Google Fonts-Abmahnungen waren missbräuchlich

Veröffentlicht: 04.04.2023
imgAktualisierung: 04.04.2023
Geschrieben von: Yvonne Bachmann
Lesezeit: ca. 3 Min.
04.04.2023
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ca. 3 Min.
Google Fonts-Logo auf Smartphone
© dennizn / Shutterstock.com
Das AG Ludwigsburg entschied: Es war Rechtsmissbrauch, dass Google Fonts-Abmahnungen versendet wurden.


Auch wenn sich die geforderten Beträge bei den Tausenden von Google Fonts Abmahnungen aus dem Jahr 2022 in Grenzen hielten, haben sich einige betroffene Webseitenbetreiber aktiv zur Wehr gesetzt. Neben strafrechtlichen Ermittlungen gegen einen der Google Fonts-Abmahnanwälte (wir berichteten) zieht sich jetzt auch in zivilrechtlicher Sicht die Schlinge enger um das Geschäftsmodell der Google Fonts-Abmahnungen.

Kann man bei den Google-Fonts-Abmahnungen von Rechtsmissbrauch sprechen?

Der Verdacht eines Rechtsmissbrauchs steht bei Abmahnungen immer dann im Raum, wenn massenhaft dieser Schreiben verschickt werden. Denn wenn im Vordergrund nicht wie im Falle von Google Fonts der Datenschutz, sondern die Zahlungen der Abgemahnten stehen, könnte tatsächlich ein Rechtsmissbrauch vorliegen. 

Rechtsanwältin Katharina Däberitz bestätigte uns Ende letzten Jahres auch den Verdacht: „Wenn solche Briefe nur verschickt werden, um am Ende Geld zu kassieren, könnte tatsächlich ein Rechtsmissbrauch vorliegen“. Allerdings, und das ist das große Problem, sei eine Pauschalisierung nicht möglich, denn inhaltlich sind die Abmahnungen überwiegend begründet. 

Ein Rechtsmissbrauch muss stets durch ein Gericht bestätigt werden – und das ist nicht einfach. Im Streitfall trägt nämlich der Abgemahnte die Beweislast, dass es sich tatsächlich um eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung handelt. Ein betroffener Webseitenbetreiber hat es dennoch versucht und konnte das Amtsgericht Ludwigsburg von seiner These überzeugen.

„Aufmerksamkeit erregen“

Die Google Fonts-Abmahnungen seien als Serienabmahnung rechtsmissbräuchlich gewesen (Urteil vom 28.02.2023, Az.: 8 C 1361/22), denn es habe nicht die Beseitigung des Datenschutzverstoßes, sondern das Interesse an einer Einnahmeerzielung im Vordergrund gestanden. Daher bestehe auch kein Anspruch auf Unterlassung, Schadensersatz und Erstattung der Abmahnkosten.

Der Abmahner hat im Verfahren zu seiner Verteidigung angegeben, dass es ihm vorrangig darum ging, Aufmerksamkeit für das Thema Fonts zu erzeugen, um hierüber eine Änderung des Nutzerverhaltens zu erreichen. Und das hat auf jeden Fall gefruchtet. Mindestens 217.540 Anschreiben sollen es laut Urteil gewesen sein. Das Medienecho suchte ebenfalls seinesgleichen.

Dass dies nur durch eine so große Anzahl von Anschreiben und einer Ausgleichszahlung erreicht werden konnte, überzeugte die Richter jedoch letztendlich trotzdem nicht.

Ablasshandel 2.0

Komisch kam es dem Abgemahnten und den Richtern vor, dass man es mit einer Zahlung „auf sich beruhen lassen“ konnte. Das bringe erst recht zum Ausdruck, dass es dem Abmahner nicht vorrangig darum ging, dass weitere datenschutzrechtliche Verstöße unterbleiben, sondern um die Erzielung von Einnahmen. Für ein im Vordergrund stehendes Einnahmeerzielungsinteresse sprach auch, dass der Abmahner überwiegend keine weiteren Maßnahmen ergriffen hat. Es sei nicht nachvollziehbar, warum nicht jedenfalls gegen eine gewisse Anzahl der Angeschriebenen, welche nach Ablauf der gesetzten Zahlungsfrist die Vergleichssumme nicht bezahlt hat, weiter vorgegangen wurde.

Mandant und Anwalt machten gemeinsame Sache?!

Es sei anzunehmen, dass der Abmahner mit seinem Rechtsanwalt „in kollusiver Weise eine Teilung des erwirtschafteten Gewinns vereinbart hat“, heißt es in den Urteilsgründen. Eine Beauftragung durch seinen Mandanten sowie die ordnungsgemäße Vergütung seines Rechtsanwaltes konnte im Verfahren ebenfalls nicht nachgewiesen werden.

Der Abmahner ist zwar im Urteil nicht genannt. Da der geforderte Betrag von 170 Euro genannt wird, sind mutmaßlich die Abmahnungen des Rechtsanwalts Kilian Lenard aus Berlin (für seinen Mandanten Martin Ismail) gemeint, gegen den bereits ermittelt wird (s.o.).

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Yvonne Bachmann

Yvonne Bachmann

Expert/in für: IT-Recht

Veröffentlicht: 04.04.2023
img Letzte Aktualisierung: 04.04.2023
Lesezeit: ca. 3 Min.
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KOMMENTARE
4 Kommentare
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Roland Bär
06.04.2023

Antworten

Fair wäre alle Gelder pauschal zwangsweise zurückzuzahlen.
Was spricht dagegen?
Diese Totschlagregeln:
Einzelfallprüfung
"Rechtsmissbräuchlich" - Behauptung ist ja allein ausrechend.

Merkt Ihr Juristen nicht wie groß die tiefe Verachtung der Händler und Bevölkerung gegen die Rechtsprechung ist.
Jede Woche beschweren sich in der seriösen Berliner Morgenpost unzählige Bürger über nicht begreifbare Urteile. Die "Unabhängigkeit " führt zur Willkür ohne Ende
Ansgar Schmitt
06.04.2023

Antworten

Die Mutmaßung war Erpressung und gewerbsmäßiger Betrug. Da darf man ja wohl ein paar Jahre Knast erwarten dürfen, wenn man mal die Summen hochrechnet, um die es ging. Bekommen die Opfer das bezahlte Geld samt angemessenem Schadenersatz zurück?

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Antwort der Redaktion

Hallo,

ein eventueller Anspruch auf Rückzahlung müsste im Einzelfall geprüft werden.

Mit den besten Grüßen
die Redaktion
Roland Bär
05.04.2023

Antworten

ist diese Kooperation der beiden nicht bandenmäßiger Betrug?

Wenn nein, warum nicht?
Kooperation - ja
Serienmäßig - ja
was fehlt?
angeblich keine Betrugsabsicht, nur Aufmerkasamkeit von 2 missionarischen Gutmenschen
Roland Bär
05.04.2023

Antworten

welche Strafe erhält der Abzocker?
Wenn die nicht abschreckend ist, was alle wundern würde, kann man weitermachen. Passiert einem nichts wenn es in einem von 10 Tausenden Fällen von Abzocke mal schiefläuft.