Fusion mit Flaschenpost

Arbeitsagentur schiebt hunderte Entlassungen bei Durstexpress auf

Veröffentlicht: 22.02.2021 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 06.07.2022
Flaschenpost-Mitarbeiter lädt Getränkekisten aus Auto

Durstexpress gehört seit jeher zu Dr. Oetker. Als der Konzern im Jahr 2020 den Konkurrenten Flaschenpost aufkaufte, blieb für die Angestellten erst einmal alles beim Alten. Das war auch gut so: Viele Mitarbeiter berichten von besseren Arbeitsbedingungen bei Durstexpress. Ende Januar dann änderte sich die Stimmung. Tausende Angestellte von Durstexpress bekamen die Kündigung. Hintergrund ist die Fusion der beiden Marken. Aufgrund der höheren Bekanntheit und der moderneren Technik wolle Dr. Oetker lediglich die Flaschenpost weiter führen. Die Kündigungen wurden zu Ende Februar ausgesprochen. Zumindest die Leipziger Durstexpress-Mitarbeiter dürfen allerdings vorerst aufatmen. Hier erklärte die Arbeitsagentur das Kündigungsdatum für unwirksam.

Längere Beschäftigung zumutbar

Die Agentur für Arbeit ist aufgrund des Kündigungsschutzgesetzes in den Prozess involviert. Dort heißt es in § 17:

 „(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

  1. in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
  2. in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
  3. in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer

innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt.“

Sogenannte Massenentlassungen müssen also bei der Behörde angezeigt werden. Diese kann in bestimmten Fällen intervenieren. Das ist jetzt auch in Leipzig passiert. Wie die Gründerszene berichtet, stellte die Behörde fest, dass angesichts der Lage des Arbeitsmarktes „das öffentliche Interesse und das der Arbeitnehmer:innen gegenüber dem der Durstexpress KG“ überwiege und die Kündigungen daher erst zu Ende März wirksam werden. Dieser Aufschub sei dem Unternehmen Durstexpress wirtschaftlich zumutbar. 

Ob die insgesamt 600 entlassenen Mitarbeiter in Berlin und Bochum auch auf so eine Galgenfrist hoffen können, bleibt noch abzuwarten. 

Mitarbeiter fühlen sich veräppelt

Für die Noch-Mitarbeiter von Durstexpress ist die ganze Lage prekär. Dr. Oetker hatte ihnen zwar angeboten, sich für freie Stellen bei der Flaschenpost zu bewerben, allerdings seien die Arbeitsbedingungen dort schlechter, als bei Durstexpress. Es gäbe geringere Stundenlöhne und es sei auch nicht sicher, dass die Mitarbeiter auch tatsächlich 40 Stunden die Woche eingeteilt werden. Außerdem sei die Stimmung eine ganz andere. „Bei Durstexpress gab es auch Probleme, aber da haben zumindest die Bezahlung und das Miteinander gestimmt. Bei Flaschenpost gilt man schon als auffällig, wenn man zu lange auf der Toilette war“, wird ein Fahrer aus Leipzig, der anonym bleiben möchte, von der Gründerszene zitiert.

Flaschenpost hingegen versichert, dass es für die ehemaligen Durstexpress-Mitarbeiter zu keinen Verschlechterungen kommen würde: „Die Mehrheit der Durstexpress-Mitarbeiter erwarten aufgrund einer erneuten Erhöhung der Flaschenpost-Löhne in der Logistik zum 1. Februar 2021 nach einer Übernahme bessere Gehaltsbedingungen als bislang beim Durstexpress, sowohl was den Grundlohn als auch die Option auf Leistungszulagen betrifft, die es beim Durstexpress so nicht gab“, teilt das Unternehmen Gründerszene mit. „Zudem werden die von Schließungen betroffenen Durstexpress-Mitarbeiter bei Vertragsabschluss höher eingruppiert, um ihre bisherige Arbeitserfahrung zu honorieren.“

Nichtsdestoweniger bleibt vielen Mitarbeitern die Kündigung ein Rätsel: Gerade in der Pandemie sei das Liefergeschäft floriert, so dass die Kündigungen schwer nachvollziehbar sein. Gegen die Kündigungen wollen einige Angestellte Klage einreichen. Es bleibt also weiter spannend. 

Über die Autorin

Sandra May
Sandra May Expertin für: IT- und Strafrecht

Sandra schreibt seit September 2018 als juristische Expertin für OnlinehändlerNews. Bereits im Studium spezialisierte sie sich auf den Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrechts. Nach dem Abschluss ihres Referendariats wagte sie den eher unklassischen Sprung in den Journalismus. Juristische Sachverhalte anschaulich und für Laien verständlich zu erklären, ist genau ihr Ding.

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