wenn man nicht aufpasst, können sich durch ungeprüft abgegebene Unterlassungserklärungen unangenehme rechtliche Folgen entwickeln wie z. B. horrende Vertragsstrafen. Der Händlerbund Abmahnschutz beugt Abmahnungen vor und schützt dich im Abmahnfall, damit du dich aufs Wesentliche konzentrieren kannst — dein Business. 

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Über die Autorin

Yvonne Bachmann
Yvonne Bachmann Expertin für: IT-Recht

Yvonne ist schon seit Beginn ihrer juristischen Laufbahn mit Leib und Seele im IT-Recht unterwegs. Seit Anfang 2013 ist sie als Volljuristin beim Händlerbund tätig und berät dort hilfesuchende Online-Händler in Rechtsfragen rund um ihren Shop. Genausolange berichtet sie bei uns zu Rechtsthemen, welche die E-Commerce-Branche aufwirbeln. 

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Kommentare  

#5 Drago 2024-03-13 02:20
Mit KI wird sich die ganze Juristerei dann mal real darstellen: Als unlogisches für Menschen zu komplexes Flickenwerk von Gesetzen, Verordnungen, ...
Frage ist nur, ob man dann der KI glaubt.
Und zus. zu Ronny muss ich sagen, dass auch der BGH nicht die letzte Instanz ist, darüber kommen ja noch EU-Juristen.
Und auch die sind längst nicht Rechtssicher. Es macht doch nur einen graduellen Unterschied wer nun die Gesetze richtig auslegt. Durch die Instanzen ist das nicht unfehlbar.
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#4 Ronny Kühn 2024-03-12 10:54
Spannend in diesen Angelegenheiten ist immer wieder die Tatsache, dass selbst Gerichte (Vorinstanzen) gar nicht wissen, wie sie Gesetze und Auflagen richtig zu interpretieren haben und somit das Ganze vom BGH geklärt werden muss. Wie soll sich dann ein "normaler" Bürger oder Unternehmer auskennen?

Interessieren würde mich: Was wenn ich als Betroffener an so einen Titel gebunden bin und mein Unternehmen ganz einfach schließe und gänzlich neu eröffne (neuer Wortlaut, Firmennummer, etc.)? Das würde mich von solchen Titeln ja entbinden, oder nicht?

Der Aufwand dafür ist zwar verhältnismäßig hoch, aber meines Erachtens immer noch besser als ein Ordnungsmittel aus den bestehenden Titel zu zahlen.
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#3 Hubert 2024-03-11 08:31
Gesunder Menschenverstan d ist von der deutschen Justiz nicht zu erwarten. Darum überrascht mit das Urteil auch in keiner Weise.
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#2 Schmidt 2024-03-11 08:24
Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt.
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#1 Richard 2024-03-10 09:01
Dass ist nicht weiter dramatisch, da IDO daraus keine Vorteile erzielt und nur über sehr wenige Ordnungstitel verfügt. Die Beantragung einer Ordnungsstrafe kostet auch Geld und die Ordnungsstrafe wird auch nicht an den Abmahnverein sondern an die Staatskasse gezahlt.
Daher dürfte eine Beantragung einer Ordnungsstrafe durch den Abmahnverein eher gegen Null tendieren.
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