Herr, Frau, divers?

Das dritte Geschlecht muss in Online-Shops wählbar sein

Veröffentlicht: 07.12.2020 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 22.06.2022
Symbole für Männlich,Weiblich und Divers

Vor zwei Jahren hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Geburtenregister in seiner bisherigen Form gegen das Grundgesetz verstieß. Die Eintragungsmöglichkeit „männlich“ oder „weiblich“ verletzt Menschen, die sich beispielsweise aus biologischen Gründen weder dem einen noch dem anderen binären Geschlecht zuordnen lassen, in ihren Rechten. Die Folge ist die Einführung des sogenannten dritten Geschlechtes „divers“. Bereits kurz nach der Einführung stellten wir uns hier die Frage, ob das dritte Geschlecht denn auch in Bestellformularen in Online-Shops berücksichtigt werden muss. Nun wurde ein erstes Urteil gesprochen.

Buchung bei der Deutschen Bahn

In dem Fall, den das Landgericht Frankfurt entscheiden musste, streitet sich eine Person mit der Deutschen Bahn: Die Deutsche Bahn lässt bei dem Kauf und der Registrierung für die Fahrkartenbuchung über das Internet lediglich die Auswahl zwischen „Herr“ und „Frau“ zu. Die bestellende Person gilt als divers und fühlte sich zum einen wegen dieser Auswahl, aber auch wegen der männlichen Anrede in der späteren Kommunikation in ihren allgemeinen Persönlichkeitsrechten verletzt.

Geschlechtsneutrale Anrede möglich

Das Landgericht Frankfurt gab der klagenden Person Recht: Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schütze auch die geschlechtliche Identität. Eine Person, die sich weder als „Herr“ noch als „Frau“ sieht, könnte nicht dazu gezwungen werden, sich für eine der beiden Anreden zu entscheiden. Außerdem sei die Angabe des Geschlechts für den Fahrkartenkauf komplett irrelevant. Die Deutsche Bahn hätte laut der LTO bei der Anrede auch auf ein neutrales „Guten Tag“ zurückgreifen können.

Einen Anspruch auf Schadensersatz wegen der Verletzung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes steht der klagenden Person allerdings nicht zu. Die Verletzung sei nicht schwerwiegend und auch nicht böswillig erfolgt.

Fazit: Pflicht ja, Schadensersatz nein

Auch wenn die Deutsche Bahn wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts keinen Schadensersatz zahlen musste, macht das Urteil klar, dass sich die Einführung des dritten Geschlechts in das Geburtenregister auch auf den Online-Handel auswirkt. Fragt ein Unternehmen nach der Anrede, so muss es eine dritte Option bereitstellen. 

Bemerkenswert ist auch, dass das Gericht herausgearbeitet hat, dass die Frage nach dem Geschlecht gar nicht notwendig ist und eine geschlechtsneutrale Ansprache ohne Weiteres im Rahmen der Möglichkeiten liegt. 

Dieser Rechtsstreit wurde mittlerweile durch die nächste Instanz entschieden. Der Artikel zum aktuellen Urteil ist hier zu finden. Anders, als das Landgericht, sprach das Oberlandesgericht einen Anspruch auf Entschädigung zu.
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