Bundesgerichtshof

Änderung der Rechtsprechung: Abmahnung von Zahlungsaufforderung

Veröffentlicht: 24.09.2019 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 14.12.2020
Bundesgerichtshof in Karlsruhe

Vor Kurzem fällte der Bundesgerichtshof ein Urteil, das einerseits wohl alle Online-Händler betrifft, andererseits diese aber auch vor ein unlösbares Problem stellt (Urteil v. 6. Juni 2019 – Aktenzeichen I ZR 216/17). Dabei geht es um die Unterlassung einer Zahlungsaufforderung in Fällen, in denen etwa ein unbekannter Dritter fremde Daten für eine Bestellung nutzt. Auch wenn sich der Unternehmer hier irrt und annimmt, es liege völlig unproblematisch ein Vertrag mit dem angegebenen Käufer vor, soll ihn das nicht vor einer Unterlassungsaufforderung schützen können.

Bestellung nicht durch „Käufer“ aufgegeben

Was war geschehen? Die Streitigkeit entbrannte zwischen der Klägerin, der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, und der Beklagten, die E-Mail-Dienste betreibt. Eine im Verfahren selbst nicht vertretene Verbraucherin war von der Beklagten zur Zahlung des Kaufpreises für einen kostenpflichtigen „ProMail“-Vertrag aufgefordert worden. Dem ersten Schreiben folgten mehrere weitere, die durch ein Inkassobüro ausgeführt wurden. Tatsächlich hatte die Verbraucherin die Dienstleistung allerdings offenbar gar nicht bestellt. Möglicherweise kam es zu einem Identitätsdiebstahl. 

Der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg ging es nun um die wettbewerbsrechtlichen Aspekte dieser Situation. Demnach solle es die Beklagte unterlassen, Zahlungsaufforderungsschreiben zu versenden bzw. versenden zu lassen, „in denen die Pflicht des Verbrauchers zur Zahlung einer Vergütung als Gegenleistung für eine Dienstleistung [...] behauptet wird, obwohl der Verbraucher die Beklagte mit der Dienstleistung nicht beauftragt hat“, wie es hier geschehen ist. Die Zahlungsaufforderung im Bezug auf eine nicht bestellte Dienstleistung sei also wettbewerbswidrig (weil irreführend), wenn der angesprochene Verbraucher ihr die Behauptung entnimmt, er habe die Leistung sehr wohl bestellt. 

Irrtum des Unternehmers ändert nichts

Dass es grundsätzlich betrachtet nicht richtig ist, Zahlungsaufforderungen an Personen zu senden, die eigentlich zu gar keiner Zahlung verpflichtet sind, ist soweit klar. Bekannt ist so etwas zumeist als unseriöse, aber bewusste Taktik. Im vorliegenden Fall war sich der beklagte Unternehmer der Tatsache zunächst aber gar nicht bewusst, dass es sich eben nicht um eine Bestellung der Verbraucherin handelt, sondern um eine Fake-Bestellung auf deren Namen. 

Dieser Irrtum, auch wenn er dem Unternehmer nicht vorwerfbar sei, stehe der Unlauterkeit des Handelns aber nicht entgegen, stellt das Gericht fest. Damit kann ein Unternehmer noch so sorgsam vorgehen – vor einer Unterlassungsaufforderung schützt ihn das in einem Fall wie diesem damit nicht. 

Genau dieser Punkt ist neu in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. In bisherigen Urteilen führte ein – nicht vom Unternehmer zu verantwortender – Irrtum über die Bestellung dazu, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Die geschäftliche Handlung des Versendens von Zahlungsaufforderungen war damit nicht unlauter und damit auch nicht abmahnfähig. „An dieser Ansicht hält der Senat nicht fest. Für die Annahme einer unzulässigen geschäftlichen Handlung gemäß Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG ist es vielmehr unerheblich, ob der Unternehmer irrtümlich von einer Bestellung des Verbrauchers ausgeht“, heißt es nun aber in diesem Urteil. Der Irrtum, bzw. die subjektive Seite der Handlung, in der es auf Merkmale wie Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Unternehmers ankäme, hätte keine Rolle zu spielen, so stehe es im Gesetz. Es soll also nur auf die objektive Handlung des Unternehmers ankommen, sprich: Wird das Aufforderungsschreiben für eine nicht bestellte Dienstleistung verschickt, ist der Tatbestand per se erfüllt. Was sich der Unternehmer dabei dachte, spielt keine Rolle. 

Unlösbares Problem für Händler?

Und tatsächlich kann der nationalen Regelung sowie der EU-Richtlinie, auf welcher sie beruht, entnommen werden, dass es wohl eben nur auf diese objektive Seite der Handlung ankommt. Das sei so klar, so die Richter, dass der Fall dem EuGH nicht vorgelegt werden muss, damit dieser nochmal eine Auswertung gebe. 

Der BGH ist nicht das erste Gericht, dass sich für diesen Weg entschieden hat. Ähnliche Urteile gab es bereits – etwa vom OLG Stuttgart (Urteil v. 1. Juli 2010 – 2 U 96/09). Auch der EuGH hat entschieden, dass es bei einer objektiv falschen Angabe grundsätzlich nicht auf den Vorsatz ankomme (Urteil. v. 16. April 2016 – C-388/13). 

In diesem Urteil ging es zwar um eine Dienstleistung, es lässt sich aber auch auf gelieferte Waren übertragen. Online-Händler sehen sich somit vor ein Problem gestellt, das praktisch nicht wirklich lösbar erscheint – vor Identitätsdiebstahl bzw. Fake-Bestellungen sind diese kaum gefeit. Gleichzeitig dürfte das zusätzliche Risiko, hier eine Abmahnung zu erhalten, nicht allzu groß sein. Verbraucher können schließlich nicht eigenständig wettbewerbsrechtlich vorgehen, hier muss dann schon eine andere Stelle wie eben etwa ein Verbraucherschutzverein aktiv werden.

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