Landesarbeitsgericht Nürnberg

Zweifel an Arbeitsunfähigkeit – Arbeitgeber lässt heimlich durch die Hecke filmen

Veröffentlicht: 24.07.2023 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 24.07.2023
Kamera zwischen Blättern

Beinahe ein Jahr war der Mitarbeiter bereits arbeitsunfähig erkrankt, als es zu dem Vorfall kam, um den sich diese Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg dreht (Urteil v. 29.11.2022, Az. 1 Sa 250/22). Der Arbeitgeber des Betontechnologen hatte offenbar Zweifel daran, dass die Arbeitsunfähigkeit Hand und Fuß hat, zumindest beauftragte dieser einen Privatdetektiv. Dieser filmte den Arbeitnehmer auf seinem Privatgrundstück durch ein Loch in dessen Hecke. Was man auf der Aufnahme sah, war für den Arbeitgeber dann wohl Grund genug, eine fristlose Kündigung auszusprechen. Deren Erfolg hielt sich allerdings in Grenzen: Das LAG Nürnberg hatte insbesondere mit den Filmaufnahmen seine Probleme. Gegen eine Abfindung wurde das Arbeitsverhältnis allerdings dennoch aufgehoben, wegen der feindseligen Haltung des Arbeitgebers. 

Krank oder nicht: Dürfen Arbeitgeber Beschäftigte einfach heimlich durch die Hecke filmen lassen?

Schon in der vorhergehenden Instanz hatte das zuständige Arbeitsgericht entschieden, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden und der beklagte Arbeitgeber verpflichtet sei, den Arbeitnehmer bis zum Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiterzubeschäftigen. Während die Videoaufzeichnung hier noch keine größere Rolle spielte, da die Entscheidung auf andere Umstände gestützt werden konnte, hatte das LAG Nürnberg dazu eine Auffassung. Eine gewichtige Rolle spielt dabei natürlich die Frage: Darf ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer tatsächlich heimlich durch die Gartenhecke dessen Grundstücks filmen lassen? 

Im besagten Fall diente die Beauftragung des Privatdetektivs dazu, Hinweise auf eine vorgeschobene Arbeitsunfähigkeit zu finden. Tatsächlich konnte auf der Aufnahme erkannt werden, dass der Arbeitnehmer schwere Arbeiten beim Bau einer Gartenmauer auf seinem Grundstück durchführte. Dabei belud er unter anderem eine Motorschubkarre, bediente aber auch einen Zwei-Takt-Stampfer. Zugleich gab der Arbeitnehmer im Verfahren an, einige Wochen zuvor an der Schulter operiert worden zu sein. 

Die Daten und Beobachtungen allerdings, so das LAG Nürnberg, seien im Kündigungsschutzverfahren nicht verwertbar. 

Beweismittel unterliegen Verwertungsverbot

Grundsätzlich, so das Gericht, dürfen derartige personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses nur erhoben, verarbeitet und genutzt werden, wenn dies für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Dazu gehört durchaus auch die Kontrolle, ob der Arbeitnehmer seinen Pflichten nachkommt, und auch die Aufdeckung einer Pflichtverletzung, die die Kündigung rechtfertigen kann.

Allerdings dürfe die Datenverarbeitung keine übermäßige Belastung für den Arbeitnehmer darstellen. „So dürfen Arbeitnehmer grundsätzlich erwarten, dass besonders eingriffsintensive Maßnahmen nicht ohne einen durch Tatsachen begründeten Verdacht einer Straftat oder schweren Pflichtverletzung ergriffen werden, dass insbesondere nicht ‚nicht ins Blaue hinein‘ oder wegen des Verdachts bloß geringfügiger Verstöße eine heimliche Überwachung und ggf. ‚Verdinglichung‘ von ihnen gezeigter Verhaltensweisen erfolgt“, sagt das Gericht mit Blick auf Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. 

 

In der Überwachung, die in diesem Fall erfolgte, sieht das Gericht eine unverhältnismäßige Datenerhebung, für die der Arbeitgeber keinen hinreichenden Anlass vorgetragen habe. Es sei zu berücksichtigen, dass er den Arbeitnehmer durch ein Loch in der Hecke habe beobachten und filmen lassen und damit einen erheblichen Eingriff in die geschützte Privatsphäre des Klägers vornahm. Zwar ist es grundsätzlich durchaus denkbar, dass ein solches Vorgehen gerechtfertigt sein kann. Dazu aber brauche es eben konkrete Verdachtsmomente für eine schwere Pflichtverletzung. Diese gab es hier eben nicht. Sowohl die als Beweismittel angebotene Videoaufzeichnung, als auch der schriftliche Bericht der Detektei und die Vernehmung der Detektive als Zeugen unterliege einem Verwertungsverbot. 

Arbeitnehmer erhält Abfindung

Auch wenn die ausgesprochene Kündigung aufgrund insbesondere weiterer Umstände nicht wirksam war, fand das Arbeitsverhältnis mit der Entscheidung des LAG Nürnberg dennoch sein Ende. Der Arbeitnehmer, der inzwischen seine Arbeit wieder aufgenommen hatte, hat nämlich die Auflösung des Arbeitsverhältnisses beantragt. Diesem Antrag entsprach das Gericht wegen Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung und führte dafür die weitere Haltung des Arbeitgebers an: Der hatte den Mitarbeiter in eine andere Niederlassung versetzt und andere Aufgaben zugewiesen, und dafür Gründe angeführt, die nach Auffassung des Gerichts unbegründet bis abwegig seien, es schrieb dem Arbeitgeber eine regelrecht feindselige Haltung zu.

Der Arbeitnehmer erhielt nach 23 Jahren Betriebszugehörigkeit eine Abfindung in Höhe von 35.000 Euro. Erheblich mindernd wirkte sich hier zwar nicht die Videoaufnahme aus, aber Einlassungen des Arbeitgebers, die dieser während des Prozesses geäußert hatte. 

Neben den umfangreichen Leistungen in puncto Rechtssicherheit im Online-Shop bietet der Händlerbund auch den Rundum-Service für Arbeitgeber. Mit den neuen Arbeitsrecht-Paketen stehen Arbeitgebern nicht nur umfangreiche Vorlagen und Checklisten zur Verfügung, sondern auch die Rechtsberatung. Weitere Informationen zu den Arbeitsrecht-Paketen finden Sie hier.
Newsletter
Abonnieren
Bleibe stets informiert mit unserem Newsletter.