Vorverurteilung

RTL darf Wirecard-Film nicht weiter veröffentlichen

Veröffentlicht: 27.04.2021 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 27.04.2021
RTL-Turm

Der Wirecard-Skandal sorgte und sorgt noch immer für viel mediale Aufmerksamkeit. Schon früh wurde eine filmische Aufarbeitung des Skandals angedroht. Diese kam nun als RTL-Produktion mit dem Titel „Der große Fake – Die Wirecard Story“ auf die heimischen Bildschirme. Allerdings sorgte das „packende Doku-Drama“ nun selbst für Aufmerksamkeit in der Justiz. Das Oberlandesgericht München verbot die Ausstrahlung nämlich bereits im Vorfeld auf Bestreben des Kronzeugen Oliver B. 

Vorverurteilung des Kronzeugen Oliver B.

Das Oberlandesgericht München (Az.: 18 W 638/210) wirft dem Sender eine Vorverurteilung des Kronzeugen Oliver B. vor. Als Architekt einer Tochter-Firma Wirecards und als enger Vertrauter des flüchtigen Ex-Vorstands Jan Marsalek gilt B. als einer der wichtigsten Zeugen im Wirecard-Skandal. 

Natürlich hat diese wichtige Figur auch einen Auftritt in der RTL-Produktion. Genau diesen Auftritt stufte das Gericht aber laut der FAZ als vorverurteilend ein, was im Zusammenhang mit strafrechtliche relevanten Vorwürfen keine Seltenheit sei. Konkret werde im Film der Verdacht geäußert, Wirecard habe auch Kinderpornographie und Terrorismus mitfinanziert. B. soll dabei als Statthalter in Dubai eine maßgebliche Rolle gespielt haben.

Entsprechend entschied das Gericht, dass es RTL bei Androhung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise einer Ordnungshaft, untersagt wird, über den Kronzeugen Oliver B. im Zusammenhang mit den strafrechtlichen Vorwürfen gegen seine Person „identifizierend zu berichten“. Diese Entscheidung erging allerdings nur wenige Stunden vor der Ausstrahlung, so dass an der geplanten Sendung nichts mehr zu ändern gewesen sei.

Zwei Minuten

Der Sender hat den Film in der Mediathek an den entsprechenden Stellen zwar verfremdet, stuft die Entscheidung des OLG Münchens dennoch als falsch ein: „Wir beurteilen die Sach- und Rechtslage ebenso, wie zuvor auch das Landgericht München I und halten die Entscheidung des OLG München schlicht für falsch“, wird eine RTL-Sprecherin zitiert.

Außerdem ginge es um lediglich zwei Minuten des Films, in denen nicht einmal der Verdacht geäußert werde, dass der Kronzeuge in strafrechtlich relevanter Weise eine maßgebliche Rolle gespielt habe. 

Der Anwalt des von Oliver B. hat bereits angekündigt, dass in der Gerichtsentscheidung angedrohte Ordnungsgeld aufgrund der TV-Ausstrahlung zu beantragen. RTL wird also vermutlich erklären müssen, warum die Ausstrahlung des Films wie vom Gericht verlangt, nicht verhindert werden konnte. 

Über die Autorin

Sandra May
Sandra May Expertin für: IT- und Strafrecht

Sandra schreibt seit September 2018 als juristische Expertin für OnlinehändlerNews. Bereits im Studium spezialisierte sie sich auf den Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrechts. Nach dem Abschluss ihres Referendariats wagte sie den eher unklassischen Sprung in den Journalismus. Juristische Sachverhalte anschaulich und für Laien verständlich zu erklären, ist genau ihr Ding.

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