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Das bedeutet die große EU-Umsatzsteuerreform für Online-Händler

Veröffentlicht: 26.05.2021 | Geschrieben von: Julia Petronis | Letzte Aktualisierung: 14.10.2021
Drei Pakete mit Warenkorb-Logo auf EU-Flagge

Durch die Änderungen des Jahressteuergesetzes 2020 (JStG 2020) wird zum 1. April 2021 beziehungsweise zum 1. Juli 2021 die zweite Stufe des sogenannten Umsatzsteuer-Digitalpakets umgesetzt. Auf EU-Ebene wird hiermit ein neues Mehrwertsteuersystem eingeführt mit wesentlichen Änderungen für den grenzüberschreitenden Online-Handel mit Verbrauchern. 

Ziel dieser Reform ist es, auf die steigende Teilnehmerzahl im EU-weiten Online-Handel zu reagieren, dem Umsatzsteuerbetrug – gerade durch nicht in der EU ansässige Händler – vorzubeugen, aber auch Verfahren zu vereinfachen. Dadurch ergeben sich zwar Erleichterungen für Online-Händler, es birgt aber auch einige Fallstricke, insbesondere durch weitreichende bürokratische Folgen. 

Doch was genau bedeuten die Änderungen für den Handel und welche Pflichten kommen jetzt auf Online-Händler zu? Wir haben bei Christian Deák, Steuerberater der DHW Steuerberatungsgesellschaft, nachgefragt.

Von der Versandhandels- zur Fernverkaufsregelung

OHN: Die Umsatzsteuer-Reform soll Erleichterungen für den Online-Handel bringen. Welche Änderungen ergeben sich künftig für den Handel innerhalb der EU?

Christian Deák: Das JStG 2020 verwirklicht die zweite Stufe des EU-Digitalpakets. Die darin enthalten Maßnahmen gelten ab dem 1. Juli 2021. Damit wird das ursprünglich eher als vorübergehend geplante Prinzip des Bestimmungslandes weiter manifestiert. Die bis dato gültige Versandhandelsregelung entfällt und wird durch eine Fernverkaufsregelung ersetzt. Deutlichste Neuerung dabei ist eine Wandlung des „Mini-One-Stop-Shop”-Verfahrens (MOSS) in das „One-Stop-Shop”-Verfahren (OSS). 

Welche Bedeutung hat die bisher gültige Versandhandelsregelung?

Die Bezeichnung „Versandhandelsregelung“ beschreibt, dass der direkte Versand aus dem Inland in ein anderes EU-Land erfolgt. Hier mussten die bisher unterschiedlichen „Lieferschwellen“ des jeweiligen EU-Landes berücksichtigt werden. Unterhalb der Lieferschwelle war der Online-Händler weiterhin nur in Deutschland zur Abführung der Umsatzsteuer verpflichtet, oberhalb der Lieferschwelle verschiebt sich die Verpflichtung in das andere EU-Land. Diese Regelung wird nun ausgeweitet und in die neu gefasste Fernverkaufsregelung umgewandelt.

Durch die neue Fernverkaufsregelung wird der OSS eingeführt. Was genau ist der OSS und welche Vorteile haben Händler von einer Teilnahme an dem Verfahren?

Die bereits bestehende MOSS-Regelung wird zum 1. Juli 2021 in die OSS-Regelung umgewandelt. Die Anmeldung zum OSS-Verfahren ist freiwillig und kann bereits seit dem 1. April 2021 erfolgen. Im Rahmen der Registrierung deklariert der Online-Händler gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) in welchen EU-Ländern er Fernverkäufe an Verbraucher erbracht hat und mit welchen Umsätzen. Dann entrichtet er die ausgerechnete Steuer in einer Summe nur noch an das BZSt. Seine bisherige Registrierungspflicht in anderen EU-Ländern, in welche er seine Waren verkauft, entfällt damit. 

Hat die Reform auch Auswirkungen auf den nicht grenzüberschreitenden Online-Handel?

Innerdeutsche Verkäufe sind von den Änderungen nicht betroffen. Ebenso nicht solche, die ein EU-Drittlandsgebiet betreffen und Vorgänge des B2B-Bereichs. Nur bei Verkäufen aus Deutschland an einen nichtunternehmerischen Kunden in einem anderen EU-Land gilt die neue innergemeinschaftliche Fernverkaufsregelung. Ausschlaggebend ist hierbei dann nicht der Sitz des Händlers, sondern nur der Beginn- und Endort der Warenbewegung. Der Ort der Lieferung liegt am Sitz des Kunden, wenn die Beförderung oder Versendung einer Ware im Rahmen einer Lieferung durch den Online-Händler oder für dessen Rechnung und aus dem Gebiet eines EU-Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen EU-Mitgliedstaates erfolgt.

Diese Vereinfachungen und Schwierigkeiten bringt die Reform mit sich

Welche Auswirkungen haben die neuen Regeln auf die Versteuerung von Waren, die von deutschen Online-Händlern ins EU-Ausland versendet werden?

Die bis dato bekannten, je nach Zielland individuellen Lieferschwellen sind abgeschafft worden. Die neue Regelung ab 1. Juli beinhaltet eine einheitliche Lieferschwelle von 10.000 Euro innerhalb der gesamten Europäischen Union. Unterhalb dieser Bagatellgrenze liegt der Ort der Lieferung beim Unternehmer und muss dort versteuert werden, also wenn sein Gesamtbetrag der Entgelte für innergemeinschaftliche Fernverkäufe sowohl im Vorjahr als auch im laufenden Jahr jeweils 10.000 Euro nicht übersteigt. Über dieser Grenze erfolgt die Versteuerung nach der jeweiligen Umsatzsteuer des belieferten Landes. Bisher musste man dann sich dafür im betroffenen Land steuerlich registrieren. Jetzt kann man die Versteuerung gebündelt über den OSS abwickeln.

Die Regelungen betreffen nicht alle Händler gleichermaßen. Wer dürfte von der Reform profitieren und wo könnte es zu Schwierigkeiten kommen?

Das Digitalpaket II soll und wird Online-Händlern generell eine gewisse Vereinfachung bringen. Den größten Nutzen haben Händler, die Ware hauptsächlich von einem EU-Land in ein anderes EU-Land an einen Verbraucher (B2C) verkaufen. Zu beachten ist jedoch, dass es für Online-Händler, die ihre Ware über Amazons FBA („fulfillment by amazon“) oder andere Fulfillment-Strukturen mit ausländischer Lagerhaltung verkaufen, kompliziert werden kann, denn in diesen Fällen kann man die Versteuerung nicht immer über den OSS tätigen.  Durch die Änderungen müssen diese Online-Händler zweigleisig fahren und einen Teil ihrer Verkäufe über das neue OSS-Verfahren versteuern, während ein anderer Teil weiterhin in dem Land versteuert werden muss, in dem die Waren gelagert werden.

Vorsicht bei der Nutzung von FBA

Welche Auswirkungen hat die Nutzung von grenzüberschreitenden Fulfillment-Strukturen wie FBA auf Meldungspflichten über den OSS ?

Insbesondere sind hier zwei Verfahren innerhalb der FBA-Option zu nennen. Einerseits das CEE-Verfahren und andererseits das PAN-EU-Verfahren. Durch die Teilnahme an einem der aufgezeigten Verfahren, erlangt der Online-Händler einen gewissen Spielraum, wo seine Waren gelagert werden. Er kann jedoch keinen Einfluss auf „Umlagerungen“ durch Amazon nehmen. Ohne das Wissen oder Wollen des Händlers wird seine Ware, eventuell auch mehrfach, über Ländergrenzen transportiert und umgelagert. Durch die Umlagerung werden zwei umsatzsteuerliche Vorgänge verwirklicht. De facto müssen sich die Teilnehmer des FBA-Verfahrens tatsächlich in jedem Lagerland umsatzsteuerlich registrieren lassen und ihren Deklarationspflichten dort nachkommen. Die Umsetzung des EU-Digitalpakets hat auf grenzüberschreitende Fulfillment-Strukturen keine Auswirkung. Diese Tatbestände sind im Regelbesteuerungsverfahren der jeweiligen Länder zu erklären und in jedem Land ist eine Umsatzsteuer-ID erforderlich.

Wie können Händler, die FBA nutzen, anhand dieser komplizierten Situation vorgehen?  

Eine enge steuerberaterliche Begleitung des Online-Händlers ist hier wichtiger denn je. Am Beispiel des Registrierungsprozesses ist dem Online-Händler zu verdeutlichen, welche umsatzsteuerlichen Konsequenzen und Risiken das FBA-Verfahren bei einer fehlerhaften Organisation birgt. Die Nutzung des OSS-Verfahrens zur Meldung innergemeinschaftlicher Fernverkäufe und die aufgrund ausländischer Warenlager gleichzeitige Anwendung des Regelbesteuerungsverfahrens in einer Vielzahl von EU-Staaten, macht die Implementierung zweier Compliance-Stränge zur Abbildung der unterschiedlichen umsatzsteuerlichen Meldungen zwingend erforderlich.

Vielen Dank für das Interview!

Ab dem 1. Juli 2021 gilt für weitgehend alle grenzüberschreitenden Lieferungen an Nicht-Unternehmer in der EU, dass die Mehrwertsteuer im Zielland anfällt, sobald die Schwelle von 10.000 Euro überschritten wird. Auf keinen Fall vergessen sollten Online-Händler die vorherige Registrierung für das OSS-Verfahren, welche bereits seit dem 1. April 2021 hier möglich ist. Um am OSS-Verfahren teilnehmen zu können ist ebenfalls zwingend die Beantragung einer Umsatzsteuer-ID erforderlich.

Christian Deák

Steuerberater Christian Deák ist Master o.A. Taxation. Er ist zusätzlich qualifiziert als Fachberater für Umstrukturierung, zertifizierter Berater für E- Commerce und Nachfolgeplanung. Für die Steuer-Fachschule Dr. Endriss leitet Herr Deák den Qualifizierungslehrgang Tax-Specialist E-Commerce und ist Studienleiter des FAIT-Lehrgangs.

Über die Autorin

Julia Petronis
Julia Petronis Expertin für: IT- und Medien-Recht

Julia ist seit April 2021 als juristische Redakteurin bei uns tätig. Während ihres Studiums der Rechtswissenschaften in Leipzig konzentrierte sie sich vor allem auf das Medien- und IT-Recht, sowie das Wettbewerbs- und Urheberrecht – und kann dieses Wissen heute auch „in der echten Welt“ einsetzen.

Sie haben Fragen oder Anregungen?

Kontaktieren Sie Julia Petronis

Kommentare  

#2 Peter-Rudolf May 2021-05-29 09:34
Es fehlt hier die Angabe, dass sich die Fernverkaufsreg elung NICHT auf differenzbesteu erte Waren bezieht. Diese (meist Gebrauchtware, aber auch Antiquitäten und Sammlungsstücke ) werden meines Wissens weiterhin vom Verkäufer im Land seines Firmensitzes versteuert !
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#1 Ilona 2021-05-29 09:29
Guten Morgen!
Leider ist auch dieses Interview nicht besonders hilfreich. Ich lese immer wieder welche Erleichterungen der OSS bringen soll, dabei wird vergessen, dass auf Hunderttausende KMU, die bisher nie irgendeine Lieferschwelle überschritten hatten, ein extremer Bürokratiewust zukommt.
Denn die Lieferschwelle von 10.000 Euro pro Jahr für alle 26 EU-Staaten (ohne Deutschland), wird fast jeder, auch kleine Onlinehändler erreichen: Euro 385 pro Land zu 35.000 bis 100.000 Euro.

Mit keinem Wort wird erwähnt, dass es auch finanzielle Einbußen für die KMU geben wird. Die 27 EU Länder haben alle unterschiedlich e Mehrwertsteuers ätze, die meisten sind höher als der deutsche Mehrwertsteuers atz. Unsere Preise werden mit 19% kalkuliert, kauft jemand aus Ungarn bekomme ich zwar auch nur die kalkulierten 19% muss aber 27% abführen. Das würde doch alles nur sinnvoll sein, wenn wir Nettopreise hätten und an der Kasse wird je nach Empfängerland die entsprechende Mehrwertsteuer zugeschlagen. Oder sollen wir jetzt generell die Preise erhöhen, damit die inländischen Kunden die höheren Mehrwertsteuers ätze der anderen EU-Staaten subventionieren können? Kann ich einzelne Länder mit zu hohen Steuersätzen ausschließen oder ist das Geo-Blocking?

Dieses ganze System ist perfide. Die EU Verbraucher kaufen dort ein wo die Preise wegen des geringeren Steuersatzes niedriger sind als im eigenen Land und das Heimatland bekommt doch die höhere Mehrwertsteuer. Für mich wäre es einfacher, wir hätten keine EU, dann würde ich eine Netto-Rechnung und Exportpapiere erstellen und der Kunde in seinem Land die entsprechende Einfuhr-Umsatzs teuer bezahlen.

Leider ist das aber nicht so und ich werde mich wohl durch diese Bürokratie durchkämpfen müssen, in dem Zusammenhang: Kann mir jemand ein Rechnungsprogra mm empfehlen, das mit den unterschiedlich en Steuersätzen arbeitet und ich mir die Quartalszahlen für die einzelnen Länder abrufen kann? Besten Dank
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