Oberlandesgericht Frankfurt

Online-Reservierung: Müssen Fernabsatz-Informationspflichten erfüllt werden?

Veröffentlicht: 18.03.2021 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 18.03.2021

Wer im Fernabsatz bzw. im elektronischen Geschäftsverkehr mit Verbrauchern Kaufverträge schließt, der handelt sich dadurch einige Informationspflichten ein. Klassisches Beispiel für den Online-Kauf: Der OS-Link. Oder aber die zahlreichen Punkte, die § 312d BGB in Verbindung mit Art. 246a EGBGB vorsieht. 

Viele Online-Händler machen sich vermutlich gar nicht so viele Gedanken darüber, ob sie diese und weitere Pflichten erfüllen müssen. Denn dass die Bedingung, ein Fernabsatz vorliegt, daran gibt es meist gar nicht viel zu rütteln – ist der Vertrag unter ausschließlicher Nutzung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen worden, ist die Lage relativ klar. Was aber gilt abseits der klassischen Warenbestellung im Online-Shop? Etwa, wenn der Verkäufer online die Möglichkeit einer verbindlichen Reservierung des Produkts ermöglicht? Wenn kein Fernabsatz vorliegt, kann sich der Anbieter natürlich auch die entsprechenden Pflichten schenken. Damit hat sich das OLG Frankfurt auseinandergesetzt (Urteil v. 28.01.2021, Az. 6 U 181/19).

Verbindliche Online-Reservierung aber Vertragsschluss erst vor Ort?

Der Fall spielte sich in etwa wie folgt ab: Die Beklagte warb online vor dem Verkaufsstart für einen Whirlpool, zum Preis von immerhin knapp 39.000 Euro. Interessenten konnten mittels eines Kontaktformulars eine Reservierung aufgeben. Bei einer „unverbindlichen“ Reservierung sollte es fünf Prozent Rabatt geben, bei der Option „verbindliche“ Reservierung hingegen zehn Prozent. 

„Verbindlich“ – das klingt nach Vertrag. Die speziellen Fernabsatzverträge werden definiert als Verträge, bei denen ein Unternehmer (oder z.B. dessen Vertreter) und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel nutzen. Eine Ausnahme von dieser Einsortierung besteht, wenn der Vertragsschluss nicht in einem entsprechend organisierten Vertriebssystem erfolgt. Ob die Beklagte Informationspflichten erfüllen muss, hängt also davon ab, ob in der Reservierung nun schon ein Vertragsschluss zu sehen ist. Eine einfache Reservierung sieht nicht danach aus, als würde sich der Reservierende rechtlich binden wollen. Doch bei einer ausdrücklich „verbindlichen“ Reservierung (mit höherem Rabatt) dürfte der Fall anders liegen, oder? Ja, sagt das OLG Frankfurt, und nimmt einen Vertragsschluss an.

Hinweis zu spät: AGB wurden nicht wirksam einbezogen

Nachdem jedenfalls der Käufer die Reservierung abgesendet hatte, erhielt er eine E-Mail der Beklagten, in der er die Reservierung nun bestätigen sollte. Diese enthielt „wichtige Informationen“, in denen sich auch AGB befanden, die ebenfalls bestätigt werden sollten. Händler wissen: AGB sind als solche kein Pflichtprogramm, mit ihnen werden aber die rechtlichen Verhältnisse für Kaufverträge gestaltet. So tat es auch die Beklagte und legte hier fest, dass gerade kein Fernabsatz-Kaufvertrag zustande kommen soll, sondern der verbindliche Kaufvertrag im persönlichen Gespräch im Geschäft geschlossen werden muss.

Wen nun das Gefühl beschleicht, dass diese Geschäftsbedingungen vielleicht etwas spät ins Spiel gebracht wurden, der liegt richtig. AGB müssen, um überhaupt zu gelten, wirksam in einen Vertrag einbezogen werden. Als der Käufer die Reservierung tätigte, gab es jedoch keinen Hinweis auf diese AGB, sondern eben erst in der E-Mail-Antwort. Hier wiederum war zunächst auch nur die Rede von wichtigen Informationen, sodass für das Gericht schon fraglich ist, ob dies überhaupt einen „ausdrücklichen“ Hinweis darstellt, wie es vom Gesetz gefordert wird. Vor allem aber gab es den Hinweis auf die AGB „bei Vertragsschluss“, sondern erst mit der Annahmeerklärung der Beklagten. 

Hätten die AGB überhaupt geholfen?

Hätte das beklagte Unternehmen die AGB-Regelung denn wenigstens inhaltlich nutzen können? Auch hier erteilt das Gericht offenbar eine Absage. Sogenannte überraschende Klauseln werden nicht Vertragsbestandteil, auch wenn die AGB an sich wirksam einbezogen werden. Dies betrifft Klauseln, die so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner damit nicht zu rechnen braucht, weil sie sich nicht im Rahmen dessen halten, was nach den Umständen bei Abschluss des Vertrags erwartet werden kann. „Hier erwartet der Kunde, dass er mit seiner Erklärung einer „verbindlichen Reservierung“ bereits einen Kaufvertrag mit einem 10 %-igen Rabatt abschließt. Mit einer Klausel, die dies negiert und einen wirksamen Vertrag erst zu einem späteren Zeitpunkt nach einem „persönlichen Gespräch“ zustande kommen lassen will, muss ein Kunde nicht rechnen“, schreibt das Gericht. 

Letztlich würde auch eine nicht erlaubte Umgehung gem. § 312k BGB vorliegen. Die Normen zu Verbraucher- und Fernabsatzverträgen dürfen nicht einfach durch eine entsprechende Vertragsgestaltung umgangen werden, wenn sie ihrem Schutzzweck nach eigentlich greifen müssten. 

Für viele Online-Händler ist der Fall, den das OLG Frankfurt hier zu entscheiden hatte, von niedriger praktischer Relevanz – dass Fernabsatzverträge geschlossen werden, ist in der Regel eindeutig. Schon bedeutender sind die Feststellungen für jene Unternehmer, die das Internet als Absatzform gerade für sich entdecken und eben etwa „nur“ eine Reservierung eines Produkts online anbieten wollen. Auch zeigt die Entscheidung, dass mittels AGB nicht alle beliebige Regelungen getroffen werden können.

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