Probleme bei Amazon: Verwendung der abmahnfähigen „Tell a friend“-Funktion

Veröffentlicht: 29.07.2015 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 08.06.2016

Blendet ein Online-Marktplatz (ohne das Wissen des Händlers) eigenmächtig wettbewerbswidrige Aussagen ein oder stehen Funktionen zur Verfügung, die eine Abmahnung zur Folge haben können, wird man als Online-Händler doch wohl auf die Plattform verweisen können. Oder etwa nicht?

Amazon logo: Weiß auf Schwarz

360b / Shutterstock.com

In dieser Frage haben die Gerichte eine klare Linie entwickelt: Wenn ein Online-Marktplatz es einem auf dieser Plattform handelnden Unternehmer nicht ermöglicht, sich gesetzeskonform zu verhalten, sei es Sache des Händlers, die Angebotsdaten abzuändern, den Marktplatzbetreiber zu Systemveränderungen zu veranlassen oder sich schlichtweg dieses Betreibers nicht mehr zu bedienen. Dieser Grundsatz wurde in der Vergangenheit bereits von zahlreichen Gerichten aufgegriffen und Händlern damit eine Verteidigung gegen Abmahnungen fast unmöglich gemacht.

Amazon verstößt gegen geltendes Recht

Beispiele für solche abmahnfähigen „Umstände“ gibt es viele: die unzureichende Grundpreisangabe bei Ebay oder die fehlende Möglichkeit der Darstellung gesetzlicher Pflichtangaben (z.B. des Energieeffizienzlabels). Auch Amazon kann sich mit seiner Weiterempfehlungs-Funktion in die Reihe dieser Negativbeispiele einreihen.

Auf der Plattform wird dem Kunden in der Artikelbeschreibung eine Funktion bereitgestellt, mit deren Hilfe Nutzer bestimmte Produkte (beispielsweise Freunden oder Bekannten) weiterempfehlen können:

Screenshot Amazon

Screenshot vom 29.07.2015

Kurze Zeit später erhält der „Freund“ eine Nachricht, in welchem ihm das konkrete Produkt empfohlen wird. Absender dieser Mail ist no-reply@amazon.com.

Amazon noch nicht auf Kurs mit der Rechtsprechung

Vor zwei Jahren hat der Bundesgerichtshof klar gemacht, dass es nicht zulässig ist, für Nutzer eine sog. Weiterempfehlungs- oder auch „Tell a friend“-Funktion zur Verfügung zu stellen, weil dem Dritten dann unverlangt eine Empfehlungs-E-Mail zugeschickt wird (Urteil vom 12.09.2013 Az. I ZR 208/12). Dies gilt unabhängig davon, dass die Empfehlungs-E-Mails von einem Dritten veranlasst werden.

Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte im vergangenen Jahr die Unzulässigkeit konkret für die Amazon-Weiterempfehlungsfunktion (Az.: I-4 U 154/14, Verfahren ohne Entscheidung). Die Weiterempfehlungsfunktion bei Amazon sei rechtswidrig, da nach den vom BGH aufgestellten Grundsätzen eine unlautere Werbung vorliege. In einem aktuellen Fall widmete sich das Oberlandesgericht Hamm der Problematik erneut – mit dem gleichen Ergebnis (Urteil vom 09.07.2015, Az.: I-4 U 59/15): Die Weiterempfehlungsfunktion von Amazon ist wettbewerbswidrig. Für einen Wettbewerbsverstoß reicht es schon aus, dass die Weiterempfehlungsfunktion verwendet werden kann. Auf die konkrete Funktionsweise kommt es nicht an.

Kein rechtssicheres Handeln auf Amazon möglich

Man müsste meinen, Amazon hat mittlerweile Notiz von dem Urteil des Bundesgerichtshofes sowie der Rechtsauffassung des OLG Hamm genommen und endlich bessere Bedingungen für Amazon-Händler geschaffen. Doch dem ist leider nicht so. Wer die „Tell a friend“-Funktion bei Amazon nutzt, versendet eine Empfehlung an einen Dritten, bei dem Amazon weiterhin als Absender auftritt.

Uns liegt mittlerweile auch eine Abmahnung vor, die diese Funktion zum Gegenstand hatte. Bei Abgabe einer Unterlassungserklärung, in welcher sich der Online-Händler verpflichtet, die "Tell a friend"-Funktion gar nicht mehr oder nur noch im zulässigen Rahmen zu verwenden, hat eine weitreichende Folge: Der Handel über den Amazon-Shop wäre mit Abgabe nicht mehr möglich, ohne eine Vertragsstrafe befürchten zu müssen.

Auch wenn Amazon-Händler derzeit keinen Einfluss auf die Bereitstellung oder Umsetzung der "Tell a friend"-Funktion bei Amazon haben, ist die Verwendung in hohem Maße abmahngefährdet. Online-Händler sollten sich damit nicht abfinden und Amazon weiterhin aktiv zu einer entsprechenden Lösung drängen.

 

Kommentare  

#3 Katmor 2015-11-18 10:33
Oh, das betrifft nicht nur Amazon. Hatte für meinen Enkel bei Mytoys eine Torwand bestellt, es stand im Titel "Torwand", die Abbildung zeigte auch eine komplette Torwand, aber es kam nur der Stoff, so dass ich mir noch mal genau die Beschreibung zu Gemüte geführt habe, da war im Text ganz verworren zu erkenn, dass das Gestänge nicht mit dabei ist - ein absolutes Nogo. Natürlich geht das Ding wieder zurück.
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#2 Martin Atzenhofer 2015-08-01 10:20
Wenn Amazon nicht reagiert, dann bliebe nur eine einzige Möglichkeit, diese dazu zu zwingen.

Amazon bietet ja selbst Waren an, also könnte z.B. der Händlerbund eine Abmahnung gegen Amazon (in Namen eines Händlers) direkt machen .... dann wären Sie ja ebenfalls gezwungen eine Unterlassungser klärung zu unterschreiben und etwas zu unternehmen ....

PS: Vor ein paar Jahren wurde unsere Firma bereits abgemahnt, weil Amazon die MwSt. nicht korrekt dargestellt hat. ... (von Amazon keine Hilfe, keine Antwort weder auf Mail, Brief, Fax ...). Die scheinen in diesem Bereich wohl sehr behäbig ... oder sehr selbstgefällig zu sein.
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#1 Ralf 2015-07-29 15:35
ich weiß, naive Vorstellungen die ich habe, da es bei den Abmahnungen schon lange nicht mehr zum Schutz von Verbrauchern oder dem Wettbewerb, sondern rein ums Geld verdienen geht.
Trotzdem muss ich es loswerden.
Wir haben doch solche sogenannten Verbraucherschu tz Institutionen. Wenn es wirklich um Verbraucherschu tz gehen würde, dann würden solche Institutionen AMAZON abmahnen und das Problem wäre behoben, da die Ursache behandelt wurde und nicht nur an den Symptomen rumgedoktert wird bis der Patient tot ist.

Aber da könnte man ja kein Geld mehr verdienen und unser Rechtsstaat läßt hier alles schön beim alten.
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