Abmahnmissbrauch

Verband darf eigene Mitglieder nicht verschonen

Veröffentlicht: 05.01.2021 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 05.01.2021
Gruppe von Figuren

Dem einen oder anderen Verband hat man es schon immer vorgeworfen: Es geht den schwarzen Schafen weniger um die Sicherstellung und Wiederherstellung eines fairen und geordneten Wettbewerbs, sondern um die Generierung neuer Mitglieder, die letztendlich Geld in die Kassen spülen. Das äußert sich auch darin, dass systematisch die eigenen Mitglieder bei Abmahnungen verschont werden (sollen), denn die sollen ja bleiben und weiter Beiträge zahlen.

Ido Verband konnten „unclean hands” nachgewiesen werden

Erst Anfang des Jahres hat man das lange hinter vorgehaltener Hand gemunkelte Verhalten beim bekannten Ido Verband aufgedeckt. Eigene Mitglieder des Verbandes sollen zielgerichtet verschont werden. Für beide zwar eine Win-Win-Situation. Für das Gericht jedoch ein klarer Rechtsmissbrauch, denn im Verfahren konnte der Verband nicht ein einziges Verfahren gegen ein eigenes Mitglied benennen (wir berichteten). 

Mitgliedschaft wird zur Abmahnversicherung

Nach dem Landgericht Heilbronn hat das ein weiteres Gericht bestätigt. Wie die Webseite des Rechtsanwalts Thomas Ch. Gramespacher berichtet, hat das Oberlandesgericht Rostock ebenfalls einen Rechtsmissbrauch wegen systematischer „Verschonung“ eigener Mitglieder von Abmahnungen festgestellt (Beschluss vom 17.11.2020, Aktenzeichen: 2 U 16/19). In den Urteilsgründen wurde jedoch nicht genannt, um welchen Verband oder Verein es sich handelte.

Von einem Rechtsmissbrauch sei auszugehen, wenn das beherrschende Motiv für die Abmahnung in sachfremden Interessen und Zielen besteht, also beispielsweise lediglich die Einnahme von Abmahngebühren erzielen soll. Ob ein Abmahnmissbrauch vorliegt, wird jedoch an den Umständen des Einzelfalls festgelegt. Das ändert sich übrigens auch mit dem neuen Wettbewerbsrecht nicht wirklich, obwohl hier schon eine Erweiterung stattgefunden hat.

Nicht ausreichend sei es, wenn ein Verband gegen Nicht-Mitglieder vorgehe, ähnliche Verstöße der eigenen Mitglieder aber dulde. Es ist rechtsmissbräuchlich, wenn der Verband mit einem selektiven Vorgehen ausschließlich gegen Nichtmitglieder bezweckt, neue Mitglieder zu werben, denen er nach einem Beitritt Schutz vor Verfolgung gewährt. Der Verband müsste im Verfahren also zumindest den Einwand des Rechtsmissbrauchs entkräften, indem Verfahren gegen eigene Mitglieder benannt werden. 

Abmahnungen durch Verbände weiterhin großes Thema

Das Urteil ist kurz vor dem Inkrafttreten des neuen Wettbewerbsrechts ergangen. Tatsächlich dürfte sich für die sehr häufig abmahnenden Verbände und Vereine wenig ändern: Bis auf die Eintragung in eine offizielle Abmahn-Liste dürfen diese wohl weiter wie bisher kostenpflichtig abmahnen. Genauso unbefriedigend ist die Festschreibung des Rechtsmissbrauchs bei Abmahnungen. Zwar wurden nun feste Beispiele formuliert, die jedoch für die Praxis kaum umsetzbar sind, weil die Formulierungen wenig aussagekräftig sind (z. B. offensichtlich überhöhte Vertragsstrafen).

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