Unternehmenstradition

Ab wann darf ein Unternehmen mit „jahrelanger Erfahrung“ werben?

Veröffentlicht: 23.06.2021 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 23.06.2021
Historische Ladenfronten

Ein Unternehmen, welches seine langjährige Erfahrung auf einem bestimmten Gebiet bewirbt, suggeriert damit besondere Kenntnisse sowie wirtschaftliche Leistungskraft, Zuverlässigkeit und Solidität. Damit kann die Werbung auch mittelbar die Kaufentscheidung der Kunden beeinflussen. Wer sein Unternehmen in der Werbung erfahrener macht, als es in Wirklichkeit ist, verstößt daher grundsätzlich gegen das Wettbewerbsrecht.

Langjährig oder jahrelang?

Gerade die steigenden Temperaturen machen eins besonders attraktiv: Bademöglichkeiten im eigenen Heim und Garten. Angesichts der immer noch ernst zu nehmenden Pandemie-Situation wäre das auch eine vernünftige Entscheidung. Wer sich nicht an den Super- oder Baumarkt wenden will, geht lieber zum Fachhändler und lässt sich möglicherweise von Aussagen wie „Unsere jahrelange Erfahrung im Bereich der Whirlpools…“ und/oder „… unserer jahrelangen Erfahrung im Wellness-Bereich…“ dort von den etwas höheren Preisen überzeugen. Genau diese Aussagen waren aber nicht statthaft, wie ein Gericht feststellt.

Denn das Unternehmen ist erst seit 2018 im Handelsregister eingetragen, also rund drei Jahre. Der Hinweis auf Alter und Tradition eines Unternehmens in einer Werbeaussage suggeriere Kontinuität, die eine gewisse wirtschaftliche Fortdauer impliziere, so das Gericht (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 25.03.2021, Aktenzeichen: 6 U 212/19). Das gegenwärtige Unternehmen müsste also, um eine solche Werbeaussage für sich nutzen zu können, trotz aller im Laufe der Zeit eingetretenen Änderungen noch mit dem früheren als wesensgleich angesehen werden können, also im Bereich Whirpools und Wellnessausstattung tätig sein. Bei wirtschaftlicher Identität sind immerhin der Inhaberwechsel oder eine spätere Rechtsnachfolge, beispielsweise durch Vererbung des Unternehmens, unerheblich. Auch eine Änderung des Firmennamens oder der Rechtsform dürfte keine Rolle spielen.

Lang, länger… deutsche Gerichte

Es ist ein bisschen wie bei der lebenslangen und der lebenslänglichen Haftstrafe – denn beide sind nicht das gleiche. Auch die Angaben „langjährig“ und „jahrelang“ sind nicht einfache Synonyme, sondern „langjährig“ soll länger sein als „jahrelang“. Damit widersetzte sich das Gericht übrigens der Aufffassung des Duden.

Ist ein Unternehmen gerade mal zwei Jahre am Markt, soll man schon die Aussage „jahrelang” nutzen können. Eine langjährige Erfahrung setzt aber, so die Richter, deutlich mehr voraus. Wie lange die „lange Reihe von Jahren” aber sein soll, nannten sie nicht. Über dieses Thema kann man wohl lange und breit diskutieren...

Dass auch die Werbung mit einer Firmentradition unzulässig ist, wenn die beschriebene Firmengeschichte in Wahrheit nicht besteht, versteht sich von selbst (vgl. OLG München, Urteil vom 07.11.2013, Aktenzeichen: 29 U 1883/13).

Über die Autorin

Yvonne Bachmann
Yvonne Bachmann Expertin für: IT-Recht

Yvonne ist schon seit Beginn ihrer juristischen Laufbahn mit Leib und Seele im IT-Recht unterwegs. Seit Anfang 2013 ist sie als Volljuristin beim Händlerbund tätig und berät dort hilfesuchende Online-Händler in Rechtsfragen rund um ihren Shop. Genausolange berichtet sie bei uns zu Rechtsthemen, welche die E-Commerce-Branche aufwirbeln. 

Sie haben Fragen oder Anregungen?

Kontaktieren Sie Yvonne Bachmann

Schreiben Sie einen Kommentar

Newsletter
Abonnieren
Bleibe stets informiert mit unserem Newsletter.