Desinfektionsmittel statt Gin, Online-Hundetraining und digitale Barkeeper

Wie Händler mit kreativen Geschäftsideen auf Corona reagieren

Veröffentlicht: 27.04.2020 | Geschrieben von: Tina Plewinski | Letzte Aktualisierung: 27.04.2020
Leuchtende Glühbirnen

Für die meisten Händler – egal ob riesiger Konzern oder kleineres mittelständisches Unternehmen, ob stationär- oder online-fokussiert – ist die Corona-Pandemie eine gigantische Herausforderung. Filialschließungen und Kontaktbeschränkungen haben das Leben und auch das Kaufverhalten der Kunden in vollkommen neue Bahnen gelenkt. Umso erstaunlicher ist es, wie schnell einige Unternehmen reagiert und neue Angebote aus dem Boden gestampft bzw. neue Wege beschritten haben, um sich damit an die veränderten Umstände anzupassen. Wir haben uns einmal umgeschaut und spannende Konzepte herausgepickt.

Vom Destillateur zum Desinfektionsmittel-Hersteller

Vom Büroangestellten zum Destillateur mit eigener Brennerei – das ist in Kurzfassung der Werdegang von Benedikt Brauers, der mit seiner „Wanderer Destillerie“ seit 2016 in Köln aktiv ist. Der Mittelpunkt seiner Arbeit ist normalerweise provenzalischer Gin, den er in Handarbeit aus einem Dutzend südfranzösischer, hocharomatischer Zutaten destilliert und zudem über seinen Online-Shop verkauft. Doch in Zeiten von Corona hat sich Brauers vollkommen neu orientiert und seine Gin-Herstellung vorübergehend eingestellt.

Corona Geschäftsideen WandererDestillerie Desinfektionsmittel Gin

„Ich musste den normalen Betrieb meiner Destillerie aufgrund der aktuellen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus einstellen. Nun habe ich mir überlegt, nicht lange in Selbstmitleid zu versinken und stattdessen vielleicht etwas Sinnvolles gegen die Krise zu tun“, schreibt der Unternehmer auf seiner Website. „Ich versuche meine Wanderer Gin Destillerie schnellstmöglich in einen non-profit Betrieb zur Herstellung von Desinfektionsmittel umzufunktionieren.“ Und das offenbar mit Erfolg.

Wie Brauers auf seiner Seite ausführt, war er in der Lage, aus eigenen Alkoholvorräten sowie Alkoholspenden mehrere Hundert Liter Desinfektionsmittel herzustellen. „Wir haben bereits Pflegeeinrichtungen und Hausarztpraxen sowie eine Firma, die Praxen reinigt und desinfiziert, beliefert“, heißt es auf seiner Seite weiter. Einen kleinen Blick in diese Arbeit und auch auf die Hürden, die dieses Projekt durchaus bereithält, gewährt Benedikt Brauers in einem entsprechenden Video. 

Schutz von Autofahrern: Mercedes entwickelt künftig auch Virenfilter 

Für den Automobilhersteller Daimler ist die Corona-Krise ein Anlass, um neue Wege zu beschreiten. Das Unternehmen versucht sich künftig als Entwickler neuartiger Filter, die in der Lage sind, Menschen vor Viren und Bakterien zu schützen. Bei diesen Hochleistungs-Partikelfilter handelt es sich um sogenannte HEPA-Filter. Entsprechende Pläne offenbarte Markus Schäfer, Leiter des Ressorts Konzernforschung im Vorstand der Daimler AG gegenüber der Bild am Sonntag.

Jägermeister rettet die Nacht und bringt DJs und Barkeeper zu Kunden nach Hause

Der Spirituosen-Hersteller Jägermeister hat im Zuge der Coronakrise ein Projekt aus der Taufe gehoben, das nachtschwärmenden Kunden und Künstlern gleichermaßen zugutekommen sollen. Über die eigens erstellte Plattform save-the-night.com können gelangweilte Nutzer Online-Events buchen, die ihnen etwas Spannung in den eingeschränkten Corona-Alltag (bzw. die Corona-Nächte) bringen sollen: Auf der Website finden sich unterschiedliche Künstler: etwa DJs und Bands, Barkeeper, Magier, Künstler und andere Kreative. Aus vorgegebenen Slots können interessierte Kunden dann eine gewünschte Zeit wählen, zu der sie den jeweiligen „Meister“ buchen möchten – und zwar ganz kostenlos. Die gebuchten Auftritte finden dann über Dienste wie Skype oder Zoom statt und dauern jeweils eine halbe Stunde.

Corona Geschäftsideen Jaegermeister SaveTheNight

„Das Nachtleben ist in der Corona-Krise nahezu weltweit zum Erliegen gekommen. Darunter leiden Millionen von Menschen, die in den Clubs, Bars und der verbundenen Kreativszene mit Leidenschaft arbeiten und ihren Lebensunterhalt verdienen“, erklärt Jägermeister den Grund für das Projekt. 

Die Bezahlung der Künstler übernimmt Jägermeister nach eigenen Angaben selbst. Die Kunden haben darüber hinaus die Möglichkeit, ihre gebuchten Künstler mit Micro-Transaktionen über PayPal zu unterstützen, also quasi eine Art Trinkgeld zu geben. „Die Idee hinter den Meister Drop In’s ist simpel. Sie bringt Leute wie mich, die nicht arbeiten können, über wenige Klicks mit Menschen überall auf der Welt zusammen, die sich nach Unterhaltung sehnen und Partys feiern wollen. Wir können arbeiten und virtuelle Partygänger werden unterhalten“, kommentiert Barmixer Florian Beuren, der selbst als „Meister“ am Projekt teilnimmt. 

Breuninger setzt auf virtuelle Beratung aus den Filialen

Auch beim Bekleidungsanbieter Breuninger blieben die Pforten in den vergangenen Wochen geschlossen. Um Kunden neben dem hauseigenen Online-Shop eine zusätzliche Unterstützung beim Einkauf bieten zu können, hat das Unternehmen einen interaktiven Bestell- und Beratungsservice eingeführt. Dieser war zuvor erfolgreich getestet und schließlich Mitte April ausgerollt worden.

Corona Geschäftsideen Breuninger VirtuelleBeratung Pressefoto obsE.BreuningerGmbHCoc

„Ab sofort informieren und beraten die Breuninger Stilexperten virtuell von der Verkaufsfläche aus den Häusern – individuell und persönlich zugeschnitten auf den jeweiligen Kundenwunsch“, heißt es in der entsprechenden Pressemitteilung. Die Verkaufsberater stammen dabei aus den Flagship-Stores in Stuttgart und bieten Dienste wochentags zwischen 10 und 17 Uhr an. Die angebotene Beratung betrifft übrigens nicht nur modische Belange in textiler Form, sondern auch Frisuren, wie das Unternehmen weiter mitteilt: „Auch die Breuninger Friseure nehmen digital Beratungen vor sowie Produktbestellungen entgegen.“

Kunden, die nicht aus dem Raum Stuttgart kommen, jedoch ebenfalls eine Beratung aus ihrer eigenen Region in Anspruch nehmen wollen, können den Kundenservice des Modehändlers kontaktieren und ebenfalls einen individuellen Beratungstermin vereinbaren. Dies betrifft die Breuninger-Häuser in Düsseldorf und Erfurt, Freiburg und Frankfurt, Karlsruhe, Leipzig,  Ludwigsburg sowie Nürnberg, Reutlingen und Sindelfingen. Entscheiden sich Kunden grundsätzlich für ein Produkt aus der Beratung, wird ihnen die entsprechende Sendung unmittelbar in den Breuninger-Filialen gepackt, sodass sie ihre Bestellungen innerhalb von zwei bis sechs Werktagen per Paket erhalten.

Sekthersteller Freixenet ruft zum virtuellen Tasting und Online-Swing-Konzert 

Corona Geschäftsideen Freixenet Sekt

Entspannte Treffen mit Freunden sind in Zeiten von Corona nicht möglich – ebenso wie genussvolle Tastings. Doch der Sekthersteller Freixenet will Kunden dennoch beides ermöglichen: und zwar mithilfe von selbst organisierten, virtuellen Tastings von Zuhause aus, die über Videokonferenzen stattfinden. 

Grundlage eines solchen Abends ist ein Sekt-Probierpaket, das der Hersteller im hauseigenen Online-Shop anbietet. Darin enthalten sind neben drei verschiedenen Schaumwein-Flaschen à 0,75 Liter auch drei Sektverschlüsse sowie ein Aromarad. Ergänzt wird das Probierpaket durch eine ganze Reihe von Online-Videos, welche die Sektverkoster Schritt für Schritt durch das Tasting führen sollen: angefangen beim Clip „Vorbereitung ist alles“ bis hin zu den eigentlichen „Tasting“-Videos. 

Neben dem virtuellen Tasting hat Henkell Freixenet noch andere Ideen auf Lager, um Kunden trotz Social Distancing bei Laune zu halten und zu binden: So veranstaltete der Alkoholproduzent Ende März beispielsweise die erste virtuelle Kuemmerling-Kneipe, in der User nach Aussagen des Unternehmens „gemeinsam online anstoßen und neue Kontakte knüpfen“ konnten. Gerade in Zeiten wie diesen sei Zusammenhalt wichtig und diesen Gedanken wolle das Unternehmen mit entsprechenden Projekten stützen.

Hasbro und Brandnooz bringen Spieleabend-Boxen an den Start

Der Spielwarenhersteller Hasbro und der Food-Boxen-Anbieter Brandnooz haben sich zusammengetan. In nur zweieinhalb Wochen haben sie demnach ein gemeinsames Angebot entwickelt, mit dem sie gezielt Familien, Paare und WGs ansprechen und ihnen die heimische Langeweile nehmen wollen. Dazu haben sie insgesamt fünf Boxen kreiert, die neben Snacks und Getränke auch jeweils ein Gesellschaftsspiel enthalten.

Corona Geschäftsideen Hasbro Brandnoo SpieleabendBoxen

„Ob die Brettspiel-Klassiker Spiel des Lebens oder Monopoly, Twister mit der Aufforderung zum Verknoten, das Knetspiel Bunte Donuts von Play-Doh oder das Kartenspiel Monopoly Deal – hier ist für Groß und Klein etwas dabei“, schreibt das Unternehmen. Die neuen Spieleabend-Boxen sind demnach nur in einer limitierten Auflage in Höhe von 3.000 Stück erhältlich.

„Der Lockdown hat in vielen Ländern zu einer nochmaligen Nachfragesteigerung nach Spielen geführt. Der stationäre Handel darf aber leider nur eingeschränkt agieren. In dieser Situation hat brandnooz mit seinen Spieleabend Boxen eine tolle Idee gehabt, um dem aktuellen Wunsch nach Unterhaltung und Zerstreuung gerecht zu werden“, sagt Hasbro Deutschland-Geschäftsführer Markus Großweischede. Und wie es scheint, treffen die Boxen durchaus den Nerv der Verbraucher, denn die Spieleabend-Box mit Monopoly ist nach aktuellem Stand beispielsweise schon ausverkauft.

Fynn Kliemann: Vom Sänger und Fashion-Händler zum Masken-Produzenten

Corona Geschäftsideen FynnKliemann Masken

Fynn Kliemann ist einigen als Handwerker und Sänger bekannt. In seinem Online-Shop oderso.cool verkauft er neben CDs, Hoodies und Accessoires seit einigen Wochen allerdings auch wiederverwendbare Mund-Nasen-Masken. „Ich finde es eine Frechheit, sich an solch einer Krise zu bereichern“, schreibt der norddeutsche Jung auf seiner Website. 

Fairness steht beim Handel mit den Masken für den Künstler im Mittelpunkt – und zwar sowohl für die Produzenten als auch für die Kunden. Die Masken werden nach eigenen Aussagen zu fairen Bedingungen produziert und zu fairen Preisen verkauft: Ab 2,20 Euro das Stück. Auf diesem Wege wolle er seinen eigenen Beitrag zur aktuellen Covid-19-Eindämmung leisten. „Die Mundbedeckung kostet 1/10 von den Masken der überteuerten Profitgeier und rettet ganz nebenbei Arbeitsplätze bei unserem Produzenten in Europa, der sonst aufgrund der Folgen der Ausbreitung des Coronaviruses hätte schließen müssen.“

Auch speziell Pflege- und medizinische Einrichtungen hat Kliemann dabei im Blick. Entsprechende Institutionen können sich bei Bedarf via Mail an den Händler wenden und bis zu Zehntausende Masken bestellen können.

Neue Plattform: Abholhelden.de will Gastronomen helfen

Die Coronakrise rückt nicht nur neue Produkte oder Angebote in den Blick, sondern bringt auch vollkommen neue Plattformen hervor. Eine davon ist Abholhelden.de, das sich selbst als „umfassendes Takeaway-Portal“ bezeichnet und Gastronomen in Deutschland unter die Arme greifen will. „Durch die Coronakrise sehen sich alle Gastronomen mit dem gleichen Problem konfrontiert. Sie dürfen nicht öffnen, die Umsätze brechen weg, die Kosten laufen weiter.“ Und genau dieses Problem will die neue Plattform lösen.

Restaurant-Betreiber können sich bei Abholhelden.de anmelden und ihre Menüs kostenlos online inserieren. Kunden können diese dann bestellen und sich ihre gewählten Speisen im Anschluss abholen. Die Handhabung soll dabei für die Gastronomen selbst möglichst ohne Aufwand sein: Das heißt, nicht nur die Bestellung, sondern auch die Bezahlung und die Erstellung eines entsprechenden Belegs werden durch die Plattform selbst abgewickelt. Auf diese Weise sollen sich die teilnehmenden Wirte und Küchenchefs auf die eigenen Prozesse im Restaurant konzentrieren können. Nach einer komplett kostenlosen Einführungsphase falle für die Gastronomen ab dem 2. Mai lediglich eine geringe Umsatzprovision an.

„Intelligente Terminierungs- und Streckenplanungsfunktionen minimieren zudem die Wartezeit vor Ort. Die Gastwirte können die Auslastung besser verteilen, die Planbarkeit für alle Beteiligten erhöht sich. Somit entfällt nicht nur die Gefahr von Fake-Bestellungen, auch das Thema kontaktloses Bezahlen und die Problematik von Warteschlangen [...] werden berücksichtigt und gelöst“, heißt es weiter. Als ersten prominenten Unterstützer und Nutzer konnten sich die Macher von Abholhelden den Sternekoch Alexander Herrmann sichern, der in einem Video die Plattform noch einmal erklärt: 

Online-Kurs für gelangweilte Hunde und Besitzer 

Corona Geschäftsideen Hunde Clickertraining Rehabilitiere

Auch für Hundebesitzer ist die Corona-Zeit nicht unbedingt leicht. Viele Hunde vermissen ihre tierischen Spielgefährten und langweilen sich in der heimischen Isolation. Doch auch an dieser Stelle gibt es Projekte, die helfen wollen. Die Website für Hundeerziehung und Hundetraining Rehabilitiere.de bietet interessierten Besitzern einen kostenlosen Corona-Clicker-Online-Kurs.

„Eigentlich läuft alles genauso, wie es auch in einer echten Hundestunde laufen würde: Mehrere Teilnehmer mit ihrem Hund wollen lernen, wie Clickern geht und besuchen den Clickerkurs. Wir erarbeiten das Konditionieren und den Aufbau des Clickers und machen dann Übungen aus den verschiedenen Einsatzmöglichkeiten. Nur eben via virtuellem Raum“, erklären die Macher das Prozedere. Jeden Tag gibt es dazu eine kleine Trainingseinheit zwischen 20 und 60 Minuten sowie Hausaufgaben für Mensch und Vierbeiner. Was man zur Teilnahme braucht, ist nicht viel: „Einen Clicker, sehr hochwertige, kleine Futterbelohnungen, einen Hund, etwa 2 qm Platz“.

Digitale Showrooms: Alfa Romeo, Fiat, Jeep und Abarth setzen auf Online-Videos

Auf geschlossene Autohäuser und fehlende Besucher reagiert die Automobilbranche zum Teil mit digitalen Lösungen. Alfa Romeo, Fiat, Jeep und Abarth – alles Marken von FCA Germany – haben sich nach eigenen Aussagen entsprechend aufgestellt: Sie wollen Kunden „völlig kontaktlos und sicher im Internet“ erreichen; und zwar mit Online-Showrooms. Dabei handelt es sich um ausführliche Videos, in denen die Produktmanager die meistverkauften Modelle der Automarken vorstellen und dabei nicht nur die wichtigsten Merkmale aufzeigen, sondern auch Ausstattungsdetails beleuchten.

Corona Geschäftsideen Jeep Autos Showroom

Dabei soll es allerdings nicht bleiben. Auch die Händler der entsprechenden Marken werden aktiv und organisieren für Kunden Video-Calls, in denen sie sich persönlich beraten lassen können, Antworten auf ihre Fragen erhalten und Hilfe bei der Konfiguration ihres Wunschfahrzeugs bekommen. Auch in Fragen von Finanzierungslösungen sollen solche Video-Calls hilfreich zum Einsatz kommen.

Neben den genannten Projekten gibt es noch eine große Vielzahl weiterer gelungener Projekte und Geschäftsideen, die in Zeiten von Corona quasi aus der Not heraus entstanden sind. Die herausgepickten Beispiele haben nicht den Anspruch vollständig oder die vielversprechendsten ihrer Art zu sein. Sie sollen lediglich zeigen, wie unterschiedlich die Ideen und Herangehensweisen von Unternehmen sein können und dass selbst die Not manchmal Gutes hervorbringt. Und es darf auch nicht vergessen werden: Digitale Grundsteine und Services, die derzeit gelegt werden, haben auch nach Covid-19 Potenziale, erfolgreich zu sein. 

Über die Autorin

Tina Plewinski
Tina Plewinski Expertin für: Amazon

Bereits Anfang 2013 verschlug es Tina eher zufällig in die Redaktion von OnlinehändlerNews und damit auch in die Welt des Online-Handels. Ein besonderes Faible hat sie nicht nur für Kaffee und Literatur, sondern auch für Amazon – egal ob neue Services, spannende Technologien oder kuriose Patente: Alles, was mit dem US-Riesen zu tun hat, lässt ihr Herz höherschlagen. Nicht umsonst zeigt sie sich als Redakteurin vom Dienst für den Amazon Watchblog verantwortlich.

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