Themenreihe Marktplätze

Online-Shop oder Marktplatz? Die Grundsatzfrage im E-Commerce

Veröffentlicht: 28.09.2023 | Geschrieben von: Michael Pohlgeers | Letzte Aktualisierung: 08.11.2023
Online-Shop auf einem Laptop

Dieser Artikel ist Teil unserer Marktplatz-Themenreihe: Diese beleuchtet in verschiedenen Beiträgen nicht nur wichtige Zahlen und Fakten von Amazon, Ebay und Co., sondern stellt Händlerinnen und Händlern auch Tipps rund um Marketing, Anzeigen, SEO oder Internationalisierung auf Marktplätzen bereit. Außerdem finden sich Erfahrungsberichte und Interviews zu spezifischen Online-Plattformen wie Temu, Wish und Shein.
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Wer online Waren verkaufen möchte, hat verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl. Die grundlegendste Frage ist, ob ein eigener Online-Shop oder eine Präsenz auf einem Marktplatz dafür genutzt werden soll. Beide Kanäle haben ihre eigenen Vor- und Nachteile, die bei der Wahl berücksichtigt werden sollten, um die beste Lösung für das eigene Unternehmen und die eigenen Anforderungen zu finden. 

Aufwand des Einstiegs

Online-Marktplätze bieten einen vergleichsweise schnellen, günstigen und unkomplizierten Einstieg. Das bedeutet, dass Unternehmerinnen und Unternehmer ihre Ware zunächst relativ einfach über eine Plattform anbieten können. Wer einen eigenen Online-Shop aufbauen möchte, um den Online-Verkauf zu starten, steht dagegen vor einer etwas größeren Herausforderung. Denn in diesem Fall muss ein Shopsystem gewählt, die Seite aufgesetzt, und letztlich auch jeder Prozess selbst etabliert werden. 

Neben dem eigentlichen Anlegen beziehungsweise Aufbau des Shops kommt noch ein zweiter Faktor früh zum Tragen: Marktplätze haben bereits eine große Reichweite und eine feste Kundschaft, die über die Plattform Produkte entdeckt und einkauft. Ein eigener Online-Shop muss zunächst eine Reichweite generieren – bis zum ersten Verkauf kann es also entweder länger dauern, oder es wird teurer, weil SEA-Anzeigen gebucht werden müssen, um die potenzielle Kundschaft zu erreichen. 

Insgesamt lässt sich also festhalten, dass der Einstieg über einen Online-Marktplatz zumindest im ersten Moment günstiger und einfacher ist. Ein eigener Shop ist durch Shopsystem, Warenwirtschaftssystem, Marketing etc. im ersten Moment daher deutlich teurer – und das Risiko damit höher. 

Langfristig kann ein Marktplatz zumindest den initialen Kostenvorteil verlieren: Häufig fällt eine monatliche Gebühr für das Konto an. Dazu kommen Provisionen für jeden Verkauf. Zwar kosten auch die einzelnen Tools und SaaS-Lösungen beim Betrieb eines eigenen Shops etwas, aber je nach Verkaufsmenge kann sich hier schnell ein Kostenvorteil entwickeln. 

Teil der Masse oder individueller Auftritt?

Wer auf einem Marktplatz verkauft, muss sich darüber im Klaren sein, dass ein Aufbau von Markenbekanntheit und Loyalität kaum möglich ist. Zwar gibt es von den Plattformen in den vergangenen Jahren immer wieder Bemühungen, dass die einzelnen Händlerinnen und Händler sich besser präsentieren können. Trotzdem stehen für die Kundschaft die Produkte im Fokus. Der Name des Verkaufsaccounts dürfte den wenigsten ins Auge fallen. Ein eigener Online-Shop bietet dagegen die Möglichkeit, die eigenen Marke stärker dazustellen und damit auch direkte Kundenloyalität aufzubauen – das ist aber mit einem höheren Aufwand verbunden.

Die Kehrseite der Medaille

Der größte Nachteil an Online-Marktplätzen ist, dass die Gestaltungsmöglichkeiten auf den Plattformen vergleichsweise eingeschränkt sind. Die Shopgestaltung wird durch Vorgaben und das Layout der Plattformen bereits relativ starr vorgegeben. Auch die Auswahl der Zahlungsarten und Lieferdienste ist in der Regel durch den jeweiligen Marktplatz eingegrenzt – freie Entscheidungsgewalt haben Händlerinnen und Händler hier in der Regel nicht. 

Besonders spannend wird es in Fällen, in denen die Plattformen ihre Geschäftsbedingungen ändern. Hier sitzt man als Verkäuferin oder Verkäufer am kürzeren Hebel und hat die Wahl, die neuen Regeln zu akzeptieren oder sich nach einer neuen Plattform umzusehen. Verhandlungsspielraum gibt es hier generell keinen – sollten neue Regeln aber derart negativ für Händlerinnen und Händler ausfallen, dass diese protestieren und quasi streiken, können die Plattformen zum Einlenken bewegt werden. In der Vergangenheit gab es jedoch nur wenige Beispiele, wo das der Fall war, etwa bei Ebay's versuchter Änderung der Bilderrichtlinie auf dem Marktplatz. 

Besondere Vorsicht ist bei Marktplätzen geboten, die selbst Produkte verkaufen. Denn hier gehört die Plattform selbst de facto zur Konkurrenz der einzelnen Händlerinnen und Händler. Hier kann schnell ein Ungleichgewicht entstehen, dass stark zum Nachteil der einzelnen Verkaufspartner ausfällt. Amazon wurde beispielsweise in der Vergangenheit schon kritisiert, gut laufende Produkte von Drittanbietern kopiert, selbst angeboten und die Angebote der Drittanbieter in der Suche benachteiligt zu haben. 

Auch rechtlich gesehen ist das Handeln auf Marktplätzen nicht immer einfach: Wie erwähnt, geben Marktplätze einen strikten Rahmen vor. Zeichenbegrenzungen und auch die Art, wie Informationen dargestellt werden, ermöglichen es nicht immer, alle Rechtstexte so einzubauen, dass es den Vorgaben aus dem Gesetz entspricht. Eine weitere Tücke sind die Vorgaben aus der Preisangabenverordnung: Bei jeder Preisdarstellung muss bei grundpreispflichtiger Ware der Grundpreis angegeben werden. Auch der Hinweis auf die bereits enthaltene Mehrwertsteuer darf nicht fehlen. Nicht auf jedem Marktplatz werden die Preise aber so korrekt dargestellt – und das, obwohl alle Informationen korrekt hinterlegt wurden. Obwohl die verkaufenden Unternehmen nichts dafür können, kann das zu einer Abmahnung führen. Die Haftung für solche Fehler wird von Gerichten damit begründet, dass die Händlerinnen und Händler nicht gezwungen sind, auf einer Plattform zu handeln, die die gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht erfüllt. Die Umsetzung der rechtlichen Rahmenbedingungen im eigenen Online-Shop ist hingegen einfacher, da man hier nahezu die volle Gestaltungsfreiheit genießt.

Wer die Wahl hat, hat die Qual

Sollte die Entscheidung nun für einen Marktplatz-Shop ausgefallen sein, steht die nächste Herausforderung bevor: die Wahl des richtigen Marktplatzes. Denn Plattformen gibt es quasi wie Sand am Meer und neben den großen Anbietern wie Amazon, Ebay, Kaufland, Etsy, Otto und Allegro stehen Händlerinnen und Händlern noch unzählige weitere Plattformen zur Verfügung, die sich mehr oder weniger stark spezialisiert haben. 

Hier müssen verschiedene Faktoren berücksichtigt werden, um die perfekte Plattform für das eigene Geschäft zu finden:

  • die Kostenstruktur bzw. Provision für den Verkauf auf dem Marktplatz
  • Gestaltungsspielraum für die eigenen Angebote
  • vorhandene Schnittstellen zum Marktplatz im eigenen Shop- bzw. Warenwirtschaftssystem
  • Vermarktungsmöglichkeiten für die eigenen Produkte
  • Zielgruppe: Wie spezialisiert ist der Marktplatz und passt er zu meinem Angebot?

Hier ergeben sich theoretisch unendlich viele Fragen, von denen die wichtigsten vorab geklärt werden sollten. 

Ein paar letzte Worte

Auch wenn man sich für einen Marktplatz-Shop entscheidet und diesen erfolgreich aufbaut, lohnt es sich, auch alternative Verkaufskanäle zu bedienen. Denn ein Marktplatz kann sich schnell verändern und das eigene Geschäft von einem auf den anderen Tag unter Druck geraten. Dramatisch wird es, wenn der Verkaufsaccount ohne Vorwarnung gesperrt wird und es sich dabei um den einzigen Absatzkanal gehandelt hat. Wer sich auf mehreren Plattformen und vielleicht sogar mit einem eigenen Shop aufstellt, kann solche Fälle dann noch abfedern. 

Dieser Artikel ist Teil unserer Themenreihe Marktplätze. Eine Übersicht über die wichtigsten Plattformen, Erfahrungsberichte und weitere Artikel zu verschiedenen Marktplatzthemen findet ihr auf unserem Themen-Hub zur Reihe! >> Zur Themenreihe Marktplätze

Über den Autor

Michael Pohlgeers
Michael Pohlgeers Experte für: Marktplätze

Micha gehört zu den „alten Hasen“ in der Redaktion und ist seit 2013 Teil der E-Commerce-Welt. Als stellvertretender Chefredakteur hat er die Themenauswahl mit auf dem Tisch, schreibt aber auch selbst mit Vorliebe zu zahlreichen neuen Entwicklungen in der Branche. Zudem gehört er zu den Stammgästen in unseren Multimedia-Formaten, dem OHN Podcast und unseren YouTube-Videos.

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Kontaktieren Sie Michael Pohlgeers

Kommentare  

#1 Dirk 2023-09-29 12:39
Ich verstehe das "entweder oder" nicht.
Tatsächlich gibt es heute genug ERP-Systeme mit Multichannel-Op tion, wo die Angebote des eigenen Shops auch direkt an Plattformen wie Ebay etc. ausgespielt werden.

Wir haben auch vor 18 jahren direkt zweigleisig begonnen - mit Ebay und parallel mit dem eigenen Shop und markanter Domain. Natürlich war der Umsatz anfangs über Ebay um ein Vielfaches höher, denn die Bekanntheit des eigenen Shop muss sich erst mal aufbauen - und SEO war damals und ist auch heute noch ein trickreiches Geschäft ohne Garantien.
Mittlerweile hat sich das Umsatzverhältni s deutlich umgedreht und Ebay ist eigentlich nur noch ein Nebengeschäft - verbunden mit vielen nervigen Vorgaben und Änderungen, die immer wieder umzusetzen sind.
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