Der Fall Sawsan Chebli

Wie weit ist die Meinungsfreiheit im Netz geschützt?

Veröffentlicht: 05.04.2023 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 05.04.2023
Sprechblase hinter Stacheldraht

Die Meinungsfreiheit ist – als grundgesetzlich garantiertes Recht – eines der bedeutendsten Güter hierzulande. Zu recht. Doch bedauerlicherweise reizen viele Internetnutzer dieses Grundrecht bis aufs Äußerste aus. Negative Bewertungen gehören nicht nur zum Alltag im E-Commerce. Hass-Posts berühren auch die Persönlichkeitsrechte jedes einzelnen. Das durfte jetzt auch erneut die SPD-Politikerin Sawsan Chebli spüren.

Meinungsfreiheit ja, Diffamierung nein

Obwohl jeder seine subjektive Meinung äußern kann und darf, gibt es einen Bereich, in dem die freie Meinungsäußerung nicht mehr garantiert ist. Genannt werden müssen hier Beleidigungen oder üble Nachrede, die direkt auf eine andere Person abzielen und diese gezielt herabwürdigen und diffamieren sollen (sog. Schmähkritik). In diesen Fällen kann der Betroffene eine Anzeige bei der Polizei stellen sowie die Löschung der Bewertung verlangen. Letzteres tat die Politikerin Sawsan Chebli vor dem Landgericht Heilbronn.

Die Politikerin mit Migrationshintergrund war bei Facebook 2020 wegen ihrer fachlichen Qualifikation stark beleidigt worden. Den genauen Wortlaut des Kommentars wollen wir an dieser Stelle gar nicht noch einmal zitieren; ihm wurde nach unserem Geschmack bereits zu oft eine Bühne in den Medien (zum Generieren von Klicks) gewährt. Die Äußerung war eine Reaktion auf einen kritischen Beitrag eines CDU-Politikers über wiederum eine Meinung von Sawsan Chebli zum Comedian Dieter Nuhr, in dem sie diesen ihrerseits als „ignorant, dumm und uninformiert“ bezeichnete, weil er Witze auf Kosten von Minderheiten mache.

Auch polemische, überspitzte Kritik hinzunehmen

Letztendlich scheiterte die Klage jedoch, denn das Gericht stufte den Hass-Kommentar als „noch von der Meinungsfreiheit“ umfasst ein (Urteil vom 22.03.2023, Az.: Ko 8 O 85/22). „Das Gericht sendet mit dieser Entscheidung ein fatales Signal. Meinungsfreiheit bedeutet nicht, dass man Menschen aufs Übelste beleidigen und diffamieren darf“, wird sie von der FAZ zitiert.  „Juristisch vollkommen versagt“, stimmte auch Renate Künast bei Spiegel-Online zu.

Laut den Urteilsgründen trägt Chebli selbst vor, eine bekannte, in der Öffentlichkeit stehende Persönlichkeit zu sein, sodass sie naturgemäß im Rahmen von Meinungsstreitigkeiten auch heftigerer Kritik ausgesetzt sei. Hiermit müsse sie aufgrund ihrer Entscheidung, eine öffentliche Position zu bekleiden, leben. Es sei der gesamte Kontext sowie die geführte Kommunikation und das genutzte Vokabular zu berücksichtigen, so das Gericht. So habe Chebli die Diskussion selbst mit einem vergleichbaren Vokabular gestartet, weshalb sie mit entsprechenden Erwiderungen zu rechnen und diese auch auszuhalten habe.

Über die Autorin

Yvonne Bachmann
Yvonne Bachmann Expertin für: IT-Recht

Yvonne ist schon seit Beginn ihrer juristischen Laufbahn mit Leib und Seele im IT-Recht unterwegs. Seit Anfang 2013 ist sie als Volljuristin beim Händlerbund tätig und berät dort hilfesuchende Online-Händler in Rechtsfragen rund um ihren Shop. Genausolange berichtet sie bei uns zu Rechtsthemen, welche die E-Commerce-Branche aufwirbeln. 

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