Online-Nutzer werden durch bestimmte Tricks und Muster auf Webseiten von den Unternehmen dazu verführt, Dinge zu machen, die sie eigentlich gar nicht wollen. Wir zeigen, wo diese Dark Patterns zum Einsatz kommen, worin die Gefahren liegen und wie man ihnen ausweichen kann.
Wer zuletzt online auf vielen verschiedenen Webseiten unterwegs war, kennt die Nerv-Situation mit den jeweiligen Cookie-Bannern: Ein riesiges Feld mit zig Optionen und Feldern; man scrollt, liest – und klickt schließlich entnervt das vermeintlich „beste“ Feld an – vielleicht, weil es ganz oben stand oder anderweitig hervorgehoben wurde. Glückwunsch, in die Falle getappt! Denn im schlechtesten Fall ist der Webseiten-Besucher einem sogenannten Dark Pattern („dunkles Muster“) auf den Leim gegangen. Was klingt wie ein Science-Fiction-Film, ist in Wirklichkeit eine Palette an ausgeklügelten Methoden und Designs auf Webseiten und in Apps, die Nutzer dazu bringen sollen, etwas zu tun, was sie eigentlich nicht wollen – im Fall der Cookie-Banner etwa, mehr Daten preiszugeben. „Nicht immer ist der grüne Button der, der meinen Verbraucherinteressen am nächsten kommt“, warnt Jenny Häußer von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.
Derartige verlockende Muster trifft man fast überall im Web, nimmt sie aber teils kaum noch wahr. Aber dass manche klickbare Felder bunt markiert und sehr sichtbar sind – die Option zu kündigen hingegen gut versteckt ist, ist natürlich kein Zufall, sondern Kalkül der Unternehmen, die meist mehr von ihren Nutzern wollen: mehr Aufmerksamkeit, mehr Klicks, mehr Geld oder mehr persönliche Daten. „Gerade Countdowns und Scarcity-Patterns, also die angeblich begrenzte Verfügbarkeit von Angeboten, sind im E-Commerce weit verbreitet“, nennt Quirin Weinzierl weitere Beispiele. Er koordiniert das Dark-Pattern-Detection-Projekt am Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer, das das Phänomen untersucht.
Die Dark-Pattern-Forscher unterteilen die Verführmethoden dabei nach ihrer Wirkungsweise in diese fünf Bereiche, die teils ineinander übergehen.
Auch Amazon ist bekannt für derartiges Vorgehen. Der Online-Marktplatz hatte es bis Dezember 2020 Nutzern etwa schwer gemacht, ihr Konto zu kündigen, wie Jenny Häußer erklärt. „Die Funktion ’Konto löschen’ war lange Zeit in der Rubrik ’Datenschutz’ hinterlegt, wo sie wohl kein Verbraucher vermuten würde. Zudem musste eine Nachricht an Amazon gesandt werden und die Löschung ein weiteres Mal bestätigt werden.“ Inzwischen hat Amazon die Kündigung vereinfacht.
Berüchtigt sind Dark Patterns laut beider Experten vor allem im Bereich Reisen und Hotels. „Gerade die Verwendung von Countdowns und Scarcity-Patterns auf Hotelbuchungswebseiten hat sicher viele VerbraucherInnen bares Geld gekostet, weil sie überstürzt gehandelt und keinen Vergleich angestellt haben“, sagt Weinzierl.
Das Problem dabei: So ethisch umstritten die Methoden sind – sie sind nicht alle per se verboten. Zwar arbeitet die Bundesregierung derzeit in ihrem Gesetzesentwurf zu fairen Verbraucherverträgen an derartigen Fallen, Experten kritisieren jedoch sowohl die Umsetzung als auch, dass viele kritisierte Methoden dabei noch unter den Tisch fallen. Hinzu kommt, dass sich viele der Dark Patterns noch in einer rechtlichen Grauzone abspielen, meint Weinzierl. „Hier braucht es klarere Regelungen etwa im Lauterkeitsrecht, also dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb oder dem Bürgerliches Gesetzbuch“, fordert der Projektkoordinator. „Die Gesetzgeber in Deutschland und der EU erwachen erst langsam aus einem Dornröschenschlaf.“ Im US-Bundesstaat Kalifornien ist man schon wach und hat den Einsatz von Dark Patterns per Gesetz (t3n) seit Kurzem verboten.
Allerdings fehlt sowohl den verantwortlichen Behörden als auch den Online-Nutzern zum Teil das Bewusstsein für die Gefahr, die von den undurchschaubaren Tricks ausgeht. Und selbst wenn man diese erkennt, kann man trotzdem in die Falle tappen, wie Weinzierl erklärt: „Oft jedoch sind Dark Patters für NutzerInnen sichtbar, sie wirken aber trotzdem. Wenn man nicht die Zeit und Energie hat, immer wieder auf ’Nein, Danke‘ zu klicken, ist man chancenlos.“ Die verantwortlichen Behörden müssten besser wahrnehmen, wie leicht sich der Mensch auch durch kleine Änderungen der Entscheidungsumgebung steuern lasse und wie groß der Anreiz für Unternehmen sei, dies gezielt auszunutzen. Hinzu verändern sich die Lock- und Druckmittel im Web auch immer wieder, so der Experte. „Unternehmen probieren stets neue User-Interface-Gestaltungen aus und testen, welche davon am effektivsten sind. Hier gilt: ’Auch Kleinvieh macht Mist’ – es genügt also, wenn möglichst viele VerbraucherInnen sich ein bisschen lenken lassen“, erklärt Weinzierl.
Dabei geht es nicht nur um ungewollte kostenpflichtige Abos, untergeschobene Verträge und verlorenes Geld – vor allem im Bereich des Datenschutzrechts wiege die Gefahr besonders schwer, mahnt Weinzierl. „Wer ungewollt etwas bestellt, merkt dies nicht zuletzt finanziell. Wer seine Daten ungewollt preisgibt, merkt dies oft gar nicht oder nur sehr mittelbar. Hier können Dark Patterns und ihre Folgen dann sehr leicht unbemerkt bleiben – bei gleichzeitig hoher Gefahr für den Datenschutz.“
Die englische Webseite darkpatterns.org sammelt Beispiele für derartige manipulative Gestaltungsmethoden, bei der deutschen Verbraucherzentrale können Nutzer Dark Patterns melden, die sie bemerkt haben. Die Verbraucherschützer geben auch Hinweise, worauf Nutzer achten sollten und wie sie die ausgelegten Fallen umgehen können:
Ist ein Vertrag schon abgeschlossen, helfe NutzerInnen im Internet oft das Widerrufsrecht oder der Gang zu Verbraucherschutzorganisationen, rät Quirin Weinzierl.
Kommentare
Schreiben Sie einen Kommentar