Ein etwas anderer Erfahrungsbericht

„Ich war Teil eines Dreiecksbetruges!“ 😱

Veröffentlicht: 22.01.2024 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 22.01.2024
Popart von einer Frau, die erstaunt die Hände ins Gesicht schlägt

Ja, es hat schon etwas Ironisches, dass ausgerechnet ich, die sich als Juristin mit dem E-Commerce beschäftigt, in einen Dreiecksbetrug verwickelt war. Gleich vorweg: Absicht war es nicht, doch fangen wir von vorn an.

Das doppelte Hundefutter

Es ging mal wieder ums liebe Vieh, genauer gesagt um meine Hündin Lahja, deren Futter zur Neige ging. Um schnell Abhilfe zu schaffen, führte mich mein Weg also zu Amazon. Normalerweise bezahle ich für einen Zwölf-Kilo-Sack etwa 53 Euro. Schnell fand ich auf dem Marktplatz ein gutes Angebot: Zwei Säcke für etwa 65 Euro. Verdächtig günstig, fand mein Mann. Ich meinte aber noch: „Ach, keine Sorge. Wenn es ein Fake-Angebot ist, erstattet Amazon eigentlich schnell.“ 

Zwei Tage später erhielt ich dann die Lieferung mit den zwei Säcken – und einen Tag später noch einmal ein Paket mit wieder zwei Säcken. Während Lieferung eins direkt im Vorratsbehälter landete, schob ich Lieferung zwei erst mal samt Karton in die Ecke. Immerhin wusste ich, dass es immer mal zu doppelten Lieferungen kommen kann. Ich wusste auch, dass mich erst einmal keine Pflicht traf, das doppelte Lottchen zu melden. Aber: Für den Fall, dass dem Verkäufer das ganze noch auffiel, stand das Paket zum Rückversand bereit. 

Post von der Polizei

Es vergingen dann ein paar Wochen, bis ich Post von der Staatsanwaltschaft Leipzig erhielt. Ich sollte als Zeugin ein paar Fragen zu einem Sachverhalt beantworten, die das zweite Paket betrafen. Was war passiert? 

Ausgehend von dem Schreiben wurde eine Zooplus-Kundin geschädigt: Diese stellte fest, dass jemand über ihren Zooplus-Account zwei Säcke Hundefutter bestellt hatte. Als Lieferadresse wurde meine Anschrift angegeben. Die Zahlung wurde mit den Zahlungsdaten getätigt, die die Kundin bei Zooplus angegeben hatte. Als ich das Schreiben erhielt, schaute ich mir das Paket noch einmal genauer an und tatsächlich: Als Absender war Zooplus angegeben. Als ich noch einmal meinen Amazon-Bestellverlauf checkte, stellte ich fest, dass der Seller einen ellenlangen Namen, hauptsächlich bestehend aus Konsonanten, angegeben hatte. 

Ich füllte den Befragungsbogen nach besten Wissen und Gewissen aus, legte den Beleg von Amazon bei und legte auch offen, dass ich eine doppelte Lieferung erhalten hatte. 

Zeitgleich bei Zooplus

Bei dem einen oder anderen mag es jetzt klingeln: Zooplus? War da nicht irgendetwas? Ja, da war was und meine Kollegin hatte sogar davon berichtet: Im Verlaufe der ersten Jahreshälfte 2023 erhielten einige Zooplus-Kund:innen die Nachricht, dass sie bitte ihr Passwort zurücksetzen sollen. Schnell ging das Gerücht von einem Datenleck um. Dass es eine Sicherheitslücke gegeben haben könnte, bestritt Zooplus aber. 

Negative Bewertungen bei Trustpilot häufen sich. Die negativen Kommentare gingen bis März 2022 zurück und fielen damit in den Zeitraum meiner Hundefutterbestellung. Einen Zusammenhang kann ich natürlich nicht belegen. 

Dingdong, die Polizei ist hier

Dann passierte erst mal nichts, bis eines Tages die Polizei bei mir vorfuhr. Mir fielen auf Anhieb erschreckenderweise ein paar gute Gründe ein, warum die Polizei jetzt bei mir klingelte. Hundesteuer nicht bezahlt? Im Winter vielleicht nicht immer rechtzeitig Schnee geschippt? Was einem in der Kleinstadt eben so in den Sinn kommt. Die Hundefutterbestellung war jedenfalls nicht unter diesen ersten Ideen. 

Jedenfalls fragte mich der Polizist, ob ich denn vor kurzem Hundefutter bei Zooplus bestellt hätte. Hundefutter ja, Zooplus nein und nach einem kurzen hin und her löste sich das ganze so auf, dass wegen des ersten Pakets ebenfalls eine Anzeige erstattet wurde. Einem Zooplus-Kunden aus dem Zuständigkeitsbereich der Polizei Karlsruhe war das Gleiche passiert, wie der Leipziger Kundin und der Polizist wollte mich zur Zeugenbefragung für die Behörde in Karlsruhe bitten. Nun gut, Termin war gemacht. Ein paar Tage später hielt er wieder vor meiner Tür. Ob man das ganze auch schriftlich machen könnte. Ich kam nicht umhin, meinen Blick einmal über die Häuser der Nachbarschaft kreisen zu lassen. Zweimal innerhalb kürzester Zeit Besuch von der Polizei? Und das bei „den Neuen“ in der Nachbarschaft? Na gut. Kann ja niemand was dafür. 

Also: Zeugenfragebogen entgegengenommen, beantwortet und einige Tage später in den Briefkasten geworfen. Dann erhielt ich noch einen Anruf, ob ich denn die Antworten nicht auch noch mal per Mail schicken könne, dann müsste er das nicht abtippen. Digitalisierung läuft bei uns. Hab ich natürlich gemacht und dann war Ruhe. Vorerst.

Kurz erklärt: Dreiecksbetrug – wer bekommt am Ende eigentlich was?

Die Zeit der Ruhe will ich dafür nutzen, um noch einmal kurz zu erklären, was ein Dreiecksbetrug eigentlich ist und wie so was rein rechtlich am Ende aufgelöst werden kann. Normalerweise kennt man Dreiecks-Betrügerei vor allem von Kleinanzeigenportalen bei der Verwendung von Paypal. Hier ist es dann so, dass am Ende die Käuferschaft gezahlt hat, aber kein Produkt erhalten hat. Der oder die ursprüngliche seriöse Verkäufer:in hat das Geld für das verkaufte Produkt und die betrügerische Person, die sich dazwischen gemogelt hat, hat das Produkt, ohne dafür bezahlt zu haben. 

Zum Beispiel: Betrüger Manuel möchte ein neues Notebook, ohne dafür zu zahlen. Er geht auf ein Kleinanzeigenportal und findet dort ein Inserat von Lisa für 500 Euro. Manuel schaltet nun ein Fake-Inserat für ein höherpreisiges Gerät, welches aber auch 500 Euro kosten soll. Es meldet sich Claudia bei Manuel, um das Gerät zu erwerben. Gleichzeitig schließt er bei Lisa den Kauf ab und erhält ihre Paypal-Adresse. Diese Paypal-Adresse schickt er jetzt an Claudia, die daraufhin 500 Euro bezahlt. Unter dem Vorwand, das Notebook selbst nicht bei Lisa abholen zu können, schickt er einen Freund. Lisa händigt ihm das Notebook aus. Einige Tage später, erhält sie an ihre PayPal-Adresse eine Nachricht von Claudia, wo denn das Notebook sei, welches sie bezahlt habe.

Am Ende hat

  • Betrüger Manuel das Notebook, ohne dafür bezahlt zu haben,
  • Verkäuferin Lisa hat das Geld und kein Notebook und
  • Claudia hat als Geschädigte weder das Geld noch das Notebook.

Nicht verstanden? Kein Problem. Der Händlerbund hat das Vorgehen anschaulich erklärt:

Für meinen Fall passt das nun nicht ganz und ich muss auch ehrlich sagen: Was da genau abging, ist Spekulation. Möglicherweise haben Personen die Zooplus-Kunden gehackt, Produkte dann bei Amazon angeboten und mittels Dropshipping über Zooplus direkt an die Amazon-Käufer:innen geschickt. Möglicherweise haben die Personen hinter den Amazon-Angeboten die Daten aber auch gekauft. Man weiß es nicht. Dass ich das Futter doppelt hatte, war wohl eher ein Versehen, statt Teil der Masche. Im Ergebnis war es aber erst mal so:

  • Ich hatte das Futter, für welches ich gezahlt hatte.
  • Zooplus hatte kein Futter, dafür aber das Geld der Zooplus-Kundschaft.
  • Die Zooplus-Kundschaft hatte bezahlt, ohne selbst bestellt zu haben, hatte also auch keine Ware.
  • Der Amazon-Händler hatte mein Geld.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wer hier welche Ansprüche hat. Bleiben die Zooplus-Kund:innen auf dem Schaden sitzen? Darf ich das Futter behalten? Das ist alles nicht so einfach und gehört zu den Fragestellungen, mit denen Jura-Studierende gern mal geärgert werden. Geht man davon aus, dass der Fehler weder bei Zooplus noch bei deren Kundschaft lag, müssten ja die Personen hinter dem Amazon-Angebot haften. Nun ja. Aber ob man an die ran kommt? Das bezweifle ich doch stark. Zumindest die Geschädigten könnten ihr Geld von Zooplus zurückholen. Aber: Was ist, wenn die Kundschaft hingegen auf eine Phishing-Mail hereingefallen ist und so ihre Daten preisgegeben hat? Wer haftet für diese Leichtsinnigkeit? Zooplus hat uns auf Anfrage jedenfalls folgendes mitgeteilt: „Als kundenorientiertes Unternehmen prüfen wir jeden einzelnen Beschwerdefall und versuchen, ihn im Sinne des Kunden zu lösen. In diesem Fall haben wir betroffenen Kunden auf deren Anfrage hin eine Rückerstattung angeboten und sichergestellt, dass das Sicherheits- und Schutzniveau erhöht wurde.“

Es lief ein Ermittlungsverfahren gegen mich?!

Wie gesagt: Es war erstmal Ruhe und für mich war die Sache dann auch erledigt. Bis ich im November die Information von der Staatsanwaltschaft Leipzig erhielt, dass ein Ermittlungsverfahren gegen mich eingestellt wurde. Wie bitte? Es wurde gegen mich ermittelt? Ja, und zwar ging es um das Verfälschen beweiserheblichen Materials. Mehr stand da nicht. Ich konnte mir zwar denken, dass das ganze mit der Zooplus-Amazon-Hundefutter-Geschichte zusammen hing – aber wirklich sicher konnte ich mir nicht sein. Also rief ich bei der Staatsanwaltschaft an und fragte nach. Die Frau am Telefon konnte mir zwar bestätigen, dass es was mit Zooplus zu tun hätte, aber warum jetzt konkret ein Verdacht gegen mich bestanden hatte, wusste sie auch nicht.

Ich solle dem Staatsanwalt einfach schreiben. Der würde vielleicht antworten. Vielleicht. Als hätte ich nicht irgendwo auch ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, weswegen gegen mich ermittelt wurde. Nun gut, also hab ich einen Brief geschrieben und tatsächlich rief der Staatsanwalt mich an und erklärte mir, dass halt ermittelt wurde, weil ich das Paket erhalten habe. Ja gut, danke, schätze ich. Damit ist zumindest die Sache mit Paket zwei für mich vorerst erledigt: Das Hundefutter (aus beiden Paketen) wurde von Lahja in Energie umgewandelt, weitere Post von der Staatsanwaltschaft gab es nicht mehr und bisher kamen auch keine Forderungen. Allerdings bin ich schon sehr gespannt, ob bezüglich Paket eins auch noch einmal Post kommt.

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Über die Autorin

Sandra May
Sandra May Expertin für: IT- und Strafrecht

Sandra schreibt seit September 2018 als juristische Expertin für OnlinehändlerNews. Bereits im Studium spezialisierte sie sich auf den Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrechts. Nach dem Abschluss ihres Referendariats wagte sie den eher unklassischen Sprung in den Journalismus. Juristische Sachverhalte anschaulich und für Laien verständlich zu erklären, ist genau ihr Ding.

Sie haben Fragen oder Anregungen?

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Kommentare  

#7 Stephan 2024-02-07 10:56
noch eine Ergänzung zu #6
am 06.02.2024 zeigte Markt - Magazin des NDR einen Beitrag über Dreiecksbetrug. Der Beitrag war aus Käufersicht aufgebaut, am Ende war dann alles gut für den Kunden, da der Händler auf Kulanz die Rechnung / Mahnungen storniert hat und auch die Ware nicht zurückgefordert hat (die Kunden durften also die Ware KOSTENLOS behalten)
Geschädigt wurde also letztlich nur der Händler - aber gem. Markt-Magazin eben 'nur' aufgrund seiner Kulanz.
Wie ist das denn nun rein rechtlich (vor allem aus Sicht des Händlers)?
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#6 Stephan 2024-02-05 13:43
Das Video Dreiecksbetrug endet mit dem kurzen Kommentar: "Besonders schlecht steht nun Viktoria (Verkäuferin) da, sie hat weder Geld noch Ware"

Ich habe nur Beiträge gefunden, die die Rechte der Käufer betrachten.
Bitte macht doch einmal einen Beitrag, wie man sich als Händler absichern / schützen kann. Denn, wenn ich das hier rechtlich richtig verstehe, bleibt am Ende NUR der Verkäufer auf dem materiellen Schaden sitzen.
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#5 Bernd 2024-01-29 09:30
Hallo,

ich schließe mich meinen Vorredner an.

"Ich wusste auch, dass mich erst einmal keine Pflicht traf, das doppelte Lottchen zu melden. Aber: Für den Fall, dass dem Verkäufer das ganze noch auffiel, stand das Paket zum Rückversand bereit."

Entschuldigen Sie die Wortwahl, aber das ist für mich schlicht und ergreifende ein "asoziales Verhalten".

Mal sehen ob sich jemand meldet und falls nicht .. behalte ich das Futter einfach.
Dieses Verhalten ist mittlerweile zu einer "Mode-Erscheinu ng" geworden, die sich durch sämtliche Gesellschaftssc hichten zieht. Ehrlichkeit und die Denkweise, ich schade damit dem Händler oder wem auch immer ... bin deshalb ehrlich und melde das.
Ist das den Menschen komplett abhanden gekommen!?!
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#4 Alex 2024-01-25 12:07
Dass Sie bei Amazon bestellen, obwohl Sie sich beruflich mit der Plattform auseinandersetz en: geschenkt. Das ist Ihre Entscheidung. Dass Sie ein Angebot, dass eindeutig zu günstig erscheint, trotzdem bestellen, begründet mit: "Wenn es ein Fake-Angebot ist, erstattet Amazon eigentlich schnell". Auch noch geschenkt, wenn auch traurig, da ein typisches "modernes" Problem. Getreu dem Motto: "Amazon / Andere werden es schon für mich regeln, wenn was schief geht". Man fällt ja weich, also Hirn aus.

Aber dass Sie die Ware per se erstmal behalten und erst rausgeben möchten, wenn es dem Händler auffällt: spätestens hier ist mir dann die Kinnlade runtergefallen. Sie erinnern sich schon vage daran, an welche Leser sich Ihre Beiträge richten? Ich zumindest bin noch so erzogen worden, dass, wenn ich im Geschäft zu viel Wechselgeld bekomme, dies unaufgefordert zurückgebe.

Letzten Endes muss man sagen: Sie sind (in meinen Augen) wohl die klassische Amazon-Kundin.
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#3 Grummelpiet 2024-01-24 14:52
Sie haben zu Ihrer Bestellung via Amazon(beim Chinabetrüger) niemals eine Lieferung erhalten - aber via Amazon bezahlt?

Sie haben 2* unverlangt Ware von Zooplus erhalten und die mal eben an den Hund verfüttert - ohne auf die Idee zu kommen die Ware zu bezahlen oder wieder rauszurücken?

Wundern sich aber über Ermittlungen gegen Sie?

Natürlich haben Sie keinen OnlineBetrug gestartet - aber fremde Ware verwertet(Ihre Ware war das ja nie und bezahlt haben Sie auch nie) - und einem Dritten Geld geschickt, nie Leistungen dafür erhalten, aber auch nie zurückgefordert - gerade auch wegen dem letzten Punkt ist die Frage nach Ihrem Mitwissen/Betei ligung doch ganz normal..?..

Das ganze wäre bei anderen Warenwerten(auc h im Verhältnis zu Transportkosten ) bestimmt ganz anders ausgegangen.

Auslöser war wohl auch hier das betrugsanfällig e System - "online kaufen auf Rechnung mit abweichender Lieferanschrift " von besonders "kundenfreundli chen" Webshops.
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#2 Peter 2024-01-24 14:30
Hallo,

das iss ja ne wilde Geschichte. Schwer vorstellbar wer hier einen Vorteil hat...außer Dir. Kein Wunder, dass der Stattsanwalt erst einmal ermittelt.

Zum "normalen" Dreiecksbetrug" sollte sich jeder Kleinanzeigen Verkäufer mal merken, dass PayPal nur mit Versand zusammenpasst. Natürlich nur versichert und mit trackingdaten. Dann gibts bei Problemen mit dem Kunden auch von PayPal das Geld zurück.
Wenn jemand persönlich die Ware abholt muss er Bargeld mitbringen. Dann ist s auch egal ob das ein "Freund" vom Käufer ist.
Warum sollte man beim persönlichen Abholen vorab mit PayPal zahlen wollen? Das ist komplizierter und ergibt nur für Betrüger Sinn.

Schöne Grüße!
Peter
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#1 Martin 2024-01-24 14:24
"Ich wusste auch, dass mich erst einmal keine Pflicht traf, das doppelte Lottchen zu melden. Aber: Für den Fall, dass dem Verkäufer das ganze noch auffiel [...]"

Schade, dass dies Ihre Vorgehensweise ist. Pflicht hin oder her.
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