Einzelfallbetrachtung – die juristische Kolumne

Warum Juristen manchmal nicht so ernst genommen werden sollten

Veröffentlicht: 17.04.2020 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 17.04.2020
Skeptische Frau

Nicht selten lösen klassische juristische Floskeln Unverständnis, manchmal sogar Empörung aus. Ob nun die überaus einfache Einschätzung, dass man laut Ansicht von uns Juristen Geld halt zu haben hat oder Tiere nun mal Sachen sind – Juristen haben es an der Stelle echt nicht leicht und sind mit ihren Sprüchen nun nicht gerade der Kracher auf jeder Party. Das mag daran liegen, dass Menschen ohne juristisches Ohr unsere Worte falsch einordnen. Da sorgen Aussagen manchmal für erstaunte Reaktionen. Doch keine Sorge: Wir meinen es meist nicht so, wie ihr es auffasst. 

Anders läuft es übrigens bei dem berühmten Fragespiel an Juristen „Mach ich mich eigentlich strafbar, wenn [hier bitte jeden beliebigen absolut lebensfernen Sachverhalt einfügen]?“. Je nach Pegel kann der Jurist hier mal schnell zur Party-Attraktion werden. Aber das ist eher Stoff für eine andere Kolumne.

Jura als Sprache

Dass ich als Juristin es mit meinen Floskeln nicht so leicht habe, merke ich, seitdem ich in dieser Redaktion arbeite. Es kommt nicht selten vor, dass meine geschätzten Kolleginnen aus der Germanistik, Tina und Hanna, mich beim Lektorieren meiner Artikel entgeistert fragen, ob man das denn so sage und das richtiges Deutsch sei. Ich war schon ein wenig schockiert, dass meine in Studium und Referendariat gepflegten Begriffe und Floskeln gar kein richtiges Deutsch sein sollen. Was mich am Anfang irritiert hat, führt mich nun nach eineinhalb Jahren zu dem Ergebnis, dass Jura eher bei den Fremdsprachen, mindestens jedoch bei den Dialekten angesiedelt werden sollte. 

Ein weiterer Punkt der mir bei der Arbeit mit Nicht-Juristen aufgefallen ist, ist der Umstand, dass die juristische Sprache oft härter rüber kommt, als es eigentlich gedacht ist. 

Die Männlichkeit als Sachmangel

Jura als Sprache kann so manches (nur nicht schön klingen). So ist es für die Juristen absolut nachvollziehbar, dass Männlichkeit ein Mangel sein kann. Im Umkehrschluss kann das übrigens auch auf die Weiblichkeit zutreffen, allerdings sind mir keine Fälle bekannt, in denen Weiblichkeit diese Schlussfolgerung nach sich gezogen hat.

Es geht um folgendes: A bestellt bei B ein weibliches Tier, bekommt aber ein männliches. Weist die bestellte Ware nicht die vereinbarte Beschaffenheit auf, ist im Allgemeinen von einem Sachmangel die Rede. Juristisch gesprochen ist das männliche Tier hier also nichts anderes, als ein mit einem Sachmangel behaftetes weibliches Tier. Der Jurist will damit keineswegs zum Ausdruck bringen, dass das Besitzen eines bestimmten Geschlechts per se ein Mangel ist – außer eben in diesen bestimmten Fällen.

Nüchtern und trocken

Das ist nur eines von vielen Beispielen, die zeigen, dass Aussagen von Juristen nicht allzu ernst genommen werden sollten. Unsere Aufgabe ist es, konkrete Einzelfälle möglichst nüchtern und trocken ohne jegliche Emotionen rechtlich zu bewerten. Da kann es eben schon mal sein, dass man stundenlang darüber philosophiert, ob das Verwursten eines geklauten Bullen (der so genannte Jungbullenfall) tatsächlich zum Eigentumserwerb führt oder man dem bestohlenen Bauern nicht wenigstens die Wurst herausgeben sollte. Weiterhin können wir uns auch sehr lange darüber unterhalten, wo genau denn der Unterschied zwischen Kauen und Lutschen ist. Schließlich ist das aus rechtlicher Sicht sehr relevant. Zumindest wenn es um neue Tabakerzeugnisse geht. 

Wir Juristen sind nicht etwa herzlos; es ist nun aber eben so, dass eine emotionale Betrachtung von Fällen selten zu einem Ergebnis führt, welches unseren Mandanten vor Gericht weiter hilft. Gesetzestexten an sich sind aufgrund ihrer Herzlosigkeit emotionale Einzelschicksale ganz schön egal. Daher benötigten es einen kühlen Kopf mit juristischem Sachverstand, der manchmal eben auch mal Floskeln rauswirft, die bei anderen auf Unverständnis treffen, in der Welt der Juristen allerdings nichts weiter als ein folgerichtiges Ergebnis darstellen.

Über die Autorin

Sandra May
Sandra May Expertin für: IT- und Strafrecht

Sandra schreibt seit September 2018 als juristische Expertin für OnlinehändlerNews. Bereits im Studium spezialisierte sie sich auf den Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrechts. Nach dem Abschluss ihres Referendariats wagte sie den eher unklassischen Sprung in den Journalismus. Juristische Sachverhalte anschaulich und für Laien verständlich zu erklären, ist genau ihr Ding.

Sie haben Fragen oder Anregungen?

Kontaktieren Sie Sandra May

Kommentare  

#2 Redaktion 2020-04-27 12:29
Hallo Herr Mohr,

als Volljuristen bezeichnet man Juristen, die sowohl das erste Staatsexamen an der Universität, als auch das zweite Staatsexamen im Rahmen der praktischen Ausbildung (Referendariat) absolviert haben. Die Bezeichnung steht also für Juristen, die die Befähigung zum Richteramt erworben haben. Personen, die lediglich das erste Staatsexamen absolviert haben, bezeichnet man als Juristen oder Diplomjuristen.

Beste Grüße,
die Redaktion
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#1 Toni Mohr 2020-04-27 10:47
Hallo Frau May,

mir ist aufgefallen, dass Sie diesmal nicht erwähnt haben Volljuristin zu sein. Warum nicht mehr? Und ich wollte fragen, ob es auch einen Halbjuristen gibt.

Mit freundlichen Grüßen

Toni Mohr
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