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Vom Kunden beleidigt – Dürfen Unternehmen Verträge deswegen kündigen?

Veröffentlicht: 16.08.2022 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 16.08.2022
Sprachblasen, die aneinander stoßen und kaputt gehen

Der Kunde ist König – aber darf sich natürlich nicht alles erlauben, erst recht keine Beleidigungen. Leider ist es so, dass gerade im Dienstleistungssegment bei Dauerschuldverhältnissen Kundenberater über Beleidigungen klagen. Die Kundschaft wird ausfallend, beleidigt Servicekräfte vielleicht sogar am Telefon. Aber auch Online-Händler haben hin und wieder mit Kunden zu tun, die nicht einfach nur unhöflich sind. Die Gretchenfrage ist hier natürlich: Muss ein Kunde, der beleidigend wird, auch noch bedient werden?

Grundsatz: Verträge sind zu halten

Zunächst muss man sich vor Augen führen, dass der einfache Grundsatz gilt: „Vertrag ist Vertrag!“ Es soll eben nicht so einfach möglich sein, seiner versprochenen Leistung zu entwischen. Sich von einmal geschlossenen Verträgen zu lösen, kann daher mitunter schwierig sein. Daher muss hier oft auf gesetzliche Vorschriften zurückgegriffen werden. Sieht das Gesetz für bestimmte Fälle keinen Kündigungs- oder Rücktrittsgrund vor, wird es schwer bis unmöglich, sich vom Vertrag zu lösen.

Zwar ist es grundsätzlich möglich, in den AGB eigene Kündigungsvorschriften zu formulieren, allerdings dürfen diese AGB keine unangemessene Benachteiligung des Kunden darstellen. Eine solche Benachteiligung liegt insbesondere dann vor, wenn eine Klausel „mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist“. Hier ist also bereits bei der Formulierung juristischer Sachverstand gefragt. Allgemeine Aussagen zur Gültigkeit von Klauseln lassen sich daher auch schwer treffen, weswegen sich dieser Artikel mit den im Gesetz vorgesehenen Kündigungs- und Rücktrittsgründen befasst.

Kündigung von Dauerschuldverhältnissen

Werfen wir zunächst einen Blick auf die Rechtslage bei Dauerschuldverhältnissen. Dauerschuldverhältnisse sind solche Verträge, die über einen längeren Zeitraum laufen, also beispielsweise Handyverträge, Mietverträge, aber auch Zeitschriften-Abos oder Verträge mit Rechtsdienstleistern. Diese Verträge zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass eben doch mal mehr mal weniger regelmäßig Kontakt mit den Kunden besteht. Sei es, weil der Kunde einen Anspruch auf eine regelmäßige telefonische Beratung hat oder weil unregelmäßig Themen, wie etwa Umzüge oder Tarifwechsel, geklärt werden müssen.

Schwierige Kundschaft kann hier zur Herausforderung für jedes gestandene Team werden. Was ist nun aber, wenn der Kunde nicht einfach nur schwierig ist, sondern die Servicekräfte gar rassistisch oder sexistisch beleidigt?

Für solche Fälle sieht das Bürgerliche Gesetzbuch ein Sonderkündigungsrecht vor. „Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen“, heißt es konkret im § 314 BGB. Anbieter müssen es also nicht dulden, wenn ihre Servicemitarbeiter beleidigt werden. Bestehende Verträge dürfen aus wichtigem Grund direkt gekündigt werden. Ein wichtiger Grund ist immer dann gegeben, wenn es einem Vertragspartner unzumutbar ist, an dem Vertrag festzuhalten. Bei einem erstmaligen, verbalen „Ausrutscher“ liegt so ein wichtiger Grund in der Regel noch nicht vor. Hier muss berücksichtigt werden, dass die Beleidigung erst mal nichts mit dem Vertragsgegenstand zu tun hat. Kommen Beleidigungen häufiger vor, dann ist eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt. 

Rücktritt bei Kaufverträgen

Bei Kaufverträgen sieht die Rechtsgrundlage etwas anders aus. Hier ist es wie bei Dauerschuldverhältnissen so, dass die Beleidigung erst mal nichts mit dem eigentlich Vertragsgegenstand zu tun hat. Zahlt der Kunde wie vereinbart den Kaufpreis und wird dann beispielsweise im Rahmen einer Nachfrage beleidigend, ist es also gar nicht so einfach, sich zu lösen. Hier mögen sich manche Unternehmen denken: „Naja, er hat bezahlt, er bekommt die Ware und danach muss ich nichts mehr mit der Person zu tun haben.“ Nachvollziehbar ist es aber auch zu sagen: „Naja, der hat mich beleidigt, ich will gar nicht, dass diese Person von meinem Service Gebrauch macht. Immerhin hat der auch noch zwei Jahre Gewährleistung und eine Garantie gebe ich auch noch. Weiterer Kontakt wäre also möglich.“

Das Gesetz sieht für solche Fall in den §§ 324, 241 BGB ein Rücktrittsrecht vor, wenn die andere Vertragspartei eine Pflichtverletzung begangen hat. Hier kann argumentiert werden, dass neben der Kaufpreiszahlung auch ein respektvoller Umgang miteinander eine Nebenpflicht darstellt. Diese Nebenpflicht wird dann verletzt, wenn die Kundschaft beleidigende Äußerungen tätigt. Ein Rücktritt muss in so einem Fall gegenüber der Kundschaft erklärt werden. Eine Form ist dafür nicht vorgesehen; allerdings ist eine schriftliche Rücktrittserklärung empfehlenswert.

Beleidigungen sind strafbar

Neben den ganzen zivilrechtlichen Fragen gibt es natürlich auch noch die strafrechtlichen Aspekte. Immerhin handelt es sich bei einer Beleidigung um eine Straftat. Auf eine direkte Beleidigung stehen bis zu ein Jahr Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe. Unabhängig von der zivilrechtlichen Lösung kann eine Strafanzeige natürlich jederzeit erfolgen. 

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Über die Autorin

Sandra May
Sandra May Expertin für: IT- und Strafrecht

Sandra schreibt seit September 2018 als juristische Expertin für OnlinehändlerNews. Bereits im Studium spezialisierte sie sich auf den Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrechts. Nach dem Abschluss ihres Referendariats wagte sie den eher unklassischen Sprung in den Journalismus. Juristische Sachverhalte anschaulich und für Laien verständlich zu erklären, ist genau ihr Ding.

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Kommentare  

#1 gourmet-weinhandel 2022-08-20 13:52
mein Gott, es gibt auf beiden Seiten Idioten....
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