Verbraucherschutz

Individualisierte Ware: Ausschluss des Widerrufs schwierig

Veröffentlicht: 13.10.2022 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 14.10.2022
Juristische Symbole

Eine der häufigsten Streitpunkte zwischen Online-Händlern und Verbrauchern ist die Frage nach dem Ausschluss des Widerrufsrechtes. Verkäufer fürchten insbesondere bei speziell gefertigten Produkten, im Falle des Widerrufs auf dem wertlos gewordenen Produkt sitzenzubleiben.

Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber einen Ausschlussgrund vom Widerrufsrecht für Waren geschaffen, „die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind“.

Und genau an dieser Formulierung scheiden sich die Geister. Ab wann ist ein Produkt so individualisiert, dass das Widerrufsrecht erlischt? Einen Fall zu dieser Thematik hatte das Landgericht Cottbus auf dem Tisch. Spoiler: Der Verbraucher gewinnt natürlich.

Individualisierung ohne Absprache

Ein Kunde hatte ein Faksimile des historischen Buches „Liber Scivias – Die göttlichen Visionen der Hildegard von Bingen“ zu einem stattlichen Preis von 7.920 Euro gekauft und diesen später bereut. Den erklärten Widerruf wollte das Unternehmen nicht akzeptieren.

Auf dem Bestellschein war das Kästchen „Personalisierung gewünscht / Name und Editionsnummer auf Messingschild (Widerrufsrecht nach Lieferung ausgeschlossen)“ händisch angekreuzt. Geliefert wurde das Faksimile aber nicht mit dem Messingschild, sondern mit einem auf der Innenseite des Einbandes eingeklebten Blatt Papier. Diese als notarielle Beurkundung bezeichnete Erklärung enthielt unter anderem den Hinweis auf die Limitierung, sowie den Namen des Käufers. Der Käufer gewann den Fall schließlich aus mehreren Gründen.

Voraussetzung: Erheblicher Wertverlust

Das Widerrufsrecht sei nicht erloschen, weil das eigentlich bestellte personalisierte Messingschild schon gar nicht mitgeliefert wurde, so die Begründung (LG Cottbus, Urteil vom 29.09.2022, Az.: 2 O 223/21). Selbst wenn das Messingschild angebracht worden wäre, hätte es sich problemlos wieder entfernen lassen.

Und dann erklärte das Gericht noch einmal, in welchen Fällen ein Händler sich auf den Ausschluss berufen kann: Nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes soll ein Widerruf dann ausgeschlossen sein, wenn der Gegenstand so individuell ist, dass er für den Händler im Falle ihrer Rücknahme wirtschaftlich wertlos ist. Das wäre der Fall, wenn er anderweitig nicht mehr oder nur unter erhöhten Schwierigkeiten und mit erheblichem Preisnachlass angeboten werden kann. Entscheidend ist, ob die Personalisierung ohne Einbuße oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand wieder rückgängig zu machen ist. Rückbaukosten unter fünf Prozent des Warenwerts gehen zulasten des Händlers.

Clevere Geschäftsidee: Die „aufgedrängte Personalisierung“

Die handschriftliche Namenseintragung sei ebenfalls irrelevant für das Widerrufsrecht, denn das wiederum hat der Kunde nicht bestellt. Eine solche „aufgedrängte Personalisierung“ kann nicht zum Ausschluss des Widerrufsrechtes führen.

Übrigens: Aktuell ging es zwar um einen Fall eines Haustürwiderrufs. Das Widerrufsrecht basiert jedoch auf der gleichen Rechtsgrundlage wie das Widerrufsrecht für den Online-Handel.

Über die Autorin

Yvonne Bachmann
Yvonne Bachmann Expertin für: IT-Recht

Yvonne ist schon seit Beginn ihrer juristischen Laufbahn mit Leib und Seele im IT-Recht unterwegs. Seit Anfang 2013 ist sie als Volljuristin beim Händlerbund tätig und berät dort hilfesuchende Online-Händler in Rechtsfragen rund um ihren Shop. Genausolange berichtet sie bei uns zu Rechtsthemen, welche die E-Commerce-Branche aufwirbeln. 

Sie haben Fragen oder Anregungen?

Kontaktieren Sie Yvonne Bachmann

Schreiben Sie einen Kommentar

Newsletter
Abonnieren
Bleibe stets informiert mit unserem Newsletter.