Umsetzung der Verbandsklagerichtlinie

Schadensersatz und mehr: Die neue „Sammelklage“ für Verbraucher kommt (Update)

Veröffentlicht: 17.02.2023 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 29.03.2023
Gruppe verschiedener Personen, die gemeinsam eine Klage anfangen

Vom Bundesministerium der Justiz wurde jetzt der Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der europäischen Verbandsklagerichtlinie vorgelegt. Eingeführt werden damit umfassendere und EU-weit einheitliche Rechte für Verbraucherschutzverbände. Unerlaubte Praktiken sollen flächendeckend beendet werden können, vorgesehen ist aber auch eine Abhilfeklage.

Wo entsprechende Verbände bisher etwa dafür sorgen können, dass verbraucherrechtswidrige Verhaltensweisen abgestellt werden, räumt dieses im deutschen Recht bisher nicht vorhandene Instrument die Möglichkeit ein, beispielsweise gesammelt Schadensersatzansprüche von Verbrauchern geltend zu machen. Am Entwurf gibt es allerdings Kritik: Während Verbraucherschützer den Entwurf enttäuschend finden, besteht auch auf politischer Ebene Uneinigkeit über die Umsetzung. 

Verbraucherschutz: Neue Verbandsklagen sollen bereits ab 25. Juni 2023 möglich sein

Durch verbraucherrechtswidrige Geschäftspraktiken von Unternehmen werde regelmäßig eine große Anzahl von Verbrauchern geschädigt, so das Bundesministerium der Justiz. Zu ihrem Schutz sei es notwendig, unerlaubte Praktiken flächendeckend zu beenden und Abhilfe zu schaffen. Für ein unionsweit einheitliches Niveau im Bereich des Schutzes von Kollektivinteressen der Verbraucher soll insofern die Richtlinie (EU) 2020/1828 sorgen, deren Regelungen ab dem 25. Juni 2023 angewendet werden müssen. In Deutschland soll das mit dem VRUG, dem Verbandsklagerichtlinienumsetzungsgesetz, umgesetzt werden.

Die Veröffentlichung des Entwurfes ließ bislang auf sich warten. Grund dafür sind Uneinigkeiten zwischen den beteiligten Ministerien: Umwelt- und Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke ist der Ansicht, dass die Interessen der Verbraucher nicht ausreichend berücksichtigt werden würden. Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband übt hier Kritik und zeigt sich vom Entwurf enttäuscht. Für nicht verbraucherfreundlich hält er etwa die Frist, innerhalb derer sich Verbraucher etwaigen Klagen anschließen müssten. Möglich ist das nach aktuellem Stand bis zum Tag vor der mündlichen Verhandlung. „Viele Betroffene werden damit von vornherein ausgeschlossen – beispielsweise Menschen, die aus den Medien von der Klage erfahren und erst prüfen müssen, ob sie wirklich betroffen sind“, kommentiert Ramona Pop, vzbv-Vorständin.

Buschmann hingegen verteidigt den Entwurf, der einen ausgewogenen und fairen Rechtsrahmen für alle Beteiligten schaffe. „Beklagte sollen weiterhin wissen, wenn ein Prozess beginnt, wie hoch die Summe der Ansprüche ist, über die verhandelt wird“, auch müsse es zeitliche Grenzen für die Geltendmachung der Ansprüche geben.

Verbände können bald auch direkt auf Schadensersatz klagen

Und worum geht es dabei inhaltlich? Verbände sollen das Recht erhalten, im eigenen Namen Unterlassungsklagen erheben zu können, durch die Zuwiderhandlungen gegen Verbraucherrecht beendet werden können. Praktisch betrifft das wohl insbesondere Fälle, in denen eine große Zahl von Verbrauchern geschädigt wurde – beispielhaft können das Fälle wie der Diesel-Skandal oder Forderungen wegen erhöhten Kontogebühren sein. Hier haben viele Verbraucher gleichgerichtete Klagebegehren, was bisher regelmäßig zu Klagewellen führte. Die gesammelte Geltendmachung verspricht insofern auch eine Entlastung der Justiz.

Hervorzuheben sind hier die in der Richtlinie vorgesehenen sogenannten Abhilfeklagen, die der Durchsetzung von Verbraucherrechten dienen. Diese weitgehenden Instrumente sind in Deutschland bisher nicht vorhanden. Zwar gibt es seit wenigen Jahren die sogenannten Musterfestellungsklagen. Mit diesen können Verbände gerichtlich feststellen lassen, ob die nötigen Voraussetzungen für bestimmte Ansprüche von Verbrauchern vorliegen oder nicht – was die Verbraucherrechte zwar insbesondere vor großen Unternehmen stärkt, aber eben auch nicht viel mehr als eine Feststellung bewirkt. Geht es dann um die aus etwaigen Ansprüchen resultierende Leistung, beispielsweise um Schadensersatz, müssen Verbraucher den Rechtsweg dann bislang individuell weiter beschreiten. Mit den Abhilfeklagen wird sich das grundsätzlich ändern: Verbände haben damit künftig im Rahmen der vorgesehenen Voraussetzungen die Möglichkeit, selbst unmittelbar Leistungen für die angeschlossenen Verbraucher zu erwirken, etwa Entschädigungen. 

Mit der Umsetzung muss sich die Politik, insbesondere das federführende Bundesministerium der Justiz jetzt sputen: Die EU-Kommission hat bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gestartet. 

Update (29. März 2023)

Das Bundeskabinett hat heute, am 29. März 2023, den von Bundesjustizminister Marco Buschmann vorgelegten Entwurf zur Umsetzung der EU-Verbandsklagerichtlinie beschlossen. Als Nächstes wird sich nun der Bundestag damit befassen. Der Regierungsentwurf ist hier einsehbar. 

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