Wir wurden gefragt

Wann ist ein Kauf gewerblich und ohne Widerrufsrecht?

Veröffentlicht: 11.06.2020 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 13.07.2022
zwei Männer ändern ihren gemeinsamen Weg

Zum Thema Widerrufsrecht gibt es keine Diskussion. Käufe von Verbrauchern im Netz sind bis auf wenige Ausnahmen vom Widerrufsrecht umfasst: Dem Verbraucher räumt das Gesetz das Recht ein, seine abgegebene Vertragserklärung innerhalb einer Frist von mindestens 14 Tagen zu widerrufen. Ein Widerrufsrecht besteht also grundsätzlich nur bei Verbraucherverträgen.

Kauft jedoch ein Kunde in seiner gewerblichen Eigenschaft, kann er sich zumindest nicht auf ein gesetzliches Widerrufsrecht berufen. Die Grenzen sind dabei äußert schwimmend und letztendlich eine Frage der möglichen Beweislast. In der Praxis kommt es deshalb genau bei diesem Punkt immer wieder zum Streit zwischen Händler und Käufer. Um Händlern den Umgang mit Kundenbeschwerden zu erleichtern, haben wir die Gesetzbücher gewälzt und einen Blick in die Rechtsprechung geworfen, wann ein Kauf gewerblich ist und dabei kein Widerrufsrecht besteht. 

Definition: Wer ist Verbraucher? Wer ist Unternehmer?

Wer Verbraucher ist, und wer Unternehmer, beschreibt das Gesetz schon recht schön: Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen, noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. 

Soll der Vertragsgegenstand hingegen sowohl der beruflichen als auch der privaten Benutzung dienen, ist entscheidend, welche Benutzung überwiegt. Unbeachtlich soll dabei sein, was sich der Käufer denkt, sondern der Inhalt des Kaufvertrages und die äußeren Begleitumstände sollen herangezogen werden. Soweit so gut. Nun kann man in der Praxis mit diesen starren, lebensfremden Definitionen (wie so oft) nicht viel anfangen. Aus diesem Grund hat man sich bereits trefflich vor Gericht gestritten und die Richter mussten einmal mehr das Gesetz ins Deutsche übersetzen.

Rechnung an Firmenanschrift kein Beweis für Unternehmereigenschaft

Der Kauf einer Privatperson, die sowohl als Verbraucher, als auch in ihrer freiberuflichen Tätigkeit als Unternehmer einkauft, ist lediglich dann nicht als Verbraucher anzusehen, wenn der Kauf eindeutig und zweifelsfrei ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden kann (Bundesgerichtshof, Urteil vom 30. September 2009, Az.: VIII ZR 7/09). Ist die Bestellung objektiv in Ausübung der gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit abgeschlossen, kann der Käufer sich nicht auf ein Widerrufsrecht berufen. Darüber hinaus ist eine Bestellung nur dann der unternehmerischen Tätigkeit zuzuordnen, wenn dies dem Verkäufer durch das Verhalten zweifelsfrei erkennbar war. 

In der Praxis sind es gerade die Grenzfälle, bei denen es zu Streitigkeiten kommt. Eine Registrierkasse im vierstelligen Bereich wird sich wohl kaum eine Privatperson kaufen. Wie sieht es aber aus mit einer Duschwanne für das Eigenheim des Immobilienmaklers? Gewerblich oder privat? Die Angabe der Anschrift einer Firma als Lieferort in Verbindung mit dem Namen des Bestellers als Rechnungsempfänger lässt keinen eindeutigen und zweifelsfreien Schluss auf eine Bestellung zu selbstständigen beruflichen Zwecken zu, so der BGH (s. o.). Auch wenn das Finanzamt betrogen werden sollte, hat dies keinen Einfluss auf die Verbrauchereigenschaft (Amtsgerichts Bonn, Urteil vom 08.07.2015, Az.: 103 C 173/14).

Indizien für eine Zuordnung zur unternehmerischen Tätigkeit sind:

  • Art des Kaufgegenstands (z. B. Etikettiermaschine)
  • Menge, Kaufpreis (z. B. 1000 Kleiderbügel)
  • Rechnungsstellung an die Geschäftsadresse 
  • Begleichung der Rechnung über ein Firmenkonto

Indizien sind aber eben noch keine Beweise. Kaum als Indiz herangezogen werden kann die Lieferanschrift, da viele Arbeitnehmer sich Pakete an ihren Arbeitsplatz liefern lassen. Auch die tatsächliche Nutzung bestellter „neutraler“ Produkte (z.B. eine Kaffeemaschine, Alarmanlage) lässt sich für Händler jedoch kaum zweifelsfrei zuordnen. Ebenfalls keine durchschlagende Aussagekraft hat der Kauf über eine B2B-Plattform oder einen B2B-Online-Shop. Ist dieser nicht hinreichend abgesichert gegen Verbraucherkäufe, können auch diese dort kaufen. Wie so oft muss im Einzelfall entschieden werden, ob dem Besteller aufgrund des konkreten Falles ein Widerrufsrecht zusteht oder nicht.

Besonderheit: Plattformen und Garantien

Nach eigenen Regeln spielen meist die Plattformen oder Zahlungsdienstleister mit Käuferschutz, wie Ebay, Amazon oder Paypal, die zusätzliche Services anbieten. So kann Amazon’s A-Z-Garantie oder deren freiwillige Rückgabegarantie abweichende Regelungen versprechen. Auch das Ebay-Plus-Programm, das auch Unternehmern offen steht können in die Quere kommen. Gewerbliche Käufer, die beispielsweise Ebay Plus-Mitglied sind, können den Kauf eines Ebay Plus-Artikels genau wie ein Verbraucher innerhalb eines Monats nach Erhalt der Ware widerrufen und kostenlos zurücksenden.

Zwar hat erst kürzlich der Bundesgerichtshof zur A-Z-Garantie von Amazon geurteilt, und sie für Amazon-Händler als nicht bindend bewertet. Auch Paypal darf nicht selbst Gericht spielen. Hier muss also im Einzelfall geschaut werden, worauf sich der Kunde im Streitfall konkret beruft.

Wer muss was beweisen?

Prinzipiell gilt im deutschen Recht, dass derjenige, der sich auf ein für ihn günstiges Recht wie das Widerrufsrecht beruft, für das Vorliegen der Voraussetzungen (z. B. der Verbrauchereigenschaft) beweispflichtig ist. Der Bundesgerichtshof hat das jedoch wieder relativiert: Unsicherheiten und Zweifel aufgrund der äußeren, für den Vertragspartner erkennbaren Umstände des Geschäfts gehen nicht zu Lasten des Verbrauchers.

Grundsätzlich ist bei einem Vertragsschluss mit einer natürlichen Person zunächst von einem Kauf eines Verbrauchers auszugehen. Der Händler ist beweispflichtig für die Tatsache, dass für einen gewerblichen Zweck gekauft wurde und der Händler somit kein Widerrufsrecht gewähren muss. Anders ist dies nur dann, wenn das Handeln aus der Sicht des Verkäufers eindeutig und zweifelsfrei einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zuzurechnen ist.

Dies ist sehr ärgerlich, aber in der Praxis sonst nicht anders umsetzbar. Hintergrund: Müsste jeder Verbraucher beweisen, dass er als solcher gekauft hat, würde dies die Kunden vor ungeahnte Probleme stellen und das Widerrufsrecht aushöhlen. Daher ist dies wie so oft eine Lösung, die auf dem Rücken der Händler ausgetragen wird.

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