Pflicht oder Kür?

Barrierefreiheit: Ein Weckruf an den Online-Handel

Veröffentlicht: 02.03.2023 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 03.03.2023
Mensch mit Prothese am Laptop

Für die meisten ist es eine Selbstverständlichkeit: Hier mal eben das Bahnticket per App gebucht, dort mal schnell die Überweisung gemacht. Das ist für Menschen mit einer Behinderung jedoch schwierig, teilweise sogar undenkbar. Sowohl offline als auch online existieren immer noch zahlreiche Hürden für sie. Die Zahl der Menschen mit Behinderungen und/oder Beeinträchtigungen wird, beispielsweise wegen der Vergreisung der Bevölkerung, aber noch deutlich steigen. Der Bedarf an barrierefreien Produkten und Dienstleistungen ist daher ungebrochen und es ist ein diskussionswürdiges Thema, dass es hier überhaupt Gesetze bedarf, die Unternehmen zu mehr Barrierefreiheit bewegen. 

Der aktuelle Rechts-Dschungel

Um sich jedoch erst einmal einen Überblick über die aktuelle Rechtslage zu verschaffen, muss man sich durch eine Reihe an deutschen und europäischen Regelungen kämpfen. In der EU (und erst recht weltweit) gibt es wie so oft einen Flickenteppich an Vorschriften. Um zumindest in der EU weitestgehend einheitliche Regelungen zu schaffen, wurde die Richtlinie (EU) 2019/882 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen erlassen. Sie ist (bzw. wird) der Kern der aktuellen Rechtslage für den Handel. Dazu gleich mehr.

Weil Richtlinien nicht direkt in den jeweiligen Mitgliedstaaten gelten, müssen sie stets von den einzelnen Nationen in nationales Recht umgewandelt werden. Teilweise sind sie dabei frei, teilweise gibt die Richtlinie feste Regelungen vor, die unverändert zu übernehmen sind. Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) bildet da keine Ausnahme. Es ist die deutsche Umsetzung der Barrierefreiheitsrichtlinie. Wenn es um die Barrierefreiheit geht, gibt es aber noch einige andere Normen zu beachten.

Gesetzliche Grundlagen:

  • Artikel 3 des Grundgesetzes: Recht auf allgemeine Gleichbehandlung
  • Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen („UN-BRK“)
  • Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
  • EU-Richtlinie zur Barrierefreiheit von Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen (Richtlinie 2016/2102)
  • Web Content Accessibility Guidelines (WCAG)
  • Behindertengleichstellungsgesetz (BGG)
  • Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) für öffentlichen Stellen des Bundes
  • Richtlinie 2019/882 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen
  • Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), welches die Richtlinie 2019/882 umsetzt
  • Verordnung zur Umsetzung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV)

 

Status quo in Deutschland

Im Alltag sind es unüberwindbare Treppen, die die Mobilität von Menschen einschränken. Im World Wide Web ist es die fehlende Barrierefreiheit von Webseiten oder Apps, die behinderten Personen den Alltag erschwert. Das ist nicht nur für die Betroffenen frustrierend und diskriminierend, sondern auch eine Einschränkung der informationellen Selbstbestimmung sowie des Grundrechts auf allgemeine Gleichbehandlung.

Den ersten großen Schritt ist man mit dem BGG gegangen (vgl. Infokasten): Entsprechend enthält das Gesetz eine Reihe von Regelungen zur Verbesserung der Barrierefreiheit des Bundes, unter anderem die Stärkung der „Leichten Sprache“ in der Verwaltung oder die Verpflichtung, öffentliche Gebäude leichter zugänglich zu machen. Erst einige Jahre nach dem Inkrafttreten wurde das Gesetz jedoch um eine digitale Säule ergänzt: Behörden und Krankenhäuser, Universitäten und Bibliotheken, aber auch Gerichte oder andere öffentliche Institutionen müssen ihre Webseiten im Sinne des Gesetzes verändern oder anpassen. Seit 2018 sind alle öffentlichen Stellen dazu verpflichtet, ihr digitales Angebot barrierefrei zu gestalten. 2025 folgt der nächste Meilenstein.

Was erwartet Unternehmen ab 2025?

Der private Sektor hat jedoch lange genug die Augen verschlossen für die Belange von behinderten Menschen jedweder Art. Die Richtlinie über die Barrierefreiheitsanforderungen (umgesetzt durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, kurz: BFSG) für Produkte und Dienstleistungen nimmt nun zum ersten Mal auch Hersteller von digitalen Produkten oder Webseitenbetreiber in die Pflicht, denn über kurz oder lang müssen alle Unternehmer nicht nur dafür sorgen, dass ihre Websites und Online-Shops für jedermann barrierefrei zugänglich sind, sondern auch einige Produkte und Dienstleistungen barrierefrei hergestellt werden. Das BFSG tritt, bis auf wenige Ausnahmen, in rund zwei Jahren, am 28.06.2025 in Kraft. 

Für was gilt das BFSG?

Durch das BFSG werden Wirtschaftsakteure, die verschiedene Produkte und Dienstleistungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien und -systeme anbieten, verpflichtet, für ihre Produkte eine barrierefreie Nutzung zu gewährleisten. Definiert sind im Sinne dieses Gesetzes unter anderem folgende Produkt- und Dienstleistungsgruppen:

  • Hardwaresysteme, bestimmte Betriebssysteme für Universalrechner für Verbraucher, z. B. Desktops, Notebooks, Smartphones und Tablets
  • Selbstbedienungsterminals, z. B. Ticketautomaten
  • Verbraucherendgeräte mit interaktivem Leistungsumfang für elektronische Kommunikationsdienste und audiovisuellen Mediendiensten, z. B. Amazon Fire TV Stick oder Spielekonsolen
  • E-Books und E-Book-Lesegeräte und hierfür bestimmte Software
  • Elektronische Kommunikationsdienste, z. B. Mobiltelefone, Tablets, Router, Modems
  • Websites
  • auf Mobilgeräten angebotene Dienstleistungen, einschließlich Apps
  • elektronische Ticketdienste, z. B. für Flugtickets oder Boardingkarten
  • Bankdienstleistungen für Verbraucher
  • Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr, d. h. Dienstleistungen und Produkte, die über Webseiten und auf Mobilgeräten angeboten werden, z. B. Online-Handel, elektronische Terminbuchungs-Webseiten (auch wenn die Dienstleistung als solche nicht unter das BFSG fallen würde)
  • Bereitstellung von Informationen auf Informationsbildschirmen und interaktiven Bildschirmen

Jedem Unternehmen steht es jedoch frei, seine Produkte und Dienstleistungen, die hier nicht genannt sind, freiwillig barrierefrei anzubieten. Das Gesetz gilt für Produkte, die nach dem 28. Juni 2025 in den Verkehr gebracht werden, also zum Vertrieb auf den Markt kommen.

Wer wird durch das BFSG geschützt?

Als „Menschen mit Behinderungen“ fallen unter den Schutzbereich alle Menschen, die langfristige (regelmäßig länger als sechs Monate) körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können. In Italien weitete man den Anwendungsbereich sogar noch freiwillig aus. Dort gelten die Anforderungen auch für weniger schwerwiegende oder nur vorübergehende funktionelle Einschränkungen, beispielsweise Reisende, die sich in einem lauten Bahnhof befinden und ein Video ohne Kopfhörer ansehen möchten oder Personen, die sich einen Arm gebrochen haben.

Was bedeutet Barrierefreiheit?

Fällt ein Produkt oder eine Dienstleistung unter das BFSG, muss es, wie nicht anders zu erwarten, barrierefrei sein. Doch was heißt das konkret? Produkte und Dienstleistungen sind barrierefrei, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Das klingt zunächst etwas schwammig. Die konkreten Anforderungen an die Barrierefreiheit für Produkte und Dienstleistungen richten sich nun nach der Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV).

Dabei ist vor allem der aktuelle Stand der Technik zu beachten. Die Bundesfachstelle für Barrierefreiheit veröffentlicht dazu künftig auf ihrer Website eine Auflistung der wichtigsten zu beachtenden Standards, aus denen die Barrierefreiheitsanforderungen detailliert hervorgehen, sowie Konformitätstabellen und aktuelle Informationen zu den zu beachtenden Standards.

Pflichten der Hersteller

In erster Linie setzt das BFSG bei der Herstellung an, es richtet sich unter andem an denjenigen, der ein Produkt herstellt oder entwickeln oder herstellen lässt und dieses Produkt unter seinem eigenen Namen oder seiner eigenen Marke vermarktet. Der Hersteller darf ein Produkt nur in den Verkehr bringen, wenn

  • das Produkt barrierefrei gestaltet und hergestellt worden ist,
  • die technische Dokumentation erstellt wurde, 
  • das Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt wurde und die Konformität des 
  • Produkts mit den geltenden Barrierefreiheitsanforderungen im Rahmen dieses Verfahrens nachgewiesen wurde,
  • der Hersteller eine EU-Konformitätserklärung erstellt hat und
  • die CE-Kennzeichnung angebracht wurde.

Besondere Kennzeichnungs- und Informationspflichten des Herstellers:

  • Der Hersteller hat dafür zu sorgen, dass sein Produkt eine Typen-, Chargen- oder Seriennummer oder ein anderes Kennzeichen zu seiner Identifikation trägt. Falls dies aufgrund der Größe oder der Art des Produkts nicht möglich ist, hat der Hersteller dafür zu sorgen, dass die zur Identifikation erforderlichen Informationen auf der Verpackung oder in einer dem Produkt beigefügten Unterlage angegeben werden.
  • Der Hersteller hat beim Inverkehrbringen seinen Namen, seine Firma oder seine Marke sowie seine Postanschrift auf dem Produkt anzugeben. Falls dies aufgrund der Größe oder der Art des Produkts nicht möglich ist, sind diese Informationen auf der Verpackung oder in einer dem Produkt beigefügten Unterlage anzugeben. Die Postanschrift muss eine zentrale Stelle bezeichnen, unter der der Hersteller kontaktiert werden kann.
  • Die Kontaktdaten sind in einer Sprache zu verfassen, die vom Verbraucher leicht verstanden werden kann.
  • Der Hersteller stellt sicher, dass dem Produkt eine Gebrauchsanleitung und Sicherheitsinformationen in deutscher Sprache beigefügt sind.
  • Die Kennzeichnungen, die Gebrauchsanleitung und die Sicherheitsinformationen müssen klar, verständlich und deutlich sein.
  • Die Kennzeichnungen, die Gebrauchsanleitung und die Warnhinweise müssen über mehr als einen sensorischen Kanal zur Verfügung gestellt werden. Das hat so zu erfolgen, dass den Verbrauchern die Informationen unter anderem in einer Schriftart mit angemessener Größe und mit geeigneter Form und mit ausreichendem Kontrast sowie ausreichenden Abständen zwischen den Buchstaben, Zeilen und Absätzen dargestellt werden.

Achtung: Vergleichbar mit dem Elektrogesetz kann auch hier der reine Händler zum Quasi-Hersteller werden. Das sind die Fälle, in denen

  • der Händler ein Produkt unter seinem eigenen Namen oder seiner eigenen Marke in den Verkehr bringt (z. B. No-Name-Ware aus Asien) oder
  • ein bereits in den Verkehr gebrachtes Produkt so ändert, dass dessen Konformität mit den Anforderungen der BFSG beeinträchtigt werden kann.

Der Hersteller kann auch einen Bevollmächtigten benennen und diesem seine Pflichten übertragen. Ausgenommen hiervon ist die Pflicht, das Produkt barrierefrei zu gestalten und herzustellen und die Pflicht, die technische Dokumentation durchzuführen. Diese müssen stets vom Hersteller selbst ausgeführt werden. 

Pflichten der Händler

Auch der reine Handel wird in die Verantwortung genommen, denn ein Händler darf ein Produkt erst auf dem Markt bereitstellen, wenn

  • das Produkt mit der CE-Kennzeichnung versehen ist,
  • dem Produkt die Gebrauchsanleitung und Sicherheitsinformationen in deutscher Sprache beigefügt sind,
  • der Hersteller und/oder der Importeur seine Kennzeichnungspflichten (s. o.) erfüllt hat.

Hat der Händler Kenntnis davon oder Grund zur Annahme, dass ein Produkt nicht den Barrierefreiheitsanforderungen entspricht, darf er dieses Produkt erst auf dem Markt bereitstellen, wenn die Konformität hergestellt worden ist. Wenn das Produkt den geltenden Barrierefreiheitsanforderungen nicht genügt, informiert der Händler außerdem unverzüglich den Hersteller oder den Einführer sowie die Marktüberwachungsbehörden darüber.

Ausnahme: Unverhältnismäßige Belastung

Wie bereits erwähnt, können auch reine Händler per definitionem zum Hersteller werden, wenn sie beispielsweise No-Name-Produkte ankaufen und unter ihrer eigenen Marke weiter vertreiben. Die Barrierefreiheitsanforderungen sollen daher nur insoweit gelten, als deren Einhaltung nicht zu einer unverhältnismäßigen Belastung führen würde. Kriterien für die Beurteilung der unverhältnismäßigen Belastung wiederum finden sich in der Anlage vier des BFSG. Bei der Beurteilung, die die Verantwortlichen selbst vornehmen und dokumentieren, wird das Verhältnis der mit Barrierefreiheit verbundenen Nettokosten mit den Gesamtkosten der Herstellung in einer komplexen Berechnung dokumentiert. Die geschätzten Kosten für die Herstellung und Sicherstellung der Barrierefreiheit werden mit dem Nutzen für Menschen mit Behinderung ins Verhältnis gestellt.

„Da bei zukünftigen Produktentwicklungen die Barrierefreiheit bereits bei der Planungs- und Konzeptionierungsphase berücksichtigt werden kann, ist davon auszugehen, dass nur in Ausnahmefällen neue Produkte und Dienstleistungen von einer unverhältnismäßigen Belastung betroffen sind”, heißt es in der Gesetzesbegründung. 

Zum anderen muss ein Verantwortlicher die Barrierefreiheitsanforderungen dann nicht einhalten, wenn die Einhaltung zu einer grundlegenden Veränderung seines Produkts oder seiner Dienstleistung führen würde. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn die Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen, etwa durch den Einsatz einer neuen Technologie oder Software, die Leistungsfähigkeit des Produktes in einem solchen Ausmaß beeinflussen würde, dass es nicht mehr den beabsichtigten Zweck erreichen kann, heißt es in den BFSG-Leitlinien.

Sonderregelungen für Kleinstunternehmen

Mit großer Sorge wurde das BFSG auch von kleinen Unternehmen beäugt. Sie können kaum die Manpower oder finanziellen Mittel aufbringen, sich neben den ohnehin schon umfangreichen Produktanforderungen, wie der Produktsicherheit und Kennzeichnung, auch noch mit dem Thema Barrierefreiheit auseinanderzusetzen. Die Pflicht zur barrierefreien Gestaltung gilt also nicht für Dienstleistungen aus sogenannten Kleinstunternehmen. Wichtig: Diese Ausnahme gilt nur für Unternehmen, die Dienstleistungen erbringen. Kleinstunternehmen, die maßgebliche Produkte (s. o.) herstellen/verkaufen, sind nicht vom Gesetz ausgenommen!  

Kleinstunternehmen sind Unternehmen, die maßgebliche Dienstleistungen anbieten und weniger als zehn Personen beschäftigen und die entweder 

  • einen Jahresumsatz von höchstens 2 Millionen Euro erzielen 

oder 

  • deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 2 Millionen Euro beläuft.

Beispiel: Ein Unternehmen hat einen Umsatz von einer Million Euro im Jahr und hat 6 Mitarbeiter. Das Unternehmen muss die Barrierefreiheitsanforderungen nicht beachten. Beschäftigt das Unternehmen jedoch 2 Mitarbeiter und macht einen Umsatz von fünf Millionen Euro im Jahr, ist es kein Kleinstunternehmen nach dem BFSG.

Umsetzung für den Online-Handel

Und das alles muss natürlich, und das ist für viele schon ein durchschlagendes Argument, in die Praxis umgesetzt werden. Keine Zeit, kein Geld, wird es nun vielerorts bis zum bitteren Ende lauten. Tatsächlich muss es aber noch nicht der ganz große Schlag sein, denn auch kleine (kostenlose) Schritte können schon ausreichen, um Großes zu bewegen. 

Der barrierefreie Online-Shop muss umfassend wahrnehmbar und verständlich sein, d. h. sowohl Rechtstexte als auch Produktinformationen und sonstige Inhalte müssen für Menschen mit Behinderung aufrufbar sein. Blinde oder sehbehinderte Menschen sind darauf angewiesen, dass Bilder beschrieben werden. Sie sollten also mit Bildbeschriftungen versehen werden. Webseitenbetreiber müssen also künftig darauf achten, eine einfache Sprache zu verwenden oder bei der Gestaltung der Seite auf ausreichende Kontraste zu achten. Hier noch einmal ein Überblick:

Checkliste:

  • Ausreichenden Kontrast zwischen Vorder- und Hintergrundfarbe
  • Gut lesbare Schriftart (kein Schnörkel)
  • Ausreichend große und gut wahrnehmbare Links und Schaltflächen
  • Intuitive und übersichtliche Navigation
  • Leicht verständliche Sprache (kurze, einfach Sätze, Verzicht auf Fremdwörter)
  • Sprachausgabe des Inhalts (Alternativtexte beispielsweise für Bilder, Videos und Text-Banner)
  • Außerdem: Verzicht auf Diskriminierung (Auswahlmöglichkeit des dritten Geschlechts und Verzicht auf Ableismus)

In einem Schnelltest kann man übrigens die Kontraste auf der Seite überprüfen. Auch die Web Accessibility Evaluation Tools von Wave bieten eine Reihe an Überprüfungsmöglichkeiten. Das Testen von digitaler Barrierefreiheit ist auch über die Bundesfachstelle Barrierefreiheit möglich. 

Für Webseiten gibt es neben Schützenhilfe durch die Shopsysteme (z. B. Barrierefreie Hilfswerkzeuge von Shopware) selbst mittlerweile jede Menge Anbieter, die bei der Konzeptionierung und Umsetzung des Projekts Barrierefreiheit unterstützen. Gemeinnützige Organisationen können sich beispielsweise auch finanzielle Unterstützung von der Aktion Mensch holen, um ihre eigenen Seiten den internationalen Richtlinien entsprechend barrierefrei zu gestalten.

Folgen von Verstößen

Gibt es Grund zur Annahme, dass ein Produkt die Barrierefreiheitsanforderungen nicht erfüllt, etwa durch einen Hinweis von Verbrauchern oder Verbraucherverbänden, so prüft die Marktüberwachungsbehörde, ob dies tatsächlich der Fall ist. Interessant ist, dass Verbraucher und Verbände direkt Klage gegen die Marktüberwachungsbehörde vor dem Verwaltungsgericht erheben können, wenn diese keine Maßnahmen gegen den Wirtschaftsakteur einleitet. 

Kommt die verantwortliche Stelle zu dem Ergebnis, dass das Produkt tatsächlich nicht die Barrierefreiheitsanforderungen erfüllt, so fordert sie den Wirtschaftsakteur in einem ersten Schritt dazu auf, die Konformität des Produkts mit den Barrierefreiheitsanforderungen herzustellen. Im schlimmsten Fall kann die Bereitstellung des Produkts auf dem deutschen Markt eingeschränkt oder untersagt werden. Auch ein Rückruf ist möglich. 

Zusätzlich zu den oben beschriebenen Maßnahmen zur Herstellung der Konformität kann die Marktüberwachungsbehörde auch Bußgelder verhängen, um den Verstoß gegen die Hauptpflichten zu ahnden. Dies kann mit einem Bußgeld von bis zu 100.000 Euro geahndet werden. 

Barrierefreiheit als Wettbewerbsvorteil

Unsere Gesellschaft wird immer älter, sodass der Bedarf nach Barrierefreiheit wie eingangs erwähnt größer werden wird. Unternehmen, die barrierefreie Dienstleistungen anbieten, erschließen nicht nur größere Absatzmärkte und Wettbewerbsvorteile. Sie sind auch gut für die Zukunft aufgestellt. Denn sie werden künftig auch mit zur Barrierefreiheit verpflichteten Unternehmen konkurrieren, die mit innovativen barrierefreien Dienstleistungen am Markt sein werden. 

Obwohl es beim Thema Barrierefreiheit um viel, viel mehr als Umsätze geht, kann jedoch wenigstens das Vorgenannte dazu animieren, dass man dem Gesetzgeber – anders als sonst – mal einen Schritt voraus sein könnte. Mit gutem Beispiel geht Barbor voran: Der Luxus-Kosmetikhersteller bietet seinen Online-Shop bereits in einer barrierefreien Version an, die bis zum Check-out reicht. Dabei gibt sich das Unternehmen ganz bescheiden und setzt dieses Feature gar nicht marketingtechnisch ein. „Die BABOR BEAUTY GROUP ist seit Jahren der Gesetzgebung voraus – sei es in Sachen Nachhaltigkeit, bei der Auswahl der Ingredients oder eben auch bei digitalen Lösungen. Wir wollen so die BABOR Welt allen zugänglich machen”, erklärte uns Andreas Wolf, Vice President Digital & D2C bei Babor.

Fazit: Barrierefreier Zugang sollte keine Option sein

750 Millionen Menschen mit Behinderung gibt es weltweit, in Deutschland leben rund 7,8 Millionen schwerbehinderte Menschen. 80 Prozent der Menschen mit Behinderung in Deutschland nutzen das Internet, und 55 Prozent dieser Nutzer stoßen dabei auf Barrieren. Bereits jetzt sind Menschen mit Behinderungen laut Studien der Aktion Mensch öfter online als Menschen ohne Behinderung. Diese Gruppe wird bei der Konzeption von Websites oft aber gar nicht berücksichtigt und kann infolgedessen die begehrten Inhalte eingeschränkt oder gar nicht nutzen. Fast jeder 10. Mann hat übrigens eine Rot-Grün-Schwäche und würde hier bei einer Webseite schon an seine Grenzen stoßen, wenn Informationen nur über Farben kommuniziert werden, beispielsweise bei Fehler- und Erfolgsmeldungen in roter und grüner Farbe.

Der Online-Handel ist prädestiniert dafür, Menschen bei einem selbstbestimmten Leben zu unterstützen. Schließlich ist der Kauf von Waren im Internet schon jetzt für viele Menschen barrierefreier als in einem stationären Ladengeschäft. Vor diesem Hintergrund sorgt mehr Barrierefreiheit nicht nur für mehr Teilhabe von Menschen mit Behinderung, sondern auch für mehr Reichweite im Online-Handel und liegt damit auch im Interesse der Online-Händler. 

Neben den umfangreichen Leistungen in puncto Rechtssicherheit im Online-Shop bietet der Händlerbund mit seinem Partner Eye-Able auch Unterstützung für das Thema Barrierefreiheit. Mit der Eye-Able-Software können Sie Ihre Website unkompliziert für alle zugänglich machen. Weitere Informationen finden Sie hier.

Über die Autorin

Yvonne Bachmann
Yvonne Bachmann Expertin für: IT-Recht

Yvonne ist schon seit Beginn ihrer juristischen Laufbahn mit Leib und Seele im IT-Recht unterwegs. Seit Anfang 2013 ist sie als Volljuristin beim Händlerbund tätig und berät dort hilfesuchende Online-Händler in Rechtsfragen rund um ihren Shop. Genausolange berichtet sie bei uns zu Rechtsthemen, welche die E-Commerce-Branche aufwirbeln. 

Sie haben Fragen oder Anregungen?

Kontaktieren Sie Yvonne Bachmann

Kommentare  

#1 Oliver 2023-03-03 16:57
Also ich fühl mich auf Internetseiten von zig Pop-ups behindert.
Angefangen von Werbung vom Händlerbund, über den Cookie Hinweis, bis hin zu (vom Browser?) gestellten Frage ob man zukünftig nicht proaktiv über neue Nachrichten informiert werden möchte.

Alles ein Grund mehr z.B. meiner 84 jährigen Mutter eben kein Tablet an die Hand zu geben um Informationen zu finden.
Bereits ein Popup das mich davor abhält das gewünschte zu lesen ist eine Behinderung!
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