Themenreihe Streitschlichtung – Teil 1: Die ODR-Verordnung

Veröffentlicht: 04.01.2016 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 02.02.2016

Damit Verbraucher Vertrauen in den digitalen (grenzüberschreitenden) Handel haben und diesen in vollem Umfang nutzen können, müssen sie Zugang zu einfachen, effizienten, schnellen und kostengünstigen Möglichkeiten der Beilegung von Streitigkeiten haben. In der Praxis sind diese Alternativen zu herkömmlichen Gerichtsverfahren noch nicht angekommen. Das soll sich nun ändern.

(Bildquelle Streitschlichtung: wavebreakmedia via Shutterstock)

Die ODR-Verordnung: Ziele und Hintergründe

Viele Verbraucher scheuen immer noch den Kauf von Waren im Internet. Die Angst, bei verloren gegangener oder defekter Ware keine Klärung herbeiführen zu können, überwiegt bei zahlreichen Verbrauchern. Dies gilt insbesondere, wenn Verbraucher Einkäufe über die Grenzen hinweg tätigen. Die Verordnung Nr. 524/2013 über die Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (sog. ODR-Verordnung) will hier einen wichtigen Beitrag leisten und das Vertrauen der Verbraucher in (grenzüberschreitende) Online-Einkäufe stärken.

Noch stoßen Verbraucher und Unternehmer bei der Suche nach außergerichtlichen Lösungen auf Hindernisse, insbesondere, wenn die Streitigkeiten von grenzübergreifenden Online-Rechtsgeschäften ausgehen. Daher bleiben solche Streitigkeiten oft ungeklärt. Verbraucher sollen künftig die Möglichkeit zur einfachen und kostengünstigen Beilegung von Streitigkeiten aus Internetkäufen erhalten. Die hierfür einzurichtende Plattform zur Online-Streitbeilegung (sog. „OS-Plattform“) ist daher nicht nutzbar für Streitigkeiten im B2B-Bereich sowie für Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern, die aus offline geschlossenen Kauf- oder Dienstleistungsverträgen erwachsen.

Online-Händlern in der Europäischen Union sollen Verbraucher künftig auf eine elektronische Möglichkeit hinweisen, über die Streitigkeiten einfach, effizient, schnell und kostengünstig abwickelt werden können. Um dieses Ziel zu erreichen, entwickelte die Europäische Kommission ein Online-System zur alternativen Streitbeilegung, die sog. „OS-Plattform“.

Die Funktionsweise der OS-Plattform

Die Plattform zur Online-Streitbeilegung (sog. „OS-Plattform“) ist eine interaktive Website. Sie dient als zentrale Anlaufstelle für Verbraucher und Unternehmer, die entstandene Streitigkeiten außergerichtlich beilegen möchten.

Die eingerichtete OS-Plattform wird über das Bürgerportal "Your Europe" (dt. „Ihr Europa“) erreichbar sein und in allen EU-Sprachen zur Verfügung stehen. Die OS-Plattform hält benutzerfreundliche Standard-Beschwerdeformulare vor, die Verbraucher in allen Amtssprachen ausfüllen können. Einen Einblick in die Eingabemaske gibt die Kommission im folgendem pdf-Dokument.

Um eine Beschwerde auf der OS-Plattform einzureichen, füllt der Beschwerdeführer das elektronische Beschwerdeformular aus. Der Beschwerdeführer muss unter anderem angeben, ob er in dem Streit Verbraucher oder Unternehmer ist, sowie seinen Namen, seine E-Mail-Adresse und seine Anschrift nennen. Der Beschwerdeführer kann außerdem Dokumente beifügen, die seine Beschwerde unterstützen. Den konkreten Ablauf stellen wir in einer Infografik vor, die in einem weiteren Teil unserer Themenreihe enthalten ist.

Um Sprachbarriere zu vermeiden, soll auf der OS-Plattform auch eine elektronische Übersetzungsfunktion geboten werden, die es den Parteien und der AS-Stelle ermöglicht, ausgetauschte Informationen übersetzen zu lassen.

Der OS-Plattform kommen unter anderen folgende Funktionen zu:

  • Bereitstellung eines elektronischen Beschwerdeformulars, das vom Beschwerdeführer ausgefüllt werden kann;
  • Unterrichtung des Beschwerdegegners über die Beschwerde;
  • Ermittlung der zuständigen AS-Stelle;
  • Übermittlung der Beschwerde an die AS-Stelle, auf die sich die Parteien geeinigt haben;
  • kostenlose Bereitstellung eines elektronischen Fallbearbeitungsinstruments, das es den Parteien und der AS-Stelle ermöglicht, das Streitbeilegungsverfahren online über die OS- Plattform durchzuführen;
  • öffentliches Zugänglichmachen allgemeiner Information über die Alternative Streitbeilegung.

Kommt es zu einer Streitigkeit, muss sich der Verbraucher jedoch nicht zwingend der OS-Plattform bedienen. Streitbeilegungsstellen oder -mechanismen dürfen die direkt bei ihnen eingereichten Beschwerden natürlich trotzdem bearbeiten.

Für die Entwicklung, den Betrieb, die Pflege und für den Betrieb der Plattform notwendige technische Ausstattung der OS-Plattform ist die Europäische Kommission zuständig.

Problem: Bisher keine nationalen AS-Stellen eingerichtet

Die OS-Plattform selbst nimmt keine eigene Tätigkeit als Streitschlichter wahr. Die Beschwerden werden über die Plattform lediglich an die für die betreffende Streitigkeit zuständige bzw. von den Parteien gewählte nationale Streitschlichtungsstelle (sog. „AS-Stelle“) weitergeleitet. Genau hier ergibt sich ein Problem: Nationale AS-Stellen im Sinne der ODR-Verordnung existieren bisher nicht. Ob so lange ein Verweis an eine Universalschlichtungsstelle erfolgen kann, ist bislang nicht bekannt.

Die OS-Kontaktstellen

In allen Mitgliedstaaten wird parallel eine OS-Kontaktstelle benannt, in denen mindestens zwei Online-Streitbeilegungsberater tätig sind. Die OS-Kontaktstelle kommt nur bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten zum Tragen. Die OS-Kontaktstellen sollen die internationalen Parteien einer Streitigkeit, die über die OS-Plattform eingereicht wurde, unterstützen, indem sie beispielsweise Hilfe bei der Einreichung der Beschwerde und gegebenenfalls der einschlägigen Unterlagen geben. Zudem erläutert die OS-Kontaktstelle den Parteien die Verfahrensregeln der AS-Stellen.

Neue Informationspflichten für alle Online-Händler

Damit das europaweite elektronische Streitbeilegungsverfahren keine theoretische Idee bleibt, sollen die Online-Händler zwingend mit ins Boot geholt werden. Eine OS-Plattform, von der niemand etwas weiß, hat natürlich keinen großen Nutzen. Die EU will daher die Online-Händler selbst stärker beteiligen und ihnen eine eigene Informationspflicht auferlegen.

Damit möglichst viele Verbraucher Kenntnis von dem Bestehen der OS-Plattform haben, sollen in der Union niedergelassene Unternehmer, die Online-Kaufverträge oder Online-Dienstleistungsverträge eingehen, auf ihren Websites einen Link zur OS-Plattform bereitstellen.

Alle in der Europäischen Union niedergelassenen Online-Händler von Waren und/oder Dienstleistungen müssen ab dem 09.01.2016 auf ihren Webseiten einen Link zur OS-Plattform ergänzen. Betroffen von der neuen Informationspflicht sind alle Shops, über die ein Verkauf von Waren oder Dienstleistungen stattfindet, also nicht nur Online-Shops, sondern auch Shops auf Online-Marktplätzen.

In der Praxis kommt es vor, dass eine Online-Plattform keine Verlinkungen in den Rechtstexten zulässt. In diesem Fall darf ein stummer Link verwendet werden.

Problematisch ist, dass der Link bislang nicht zur Verfügung steht, obwohl die Informationspflicht in wenigen Tagen erfüllt werden muss. Auch ist die Plattform selbst noch nicht in Betrieb. Nach Angaben der Kommission soll die OS-Plattform erst am 09.01.2016 verfügbar sein. An diesem Tag wird noch keine wirkliche Nutzung möglich sein. Erst Mitte Februar soll die OS-Plattform ihre Tätigkeit aufnehmen. Hier war der Verordnungsgeber schneller als die Umsetzung in die Praxis.



Nutzung auch bei innerdeutschen Streitigkeiten möglich

Von der Nutzung der OS-Plattform können jedoch nicht nur Verbraucher und Unternehmer profitieren, die in einen „grenzüberschreitenden“ Streit verwickelt sind. Die ODR-Verordnung gilt für die außergerichtliche Beilegung von Streitigkeiten, bei denen in der Union wohnhafte Verbraucher gegen in der Union niedergelassene Unternehmer vorgehen. Dabei müssen die beiden Parteien jedoch nicht notwendigerweise in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten niedergelassen sein.

So bestätigen dies auch die Erwägungsgründe zur ODR-Verordnung: „Obwohl insbesondere Verbraucher und Unternehmer, die grenzübergreifende Online-Rechtsgeschäfte durchführen, Nutzen aus der OS-Plattform ziehen werden, sollte diese Verordnung auch für inländische Online-Rechtsgeschäfte gelten.“

Kosten für die Nutzung der OS-Plattform

Bei vielen Online-Händlern wird sich spätestens jetzt die Frage der Kostentragung stellen. Wird eine Beschwerde über die OS-Plattform an eine AS-Stelle weitergeleitet, gelten hinsichtlich der Kosten die dieser Stelle eigenen Verfahrensregeln. Mangels aktiver AS-Stellen kann daher zu diesem Punkt noch keine genaue Aussage getroffen werden.

Anrufung nationaler Gerichte weiterhin möglich

Das Recht auf ein gerichtliches Verfahren gehört zu den garantierten Grundrechten. Zwar will die ODR-Verordnung Verbrauchern eine Möglichkeit zur einfachen und kostengünstigen Beilegung von Streitigkeiten bieten. Die Online-Streitbeilegung ist aber nicht dazu bestimmt, gerichtliche Verfahren abzuschaffen oder zu ersetzen. Die ODR-Verordnung darf Verbrauchern oder Unternehmern nicht das Recht nehmen, die Durchsetzung ihrer Rechte vor Gericht zu suchen. Diese ODR-Verordnung hindert die Parteien also in keiner Weise daran, ihr Recht auf Zugang zum Gerichtssystem wahrzunehmen.

Kommentare  

#14 Redaktion 2016-02-15 08:33
Hallo Ines Berwanger,

die Verordnung betrifft nur Online-Händler und Dienstleister mit Niederlassung in der EU.


Viele Grüße,
die Redaktion
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#13 Ines Berwanger 2016-02-12 15:55
Hallo,

gilt dies auch für Schweizer Seiten (Betreiber mit Sitz in der Schweiz), auch wenn wir in die EU liefern?
Danke und viele Grüsse,
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#12 Redaktion 2016-01-19 09:56
Hallo Frau Schulz,

wir verstehen, dass die vielen Informationen verwirrend sind. Je nach Mitgliedschafts paket haben wir einen Sondernewslette r verschickt, der zum Herunterladen der entsprechenden Rechtstexte auffordert. Sind diese aktualisiert, finden Sie dort auch automatisch den Hinweis zur OS-Plattform. Bei weiteren Fragen können Sie gern den Kundenservice des Händlerbundes kontaktieren.


Viele Grüße,
die Redaktion
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#11 Gabriele Schulz 2016-01-18 19:08
Hallo,
ich bin jetzt total überfordert mit diesen Informationen. Also, ich kann eine Abmahnung bekommen, wenn ich einen Link zu einer Plattform, die noch nicht in Betrieb ist, nicht in den Shop einstelle?
Was soll ich meinen Kunden über dieses Phänomen schreiben. Ich habe diesen Textvorschlag, der von Ihnen erwähnt wird, nicht erhalten. Bitte senden Sie mir die entsprechenden Informationen noch einmal zu. Danke schön!
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#10 Redaktion 2016-01-18 14:58
Hallo Ellen,

da der Link inzwischen offiziell bestätigt wurde, raten wir dazu, dass Sie die Texte zu Ihrer eigenen Sicherheit umgehend aktualisieren.


Viele Grüße,
die Redaktion
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#9 Ellen 2016-01-18 14:17
Hallo
reicht es wenn der Link zur OS Plattform bis zum 15.2. online ist? Ab dann diese ,nach Ihren Infos , auch erst zu erreichen. Kann ich bis dahin die Alternativlösun g vom 09.1.2016 in den AGB belassen?
Grüße
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#8 Tobi 2016-01-18 13:02
und es war wie von mir gesagt der Link...hat etwas gedauert beim Händlerbund wie es scheint ;)
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#7 Redaktion 2016-01-11 17:07
Da können wir Ihnen das Statement der Rechtsabteilung des Händlerbundes ans Herz legen:

"Uns ist bekannt, dass von den verschiedenen Rechtstextanbie tern unterschiedlich e Links zur OS Plattform empfohlen werden. Fest steht, dass bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine funktionierende OS Plattform seitens der EU zur Verfügung gestellt wird und damit auch kein funktionierende r Link. Unserem Dachverband Ecommerce Europe der in Abstimmung mit der europäischen Kommission steht, ist unklar welcher Link letzten Endes, soweit eine funktionierende OS Plattform zur Verfügung gestellt sein wird, tatsächlich zutreffend sein wird. Vor diesem Hintergrund und unter Bezug auf Art. 5 Abs. 3 der ODR-Verordnung, haben wir eine Formulierung in unseren Rechtstexten mit der Verlinkung zum Portal „Ihr Europa“ gewählt, der für die Mitglieder die notwendige Sicherheit zur Erfüllung ihrer Informationspfl ichten bietet. Bekanntlich übernehmen wir für unsere Rechtstexte und Rechtsberatung die vollumfängliche Haftung. Von Beginn an haben wir darauf hingewiesen, dass der Link sich nach Zurverfügungste llung der Plattform ändern kann. Diesen geänderten Link werden wir für unsere Mitglieder erst dann zur Verfügung stellen, wenn das Portal voll funktionsfähig ist.

eur-lex.europa.eu/.../..."


Viele Grüße,
die Redaktion
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#6 Tobi 2016-01-11 16:55
und was ist das dann für ein Link?
ec.europa.eu/consumers/odr/

Laut meinen Infos der der Bereitgestellt werden sollte.
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#5 Redaktion 2016-01-11 15:09
Hallo Tobi,

einen "richtigen" Link zur OS-Plattform gibt es noch nicht. Daher haben alle Händlerbund-Mit glieder am Mittwoch einen Sondernewslette r erhalten mit einer Übergangslösung . Sollten Sie den Newsletter nicht erhalten haben, melden Sie sich einfach beim Kundenservice des Händlerbundes.


Viele Grüße,
die Redaktion
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