Dreist oder berechtigt

Unternehmerin gibt sich als Verbraucherin aus

Veröffentlicht: 20.07.2023 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 28.07.2023
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In unserer Reihe „Dreist oder berechtigt“ nehmen wir Forderungen und Fragen von Verbrauchern, Kunden und Arbeitnehmern unter die Lupe.

 

In dieser Woche stellt sich die Frage, ob sich Unternehmen als Verbraucher:innen tarnen dürfen: Die Kundin betreibt ein eigenes, kleines Handmade-Gewerbe. Sie möchte in einem Stoffladen bestellen, bei dem es auch die Möglichkeit gibt, einen Unternehmens-Account zu erstellen. Das ist ihr aber schlicht zu aufwändig. Sie müsste dafür ihren Gewerbeschein einreichen und gewiss ein bisschen warten, bis der Account freigeschaltet wird. Als Verbraucherin kann sie allerdings direkt als Gast bestellen. Hinzu kommt noch, dass sie von den günstigeren Preisen für Großabnehmer:innen nicht profitiert, da ihre benötigten Mengen eher klein sind. Entsprechend tätigt sie eine Bestellung über die Funktion „als Gast bestellen“ und gibt ihre privaten Daten an. Den Hinweis, dass Unternehmen über das B2B-Konto bestellen sollen, ignoriert sie großzügig. Sie bestellt größere Mengen an unterschiedlich unifarbenen Stoffen. Als die Stoffe ankommen, fällt ihr auf, dass ihr so manche Nuancen nicht gefallen. Sie erklärt also einen Teilwiderruf. Nun wird die Inhaberin des Shops aber stutzig: Die Mengen entsprechen nicht den üblichen für den Privatgebrauch. Eine kurze Googlesuche ergibt außerdem, dass die Kundin einen kleinen Handmadeshop bei Etsy betreibt. Entsprechend lehnt die Inhaberin den Widerruf ab. Dieses Recht stünde nur den Verbraucher:innen zu. Die Käuferin ist nicht einverstanden und besteht auf ihr Recht. Immerhin verarbeite sie zumindest die Stoffreste privat. Ist das dreist, oder berechtigt?

Grundsatz: Verbraucherrechte sind für Verbraucher:innen da

Es ist ganz schön simpel: Auf Verbraucherrechte können sich nur natürliche Personen berufen, die etwas für ihren privaten Gebrauch erwerben. Wer etwas für den Geschäftszweck kauft, darf sich nicht auf Verbraucherrechte berufen. Wer einen reinen B2B-Shop betreibt oder einen B2B-Bereich im Shop integriert hat, muss sogar aktiv dafür sorgen, dass dort nicht einfach Verbraucher:innen shoppen können.

Allerdings verfügt nicht jeder Shop über einen Bereich für Unternehmen. Gleichzeitig ist es aber nicht verboten, dass Unternehmen für ihren gewerblichen Zweck in einem B2C-Shop einkaufen. Dennoch dürfen sich Unternehmen natürlich auch hier nicht auf die Verbraucherrechte berufen. Es gehört sogar zu den Grundsätzen von Treu und Glauben eben nicht über die Unternehmereigenschaft zu täuschen. Insbesondere bei Solo-Selbstständigen ist es oftmals für den Shop-Betreiber bzw. die Shop-Betreiberin gar nicht so einfach festzustellen, ob hier für den privaten Bedarf oder das Gewerbe eingekauft wurde. Immerhin können Kugelschreiber beispielsweise sowohl privat, als auch gewerblich genutzt werden. Hier ist am Ende die Frage entscheidend, wer was beweisen muss. Tätigt eine natürliche Person einen Einkauf, wird erst einmal vermutet, dass diese privat handelt. Mit dieser Grundannahme wird sichergestellt, dass Unternehmen nicht einfach ins Blaue hinein die Behauptung tätigen, jemand hätte keine Verbraucherrechte. Das würde den Verbraucherschutz aushöhlen. Im ersten Schritt muss das Unternehmen also die Grundannahme erschüttern, dass der Einkauf einem gewerblichen Zweck dient. Dafür dürfte die Hürde aber nicht allzu hoch sein: Immerhin sind die Möglichkeiten für das Unternehmen begrenzt. Kommen Indizien, wie etwa eine hohe Bestellmenge oder ein eingetragenes Gewerbe, welches zum bestellten Produkt passt, zusammen, kann dies im Einzelfall reichen, um diese Grundannahme des privaten Kaufs zu erschüttern. Jetzt würde der Ball an die Kundschaft gespielt werden, die eben belegen müsste, dass ihr tatsächlich Verbraucherrechte für den konkreten Einkauf zustehen, 

Fazit: Beweislage spricht nicht für Kundin

Was aber bedeutet dieser Grundsatz für unseren Fall? Nun, die Kundin müsste gegenüber der Shop-Inhaberin beweisen, dass sie die Stoffe für den privaten Gebrauch gekauft hat, um tatsächlich vom Widerrufsrecht Gebrauch machen zu können. Das kann sie aber schlicht nicht. Immerhin hat sie sogar zugegeben, dass sie bestenfalls Stoffreste privat verarbeiten würde. Dass ein kleiner Teil der Bestellung am Ende in der privaten Hobbykiste der Kundin landet, ist allerdings irrelevant. Ihre Bestellung ist durch ihren geschäftlichen Zweck – nämlich die Herstellung von Handmade-Produkten – zu Stande gekommen. Dass sie am Ende Stoffreste privat verwendet und sich diese möglicherweise, damit steuerlich alles sauber läuft, selbst abkaufen müsste, steht auf einem anderen Blatt geschrieben.

Dass die Kundin auf ihrem Widerrufsrecht beharrt ist also dreist, da ihr dieses Recht für diesen speziellen Einkauf schlicht nicht zusteht. 

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