Kolumne „Pech gehabt“

Verabschiedet sich die Regierung von Facebook? Abwarten...

Veröffentlicht: 30.06.2021 | Geschrieben von: Christoph Pech | Letzte Aktualisierung: 30.06.2021
Facebook

Facebook wird ja gern vorgeworfen, an Relevanz verloren zu haben. Die Meinungsmacher shitstormen bei Twitter, die coolen Kids blödeln bei TikTok und ein Instagram-Follower scheint für Influencer in etwa den Wert von 1.000 Facebook-Fans zu haben. Bei Instagram bleibt's zwar in der Familie, der gefühlte Wert-Verlust kann dem nach wie vor größten sozialen Netzwerk der Welt aber nicht schmecken. Die Betonung liegt hier auch auf „gefühlt“, denn Facebook hat von seiner Relevanz nichts eingebüßt, auch wenn das die Meinungsmacher, coolen Kids und Influencer gern in Abrede stellen.

Facebook ist für Unternehmen, Institutionen und Prominente noch immer das Tor zur größten Schnittmenge an Zielgruppen, wenn es um die reinen Zahlen geht. So viele Milliarden (!) Nutzer hat kein Konkurrent. Und Facebook ist deswegen ungebrochen lukrativ: Wenn es um Werbung geht, nimmt nur Google mehr ein. Auch deswegen geht man mit diesem Netzwerk nicht leichtfertig um. Erinnert sich noch jemand an den Werbeboykott, dem sich Dutzende Unternehmen im vergangenen Sommer unter dem Motto #StopHateForProfit angeschlossen hatten? Ob sich da bei Facebook deswegen wirklich etwas getan hat, lässt sich relativ leicht prüfen, indem man mal in die Kommentarspalten von News-Portalen schaut.

Kein Facebook muss man sich leisten können

Facebook – und selbst, wenn man es als reine Werbeplattform nutzen will – den Rücken zu kehren, muss man sich leisten können. Denn auf die potenzielle Reichweite verzichtet man nicht leichtfertig und nimmt offenbar die Probleme in Kauf, die es mit sich bringt. Der oberste Datenschützer Deutschlands, Ulrich Kelber, hat nun gefordert, die Facebook-Seiten von Bundesregierung und Bundesbehörden abzuschalten, weil das Thema Datenschutz beim US-Konzern nach wie vor ein schwieriges bleibt.

Die passenderweise eingebaute Hintertür lautet: Das soll erst ab dem Januar 2022 geschehen. Und warum? Weil eine Bundestagswahl vor der Haustür steht und es sich aktuell niemand im Bund leisten kann, auf die Reichweite von Facebook zu verzichten. Die Regierung und ihre Ministerien kommen zusammen auf mehrere Millionen Facebook-Fans, die man mit abgeschalteten Seiten irgendwie anders erreichen muss. Und das ist gerade für eine CDU/CSU-geführte Bundesregierung ein schwieriges Unterfangen, da die Kernwählerschaft bei Facebook weniger zu finden ist.

Wo ist die Konsequenz?

Dieser Aufschub ist inkonsequent. Zwar kündigt Kelber an, ab Januar 2022 „im Rahmen seiner Zuständigkeit“ zu Zwangsmaßnahmen greifen zu wollen. Unklar ist aber, warum das nicht längst passiert ist. Dass „ein datenschutzkonformer Betrieb einer Facebook-Fanpage gegenwärtig nicht möglich“ sei, sagte Kelber schon 2019, Verbesserungsvorschläge von Facebook wurden als nicht ausreichend eingestuft.

Konsequent wäre es, wenn man die Schotten längst dicht gemacht hätte. Aber dann würde man eben auf enorme Reichweite verzichten, die man auf anderen Wegen kaum zurückbekommt. Und dass es ab Januar wirklich keine Facebook-Seiten von Regierungsseite mehr gibt, darf außerdem bezweifelt werden. Beim Kritisieren des Zuckerberg-Konzerns stellen sich Deutschland – und auch die EU – immer gern in die vorderste Front. Wenn es um konkrete Maßnahmen geht, dauert es alles immer ein bisschen länger.

Über den Autor

Christoph Pech
Christoph Pech Experte für: Digital Tech

Christoph ist seit 2016 Teil des OHN-Teams. In einem früheren Leben hat er Technik getestet und hat sich deswegen nicht zweimal bitten lassen, als es um die Verantwortung der Digital-Tech-Sparte ging. Digitale Politik, Augmented Reality und smarte KIs sind seine Themen, ganz besonders, wenn Amazon, Ebay, Otto und Co. diese auch noch zu E-Commerce-Themen machen. Darüber hinaus kümmert sich Christoph um den Youtube-Kanal.

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