Längst überfällig: Änderungspläne der EU zum Widerrufsrecht

Veröffentlicht: 10.04.2018 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 13.07.2022

Mit Spannung, Eifer und ein wenig Furcht erwartete der Online-Handel den 13.06.2014 – Freitag der 13. Mit diesem Tag kam die größte rechtliche Umstellung seit Jahren. Nicht nur im Bereich des Widerrufsrechtes mussten sich Online-Händler auf viele neue Paragrafen einstellen. Tausende Online-Shops mussten nach dem Willen der Verbraucherrechterichtlinie um Punkt 0:00 Uhr auf eine komplett neue Rechtslage eingestellt sein.

Verbraucherrechterichtlinie (VRRL) – was war das noch gleich?

Wer im Sommer 2014 schon als Online-Händler tätig war, dem wird die sog. Verbraucherrechterichtlinie (kurz: VRRL) vielleicht noch ein Begriff sein. Es ist aber auch abslut verständlich, wenn Sie dieses Thema mit einem kalten Schauer bereits verdrängt haben. Für alle anderen hier die Fakten kurz zusammengefasst: Am 13. Juni 2014 trat das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie in Kraft. Das bedeutete für die Händler damals eine umfangreiche Gesetzesänderung, unter anderem in den Bereichen Rücksendekosten, Widerrufsfrist und Muster-Widerrufsformular. Nahezu alle Regelungen aus dem Widerrufsrecht sowie zahlreiche Informationspflichten, die Sie derzeit im Alltag anwenden (müssen), resultieren aus dieser Richtlinie bzw. deren deutschen Umsetzungsgesetzen.

Das Ziel der VRRL war es, die bestehenden nationalen Verbraucherschutzvorschriften EU-weit anzugleichen, beispielsweise indem das Widerrufsrecht EU-weit vereinheitlicht wurde. Dadurch sollte der Handel zwischen Verbrauchern und Unternehmern über die Grenzen hinweg angekurbelt werden.

VRRL: Auswirkungen gering, Aufwand enorm

Schon wenige Zeit später stand fest: Trotz des Ausbleibens eines nennenswerten Effektes bedeutete die Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie für über die Hälfte der Online-Händler einen enormen Mehraufwand. Schon vor und bei Inkrafttreten der neuen Regelungen war klar, dass sich die rechtliche Lage für Händler überwiegend verschlechterte.

Insbesondere wurde die Kritik an den sehr händlerunfreundlichen Widerrufsbedingungen laut. Händler und Branchenverbände haben sich daher seit Jahren dafür eingesetzt, die Regelungen der VRRL wieder anzupassen, Schwachstellen auszubessern und zu novellieren. Auch der Händlerbund hat sich bereits mit dem Inkrafttreten für eine Änderung starkgemacht und mit Stellungnahmen auf eine händlerfreundliche Regelung hingewirkt. Das Resultat der Bemühungen der Branche legt die Europäische Kommission voraussichtlich morgen, dem 11. April 2018, vor.

Richtlinienpaket soll neuen Aufschwung bringen 

Ein komplettes Richtlinien-Paket der Europäischen Kommission soll gezielte Änderungen der VRRL, der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, der Richtlinie über unlautere Vertragsbedingungen und der Richtlinie über Preisangaben enthalten. Thema werden hierbei insbesondere gezielte Änderungen wie die Transparenz bei Verträgen auf Online-Marktplätzen sein. Einer Neuregelung sollen auch die Rechtsbehelfe bei unlauteren Geschäftspraktiken unterzogen werden, wo das Recht auf Kündigung des Vertrags und die Möglichkeit des Schadenersatzes angedacht sind. Außerdem werden unter anderem die Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen gegen das Verbraucherrecht diskutiert, beispielsweise, ob eine Höchststrafe mindestens 4 Prozent des Jahresumsatzes (ähnlich der DSGVO) eingeführt werden sollte.

Neues Widerrufsrecht? Na endlich!

Die für den Online-Handel wohl wichtigste und am meisten praxisrelevante Frage ist die nach den Änderungen beim Widerruf. Obwohl es derzeit bereits nicht für alle im Internet bestellten Waren ein gesetzliches Widerrufsrecht gibt, leidet der Handel unter dreisten Kunden. Die Ausschluss- und Erlöschensgründe des Widerrufsrechts umfassen den Gebrauch oder die Beschädigung der Ware nach der Lieferung nicht. Die aktuelle Planung sieht vor, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers erlischt, wenn die Ware mehr als erlaubt benutzt wurde und sie nicht lediglich geprüft oder getestet wurde. Derzeit bleibt das Widerrufsrecht bestehen und es besteht lediglich Anspruch auf einen nur schwer einklagbaren Wertersatz. Natürlich bedarf auch das „Benutzen“ oder „Testen“ wiederum einer eindeutigen Klarstellung im Gesetz. Der erste Schritt in die richtige Richtung ist jedoch gemacht.

Außerdem soll die Anwendung der Verbraucherrechte auf "kostenlose" digitale Dienste, bei deren Inanspruchnahme statt mit Geld mit Daten bezahlt wird, ausgeweitet werden. Insbesondere könnten Verbraucher dann für den „Kauf“ digitaler Inhalte und Dienste ebenfalls ein mindestens 14-tägiges Widerrufsrecht erhalten. 

Außerdem soll die Rückzahlungsverpflichtung eine neue, händlerfreundliche Regelung erfahren. Die Rückzahlung des Geldes nach einem Widerruf hat durch den Verkäufer derzeit unverzüglich, spätestens binnen 14 Tagen ab der Widerrufserklärung zu erfolgen. Der Unternehmer darf die Rückzahlung nach einem Widerruf so lange verweigern, bis er die Waren zurückerhalten hat oder der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Waren abgesandt hat (z.B. durch Einlieferungsbeleg). Letztere Alternative ist jedoch für Händler ungünstig, denn sie müssen das Geld erstatten, ohne die Rücksendung in Augenschein nehmen zu können. Die Pflicht der Gewerbetreibenden, den Verbrauchern bereits vor dem Zurückerhalt der Ware den Kaufpreis zu erstatten, könnte daher ebenfalls künftig entfallen. 

Diese und weitere Änderungen will die Europäische Kommission voraussichtlich morgen, dem 11. April 2018, in einem neuen Richtlinien-Entwurf vorlegen. Bis zu einer Änderung können jedoch noch Jahre vergehen. Auch nach einem endgültigen Beschluss über eine Richtlinie gilt sie in den EU-Staaten nicht direkt, sondern muss erst aufwendig in nationales Recht umgesetzt werden. Wir werden die Entwicklungen weiter beobachten und bei Onlinehändler-News darüber berichten.

 

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