Wie aus einem Makel eine Art Gütesiegel wurde – und wie man richtig damit wirbt

Das Prädikat „Made in Germany“

Veröffentlicht: 13.08.2020 | Geschrieben von: Tina Plewinski | Letzte Aktualisierung: 13.08.2020
Deutschlandfahne in einer Hand

Der Begriff „Made in Germany“ hat eine lange Tradition. Viele deutsche Hersteller vermarkten ihre Produkte mit Stolz unter diesem Banner – und können damit auch im Ausland viele Kunden überzeugen. Nicht umsonst, denn kein anderer Staat auf der Welt scheint mit Produkten aus dem eigenen Land so gut bei den Verbrauchern anzukommen wie Deutschland. Dennoch sollten Unternehmen mit einer entsprechenden Bezeichnung nicht sorglos werben – denn es gibt dabei auch rechtliche Fallstricke!

Ob Waschmaschinen von Bosch, Uhren von Glashütte Original, Werkzeuge von Würth oder Backformen von Dr. Oetker: Viele Unternehmen werben für ihr Sortiment – oder zumindest einige Produkte – mit dem Label „Made in Germany“. Und das hat auch seinen Grund: Denn die Herkunftsbezeichnung gilt als Aushängeschild – nicht nur hierzulande, sondern weit über die Ländergrenzen hinaus und quasi auch am anderen Ende der Welt.

Kein anderes Land genießt einen so hohen Status

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Wie weit das Vertrauen in deutsche Produkte geht, die unter diesem Label hergestellt und vertrieben werden, zeigt auch ein Blick auf den so genannten Made-In-Country-Index. Dieser gibt Auskunft darüber, wie Produkte weltweit wahrgenommen werden, die mit einer bestimmten Herkunftsbezeichnung versehen sind: Und im Rahmen dieses Rankings nahm Deutschland im Jahr 2017 den ersten Rang ein. Heißt: In keine anderen Produkte aus einem bestimmten Herkunftsland haben Verbraucher auf der ganzen Welt mehr Vertrauen als in Waren, die das „Made in Germany“-Label tragen.

Unter den Top 5 finden sich außerdem die Schweiz, die Europäische Union, Großbritannien und Schweden. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass viele EU-Staaten im Ranking gut abschneiden. Die ersten außereuropäischen Länder sind Kanada auf Platz sechs, Japan auf Rang acht und die USA auf der zehnten Position. Bangladesh, China und Iran bilden hingegen mit 29, 28 und 27 von 100 möglichen Punkten die Schlusslichter.

Qualität, Technologie und Sicherheit – Das verbinden Menschen mit dem Label „Made in Germany“

Wenn Unternehmen mit „Made in Germany“ werben, dann wollen sie den Kunden gleich auf den ersten Blick zeigen, dass sie ganz besondere Produkte im Angebot haben. Viele Verbraucher wissen dann sofort, dass es sich um Erzeugnisse handelt, denen ein hoher Qualitätsstandard nachgesagt wird: gefertigt aus hochwertigen Materialien, sauber verarbeitet und langlebig. Die Einstufung als grundsätzlich „hochwertig“ ist aber doch recht vage – daher hat sich der Made-In-Country-Index nicht nur mit der Frage beschäftigt, welche Herkunftsländer bei Verbrauchern besonders hoch im Kurs stehen, sondern auch, welche Eigenschaften sie mit „Made in Germany“ verbinden.

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Die Statistik belegt die Einordnung des Labels als eindeutiges Qualitätsmerkmal: Jeder Zweite der rund 43.000 Befragten (49 Prozent) gab demnach an, mit Produkten aus Deutschland eine hohe Qualität zu verbinden. Mit 42 Prozent scheint der Aspekt der fortschrittlichen Technologie ebenso relevant zu sein wie die hohen Sicherheitsstandards, die mit Made-in-Germany-Produkten verbunden werden (32 Prozent).

Als weitere Faktoren werden noch ein exzellentes Design (30 Prozent), ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis (22 Prozent), Authentizität (21 Prozent) sowie die Eigenschaft als Statussymbol (20 Prozent) genannt. Eine eher untergeordnete Rolle scheinen allerdings der Faktor der Einzigartigkeit, die Nachhaltigkeit und eine faire Produktion zu spielen.

„Made in Germany“ war als Abschreckung geplant

Während der deutsche Ländervermerk heutzutage großes Ansehen genießt, war das bei Weitem nicht immer so – denn er blickt auf eine kuriose Entstehung und Entwicklung zurück: Den Anfang nahm „Made in Germany“ in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und somit in einer Zeit, in der durch die einsetzende Industrialisierung auch die Exporte zunahmen. Deutsche Waren hatten damals einen eher schlechten Ruf – sie galten als qualitativ minderwertig.

Um europäische Verbraucher vor entsprechenden Produkten (aus Deutschland) zu schützen, wurden Richtlinien auf den Weg gebracht: Ende der 1880er Jahre beschloss das englische Parlament beispielsweise den sogenannten Merchandise Marks Act, nach dem auf Produkten zwingend das Herkunftsland vermerkt werden musste. Dies sollte verhindern, dass deutsche Hersteller die britischen Verbraucher über den Ursprung importierter Waren aus Deutschland täuschten. Zu Anfang der 1890er Jahre wurde dann außerdem das „Madrider Abkommen“ vereinbart, in dem die Unterdrückung falscher Herkunftsangaben auf Waren geregelt wurde. Hierbei handelte es sich um eine internationale Übereinkunft, die die Angabe der regionalen Herkunft auf Produkten grenzüberschreitend festlegen sollte. Entsprechende Vorschriften beim Import von Waren sollen die Verbraucher auch heute noch schützen.

Obgleich der „Made in Germany“-Vermerk also als Negativkennzeichnung angedacht war, wandte sich das Blatt: Denn viele Produkte aus Deutschland wurden mit zunehmend besserer Qualität gefertigt, sodass der vermeintliche Makel schon bald als Qualitätskennzeichnung galt.

Die rechtliche Krux mit „Made in Germany“

Nun stellt sich die Frage, wann genau ein Produkt mit der Herkunftsbezeichnung „Made in Germany“ versehen werden darf: Müssen dazu alle Bestandteile ausnahmslos aus Deutschland kommen? Oder darf die Zusammensetzung gemischter Herkunft sein? Und wie sieht es mit der Fertigung aus? Heutzutage sind schließlich die wenigsten Produkte von den verwendeten Ressourcen bis über alle herstellerischen Prozesse in einem einzigen Land verortet – eine internationale Arbeitsteilung bringt schließlich auch Vorteile mit sich. Doch gibt es einen festgelegten Prozentsatz an Arbeitsprozessen, die in Deutschland erfüllt werden müssen?

Ganz einfach sind diese Fragen definitiv nicht zu beantworten, denn ein Gesetzestext, in dem dies ganz klar, konkret und zweifelsfrei geregelt ist, fehlt. Wie die IHK Stuttgart auf ihrer Website schreibt, finden sich nationale Regelungen rund um das Thema „Made in Germany“ im so genannten UWG, dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, in seiner aktuellen Fassung nicht mehr. In einer früheren Fassung allerdings schon. „Dies liegt daran, dass dort Ursprung und Herkunft, vermutlich aufgrund eines Übersetzungsfehlers der EU-Richtlinie verwechselt wurden.“ 

Fest steht: Grundsätzlich darf der Kunde über den Ursprung eines Produkts nicht getäuscht werden. Schließlich würden dadurch „möglicherweise falsche Erwartungen bezüglich der Qualität und Zuverlässigkeit“ geweckt werden. Wirbt ein Händler also – ob bewusst oder unbewusst – mit falschen geografischen Herkunftsangaben eines Produkts, ist dies als irreführende Angabe einzustufen und kann aus sowohl aus wettbewerbsrechtlicher als auch aus markenrechtlicher Sicht abgemahnt werden. Mit einer entsprechenden Abmahnung kann dann auch eine Unterlassungserklärung sowie eine Schadensersatzforderung einhergehen.

In der rechtlichen Praxis geht es um den „zentralen Produktionsvorgang“

Obwohl also klärende Gesetzestexte fehlen, gibt es allerdings bereits einige Gerichte, die sich mit der rechtmäßigen Verwendung des „Made in Germany“-Vermerks auseinandergesetzt haben. Zumeist ging es in den entsprechenden Prozessen um die Frage, ob ein Unternehmen die Bezeichnung unzulässigerweise genutzt und sich dementsprechend einer irreführenden Werbung schuldig gemacht hatte.

Das OLG Köln urteilte im Juni 2014 beispielsweise folgendermaßen (6 U 156/13): „Nach der Rechtsprechung ist es in Übereinstimmung mit der Literatur für die Bezeichnung ,Made in Germany‘ nicht erforderlich, dass die Ware zu 100 %, vom gedanklichen Entwurf bis zur endgültigen Fertigstellung, in Deutschland produziert wird. Notwendig, aber auch ausreichend ist vielmehr, wenn der zentrale Produktionsvorgang, bei dem die Ware ihre aus Verkehrssicht wesentlichen Bestandteile oder bestimmenden Eigenschaften erhält, im Inland stattfindet bzw. auf einer deutschen Leistung beruht.“

Was genau mit dem genannten „zentralen Produktionsvorgang“ gemeint ist, hängt natürlich mit dem jeweils betrachteten Produkt zusammen. Geht es um ein Kleid, das aus australischer Merinowolle besteht, jedoch erst in Deutschland gestrickt wurde, so kann dieses Kleid dann im Rahmen des Verkaufs als „Made in Germany“-Produkt gekennzeichnet werden. Gleiches gilt auch für Autos, bei denen nicht alle Einzelteile aus Deutschland kommen: Wichtig ist, dass die Zusammensetzung und endgültige Zusammenbau hierzulande getätigt wurde. Kommen hingegen alle Teile einer Maschine aus Deutschland, diese wurden allerdings im Ausland zusammengesetzt, darf das fertige Produkt den Vermerk nicht erhalten.

Übrigens: Im Jahr 2013 gab es Bemühungen der EU-Kommission, genauer gesagt der zuständigen Binnenmarktabteilung, die Richtlinien rund um das „Made in Germany“-Label zu verschärfen. Zahlreiche deutsche Hersteller sahen damals ihre „Made in Germany“-Produkte in Gefahr. Bisher sind entsprechende Vorhaben aus der Politik (inklusive einer verpflichtenden EU-weiten „Made in …“-Angabe für fast alle Produkte) nicht bis zur Marktreife gelangt.

Und wo bekommen Händler das „Made in Germany“-Siegel her?

Eine zentrale oder gar staatliche Anlaufstelle für eine „Made in Germany“-Zertifizierung gibt es bislang nicht. Stattdessen stehen Herstellern eine Reihe verschiedener Dienstleister zur Verfügung, die eine solche Prüfung und anschließende Zertifizierung vornehmen, darunter etwa madeingermany.online, german-ma.de, das Deutsche Institut für Qualität und Zertifizierung (DIQZ) oder auch TÜV Nord. 

Im Rahmen des Zertifizierungsprozesses und eigener Prüfverfahren untersuchen die Anbieter dann, ob die entsprechenden Produkte eines Herstellers geeignet sind, um das „Made in Germany“-Label zu tragen. Das DIQZ gibt beispielsweise an, dass dabei nachgewiesen werden muss, „dass mindestens 50 Prozent der Wertschöpfung eines Produktes oder einer Produktgruppe einschließlich inländischer Zulieferer aus dem deklarierten Herkunftsland stammen“.

Auch TÜV Nord und madeingermany.online verweisen auf ihren Websites auf diese 50-Prozent-Hürde, wobei letzterer Anbieter sogar einen prozentualen Mindestanteil von 51 Prozent angibt. Das in der rechtlichen Praxis angewandte Prinzip des „zentralen Produktionsvorgangs“ findet hier keine Anwendung – dies dürfte auch als rechtliche Absicherung der Dienstleister zu verstehen sein.

Darüber hinaus stellt der TÜV als weitere Anforderung der Zertifizierung heraus, dass der jeweilige Hersteller nachweisen muss, dass er mindestens drei Jahre am Markt aktiv ist und die zu zertifizierenden Produkte den gesetzlichen Mindestanforderungen entsprechen, was die Sicherheit angeht. Aus einem Schaubild des Unternehmens wird schnell deutlich, dass das Verfahren durchaus komplex ist und von spezialisierten Fachkräften begleitet wird.

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Wie lange die Zertifizierung letztendlich dauert, hängt vom individuellen Aufwand ab: Als entsprechende Kriterien nennt das DIQZ beispielsweise die Zahl der Produktvarianten, die Komplexität der Leistung, die Anzahl der Unternehmensstandorte und Mitarbeiter sowie die Durchführung von Forschung und Entwicklung.

Händler sollten sich nicht mehr allein auf dem Image ausruhen

Ein Fakt, der an dieser Stelle jedoch nicht unter den Teppich gekehrt werden sollte, ist die Tatsache, dass die jüngsten weltpolitischen Entwicklungen nicht ganz spurlos am „Made in Germany“-Image vorbeigegangen sind: US-Präsident Donald Trump stärkt beispielsweise den Patriotismus in den USA seit seinem Amtsantritt. Durch entsprechende Kampagnen und Slogans wie „America First“ wollen Trump-Anhänger laut einer aktuellen Studie von Globeone mehr amerikanische Produkte (76 Prozent) und weniger deutsche Marken (46 Prozent) kaufen. Auch die deutsche Automobilbranche, vor allem wohl hiesige Automarken wie VW, haben durch den Dieselskandal an Ansehen verloren. 

Deutsche Unternehmen, die „Made in Germany“-Produkte herstellen und anbieten, sollten sich also nicht auf dem gewachsenen Positivimage des Labels ausruhen, sondern die Vorteile und hohen Qualitätsstandards ihrer Waren auch aus Marketingsicht klar herausstellen und kommunizieren. Hierbei geht es nicht allein um die objektive Informationsvermittlung – wichtig ist auch das Storytelling, also dass die Unternehmen zeigen, wer sie sind und welche Geschichten hinter ihren Produkten stecken. Eine solche Strategie kann nicht nur die Marke selbst stärken und ihr weitere Tiefe verleihen, sondern auch die Kunden enger an die Produkte und das Unternehmen selbst binden. 

Exkurs 1: Alternativen zu „Made in…“

Neben dem traditionellen Vermerk „Made in Germany“ finden sich in den letzten Jahren immer wieder auch andere Varianten – vor allem dann etwa, wenn Produkte in Deutschland erdacht oder erfunden werden, aber die Produktion in internationalen Gefilden stattfindet. Entsprechende Verweise, die sich finden lassen, sind beispielsweise „designed in Germany“, „developed in Germany“ oder „engineered in Germany“. Da die Verweise nichts über den Produktionsort aussagen, sondern nur auf den Ursprung der Produktidee bzw. des -konzepts verweisen, ist eine solche Verwendung pfiffig und könnte Kunden vom Produkt überzeugen.

Exkurs 2: Regionale Bezeichnungen

Neben dem Label „Made in Germany“ gibt es natürlich auch innerdeutsche, regionale Herkunftsbezeichnungen, die Ansehen genießen und mit denen es sich lohnt, zu werben. Einige dieser Bezeichnungen sind auch von der EU geschützt: Nürnberger Bratwürste, Spreewälder Gurken, Aachener Printen, Lübecker Marzipan oder auch Kölsch wären hier zu nennen. Um eben diese und ähnliche Bezeichnungen nutzen zu dürfen, müssen die Produkte im jeweiligen Stadtgebiet bzw. einer eingeschränkten Region und meist nach festgelegten Rezepturen oder unter Verwendung bestimmter Ingredienzen produziert werden. Eine zusätzliche Werbung mit dem Vermerk „Made in Germany“ ist mit Blick auf diese Produkte allerdings nicht unbedingt anzuraten, denn dies könnte – je nach Einzelfall – aus juristischer Sicht auch als Werbung mit Selbstverständlichkeiten eingestuft und somit abgemahnt werden.

Dieser Artikel ist zuerst erschienen im Onlinehändler Magazin Q2/2019.

Über die Autorin

Tina Plewinski
Tina Plewinski Expertin für: Amazon

Bereits Anfang 2013 verschlug es Tina eher zufällig in die Redaktion von OnlinehändlerNews und damit auch in die Welt des Online-Handels. Ein besonderes Faible hat sie nicht nur für Kaffee und Literatur, sondern auch für Amazon – egal ob neue Services, spannende Technologien oder kuriose Patente: Alles, was mit dem US-Riesen zu tun hat, lässt ihr Herz höherschlagen. Nicht umsonst zeigt sie sich als Redakteurin vom Dienst für den Amazon Watchblog verantwortlich.

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