Kommentar

Gefeuert und nachgetreten – Wie Firmen bei Entlassungen ihr Image verspielen

Veröffentlicht: 08.04.2024 | Geschrieben von: Tina Plewinski | Letzte Aktualisierung: 08.04.2024
Entlassungen: Unfaire Strategien und respektloses Verhalten bei Entlassungen kann Unternehmen langfristig schaden

Für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer waren die vergangenen Monate nicht leicht. Große Entlassungswellen erschütterten nicht nur den US-amerikanischen Tech-Bereich, sondern auch die hiesige Wirtschaft, die mit Personalkürzungen auf das schwierige Geschäftsumfeld reagierte.

Man darf sich einig sein: Wünschenswert ist das für keine Seite, weder für die Arbeitgebenden noch für die Angestellten. Doch jetzt kommt das große Aber: Nur schwer zu ertragen war dabei nämlich, wie Unternehmen in manchen Fällen mit den scheidenden Mitarbeitenden umgegangen sind.

Entlassen und talentlos?

Nehmen wir etwa LinkedIn. Nachdem das Business-Netzwerk bereits im Frühjahr 2023 angekündigt hatte, rund 700 Angestellte zu entlassen, wurde später im Jahr bekannt, dass ein neuerlicher Personalbau anstehe: Im Herbst bezeichnete LinkedIn 700 weitere Entlassungen als nötige „Talentveränderungen“ – für viele Betroffene sicher ein Schlag ins Gesicht. 

Die Formulierung verweist nicht etwa auf den menschlichen Aspekt des Personalbereichs, sondern zielt eher auf das Management von Ressourcen ab. Der Mensch ist in diesem Fall weniger Mensch und vielmehr objektiviertes Instrument, das in Arbeitsprozesse eingebunden ist.

Darüber hinaus könnte der Begriff „Talentveränderungen“ womöglich nahelegen, dass den scheidenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das nötige Talent abgesprochen wird, um weiterhin im Unternehmen tätig zu sein. Im Rahmen von Entlassungen leidet bei vielen Menschen ohnehin das Selbstwertgefühl. Es besteht absolut kein Grund, den betroffenen Fachkräften noch mehr emotionalen Ballast aufzuladen und ihnen das Gefühl zu geben, sie seien unzureichend.

Als krude empfinde ich überdies auch Formulierungen, die man im Zuge jüngster Entlassungen ebenfalls hin und wieder hörte. Etwa, wenn ein Firmenchef sagt, er „übernehme die volle Verantwortung“ für eine solche Maßnahme. Dieser Spruch suggeriert eine Teilhabe, die in der Praxis so meist nicht stattfindet! Wie sollte er im Fall der Fälle die Verantwortung für Hunderte Arbeitssuchende oder Hunderte Einzelschicksale übernehmen?

Der weinende Firmenchef erntet Hohn

Auch gab es in der Vergangenheit schon Fälle, in denen Firmen im Rahmen von Entlassungen ein unsäglich egozentrisches Auftreten an den Tag legten. Vielleicht erinnert sich der eine oder die andere an den LinkedIn-Beitrag von Braden Wallake, Geschäftsführer der amerikanischen Marketingagentur HyperSocial, im Sommer 2022. In diesem betrauerte er notwendige Entlassungen in seinem Unternehmen und untermalte seine eigene emotionale Beteiligung durch ein Selfie, auf dem er in Tränen aufgelöst zu sehen war. 

Mit dem Foto ging Wallake nicht nur als „The crying CEO“ (zu Deutsch: „Der weinende Firmenchef“) in die Annalen der Personalwelt ein, sondern erntete auch viel Spott und Kritik – denn mit dem Bild stellte er nicht etwa die betroffenen Teams in den Fokus, die ihre Arbeit verloren, sondern sich selbst. Erschreckend, wie wenig einfühlsam diese scheinbar emotionale Geste doch ist.

Betroffene brauchen mehr als leere Worthülsen

Natürlich klingt es für die Außenwelt sehr freundlich, wenn Unternehmen ausdrücklich kommentieren, dass sie im Fall von Kündigungen Verantwortung übernehmen wollen. Doch statt hohler Phrasen bedarf es dringend anderer Personal-Qualitäten. Diese Qualitäten können fundamental darüber entscheiden, wie es Betroffenen nach einer Entlassung geht und wie schnell sie erneut Arbeit finden. 

Transparenz, eine gute Kommunikation, strukturierte Anläufe und die schnelle Bereitstellung notwendiger Unterlagen wie etwa von Arbeitszeugnissen sind nur einige Beispiele. Neben einer ehrlichen Wertschätzung der bisher geleisteten Arbeit und einem respektvollen Umgang mit den Teams ist sogar ein sogenanntes Outplacement möglich. In dessen Rahmen werden austretende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entweder einzeln oder in Gruppen betreut und beraten. Selbst Seminare und Workshops können hier angeboten werden, die den Betroffenen bei künftigen Bewerbungen helfen und den Teilnehmenden Trainings, Know-how und Selbstbewusstsein an die Hand geben. 

Auch das Softwareunternehmen Personio, das auf Personalverwaltung spezialisiert ist, verweist auf die vielen positiven Effekte dieses Instruments, das Wertschätzung, eine faire Behandlung und eine tatkräftige Unterstützung bei der beruflichen Neuorientierung der Teams in den Mittelpunkt rückt.

Entlassungen und Imagepflege gehen Hand in Hand

In der Praxis sieht man durchaus viele Beispiele von Firmen, die sich nicht lange mit scheidenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern belasten möchten. Aus den Augen, aus dem Sinn – ist offensichtlich ein viel praktiziertes Motto. Doch gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel sollten sich Firmen ganz genau überlegen, wie sie mit Betroffenen umgehen.

Denn das Image eines Arbeitgebers erwächst nicht nur aus dem Umgang mit aktuellen Angestellten, sondern gerade auch aus der Art und Weise, wie scheidende Talente behandelt werden. Selbst im Fall einer notwendigen, wirtschaftlich bedingten Entlassung können faire Strategien, ein respektvolles Miteinander und angebotene Unterstützung zu einer positiven Wahrnehmung bei Fachkräften führen. Und das kann sich rumsprechen, gerade auch im Zeitalter von digitalen Bewertungsplattformen wie Kununu oder ähnlichen. 

Für neue qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber wiederum können solche Erfahrungsberichte im Fall der Fälle das entscheidende Zünglein an der Waage sein, ob sie ihre Talente einem Unternehmen bereitstellen wollen oder nicht.

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Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Über die Autorin

Tina Plewinski
Tina Plewinski Expertin für: Amazon

Bereits Anfang 2013 verschlug es Tina eher zufällig in die Redaktion von OnlinehändlerNews und damit auch in die Welt des Online-Handels. Ein besonderes Faible hat sie nicht nur für Kaffee und Literatur, sondern auch für Amazon – egal ob neue Services, spannende Technologien oder kuriose Patente: Alles, was mit dem US-Riesen zu tun hat, lässt ihr Herz höherschlagen. Nicht umsonst zeigt sie sich als Redakteurin vom Dienst für den Amazon Watchblog verantwortlich.

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