#MeinungsMicha zu „DHDL: Der Talk“

Die große „Vorwärts immer, rückwärts nimmer“-Show

Veröffentlicht: 07.04.2020 | Geschrieben von: Michael Pohlgeers | Letzte Aktualisierung: 07.04.2020
Müder Löwe

Man, man, man, was war das für eine Sendung. Mitten in der aktuellen Staffel von „Die Höhle der Löwen“, deren Folgen bereits Anfang letzten Jahres gedreht wurden, hat sich Vox doch dazu durchgerungen, auf das allgegenwärtige Thema Coronavirus einzugehen. Eine Sondersendung von DHDL wurde angesetzt, in der die Löwen über die Krise sprechen und Fragen beantworten wollten. 

Um den allgemein gebotenen sozialen Abstand zu wahren, wurden die Investoren quasi aus dem Homeoffice im Studio zugeschaltet – auf sieben großen Monitoren, die hinter den fünf ikonischen Sesseln platziert waren, wurden die Löwen angezeigt, ihnen gegenüber standen DHDL-Moderator Amiaz Habtu und Tanit Koch, Geschäftsführerin von ntv und Chefredakteurin Zentralredaktion der Mediengruppe RTL Deutschland, zu der auch Vox gehört.

Es sollte dabei explizit nicht nur um wirtschaftliche Fragen gehen, die die sieben Investoren beantworten wollten: Vox rief im Vorfeld dazu auf, Fragen per E-Mail einzuschicken, die „auch aus anderen Themengebieten stammen“ können.

Anrufer mit hochauflösenden Profilbildern

Was den Zuschauern dann aber am Montag ab 22:15 Uhr präsentiert wurde, war eine „Vorwärts immer, rückwärts nimmer“-Show, die durchgeskripteter nicht hätte sein können. Zwischenzeitlich war man sich nicht einmal sicher, ob die Sendung überhaupt live ausgestrahlt wurde, im Nachhinein kann ich es auch nicht mehr genau sagen.

Erweckt werden sollte der Eindruck von Gründern und Unternehmern, die per Telefon ihre Fragen an die Löwen stellten. Nur hatte Vox passenderweise zu jedem Anrufer ein in manchen Fällen sogar hochauflösendes Foto parat, um es im Hintergrund einzublenden. Die Fragensteller waren also im Vorfeld mindestens ausgewählt. Inwieweit auch die Fragen vorsortiert und den Investoren in der Vorbereitung gegeben wurden – unbekannt, aber nicht unwahrscheinlich. Im Ergebnis gab es viel Gut-zureden, ein paar leere Floskeln und den ein oder anderen wagemutigen Tipp.

Die Löwen bleiben auf Spur

Besonders hervor tat sich Georg Kofler, der die feste Meinung vertrat, dass sich „in wenigen Wochen“ das Leben wieder normalisieren würde und die Menschen auch wieder Reisen unternehmen könnten. Denn, so Koflers Argumentation, die Wirtschaft müsse ja jetzt bald wieder stärker priorisiert werden. Darum sei es auch gut, dass Österreich die Einschränkungen jetzt wieder lockern wolle. Da riet er dann auch einer Unternehmerin, die einen Reiserucksack verkauft und sich nun fragt, ob sie die nächste Charge produzieren lassen solle, dazu, das unbedingt zu tun. Es wird ja bald alles wieder gut. 

Das kann natürlich auch so passieren, doch bisher lässt sich eine solche Prognose nicht geben. Die Bundesregierung gibt aus gutem Grund kein Datum für das Ende der Einschränkungen bekannt. Der Tipp von Kofler wird damit zu einer waghalsigen Wette, die auch durchaus nach Hinten losgehen kann. Eine Diskussion unter den Löwen in dieser durchgetakteten und moderierten Runde gab es übrigens kein einziges Mal.

Anstatt eines Talks, bei dem sich auch die Löwen tiefgreifender über die Krise austauschen und vielleicht mal erzählen, was genau in ihren Betrieben los ist und wie sie mit der aktuellen Situation umgehen, wurde die Sendung also zu einem stark moderierten Frage-Antwort-Spiel, das jegliche Tiefe vermissen ließ. Die Anrufenden zeigten sich mit den rund 30-sekündigen Aussagen der Investoren zufrieden und bekräftigten fleißig, jetzt genau zu wissen, was sie zu tun hätten. Ein paar Einspieler von bisherigen DHDL-Teilnehmern hatten den Beigeschmack von Werbeclips. Die Löwen wurden von Vox zu den Wirtschaftsweisen hochstilisiert, die mit einem guten Ratschlag die akuten Probleme der Unternehmerinnen und Unternehmer zu lösen vermögen.

Die komplexeste Frage verkommt zur Ja-Nein-Runde

Das wurde ganz am Schluss der Sendung mehr als deutlich: Eine Gründerin erzählt, dass sie bald eine Hunde-Metzgerei, eine sogenannte Barferei, starten wolle. Ob es ratsam wäre, die Gründung jetzt in der Krise zu vollziehen oder sie besser noch warten solle, bis die Lage sich beruhigt habe. Hier schreitet Tanit Koch – die die Fragen bislang immer an einzelne Löwen verteilt hatte – ein und macht aus dieser hochkomplexen Frage eine schnelle Ja-Nein-Runde an alle Investoren. „Gründen in der Krise – ja oder nein?“, so die Frage. Und alle Löwen antworten der Reihe nach brav mit einem „Auf jeden Fall ja!“

Manchem Investor steht dabei deutlich ins Gesicht geschrieben, dass sie diese Meinung vielleicht eigentlich doch nicht so deutlich teilen. Aber die Sendung verlangt zum Abschluss nunmal puren Optimismus und keine Bedenken. Die Authentizität bleibt völlig auf der Strecke. Vertieft wird diese Frage übrigens keineswegs, die Sendung endet mit diesem Gute-Laune-Chor und lässt die komplexe Frage mit all ihren Aspekten schlichtweg links liegen. 

Die Fassade bröckelt

Vox hat sich damit verhoben. Durch „Die Höhle der Löwen“ wurde das Thema Gründertum wieder in der öffentlichen Diskussion präsent, aber der Sender oder zumindest die Show hat sich offenbar zum unverfrorenen Verfechter erklärt. Gründen um jeden Preis. Die Löwen werden zu Ikonen hochstilisiert, zu den überlebensgroßen Koryphäen in diesem Gebiet. Ihr Wort ist Gesetz, ihr Urteil überwiegt alles. 

Dabei stand die Sendung schon in den letzten Jahren in der Kritik, zu viel Gute Laune zu zeigen. Im Nachhinein gescheiterte Deals werden gerne unter den Teppich gekehrt und selten bis nie in der Sendung erwähnt. „Die Höhle der Löwen“ ist kein Format für nüchternen Realismus, sondern verkauft eine flauschige Illusion. Die wurde im Talk zur Formvollendung getrieben und ging nicht an den Zuschauern vorbei – die Fassade bröckelt.

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